Du musst dein Leben ändern, du musst Klavierspielen. Warum Persönlichkeitsentwicklung durch Musizieren am effizientesten ist.

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Im letzten Artikel sprachen wir ja bereits über die Frage der Persönlichkeitsentwicklung und bis zu welchem Alter dies möglich sein sollte. Nun ist natürlich klar, dass tägliche Routinen diese Veränderung am Besten bewerkstelligen, denn nach Studien der Duke University machen Gewohnheiten circa 40 Prozent unseres Tages aus (Habits: A Repeat Performance by David T. Neal, Wendy Wood, and Jeffrey M. Quinn). Sloterdijk, der uns als Gewohnheitstier sieht, spricht gar von 99,9 Prozent. Das Leben ist Wiederholung. Es gibt so gut wie nichts, dass wir nicht irgendwie eingeübt hätten: Laufen, Essen, sogar Schlafhygiene oder früh Aufstehen sind Dinge, die auf Autopilot funktionieren können. In diesem Sinne muss dauerhafte Entwicklung über Gewohnheiten geschehen.

Exp Wachstum

Auf einigen Seiten heißt es immer wieder, dass 1 Prozent Verbesserung pro Tag, am Ende eine 37-fache Selbststeigerung bedeute. Verbesserung soll also nicht täglich auf ein Maß festgelegt sein, sondern von Vorhandenem ausgehen. Dieses heißt auch im Fachjargon "Kaizen". Natürlich setzt es voraus, dass wir uns nicht in schlechte Verhaltensmuster zurückfallen lassen, und natürlich auch dass Wachstum in diesem Sinne keine Grenzen hat. Zunächst bleibt das Argument daher leer, denn Veränderung ist keine Formel, sondern eine sehr weit gefasste Aufgabe für ein gelungenes Leben. By MarianneBirkholz (Own work) CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Aber wie sich am besten verändern? Wir hatten ja hierzu im letzten Artikel den Fall eines Mörders besprochen, der nun nach 20 Jahren Veränderung ein Yoga-Studio in Stralsund leitet. Zu der Frage der Persönlichkeitsentwicklung gibt hier natürlich sehr viele Websiten, aber trotz der vielen Informationen Erfolg kommt von einem Gehirn, das leider sehr träge sein will. Veränderung passiert in kleinen Schritten täglich und die sind mit unter sehr schwer zu machen. Wir beginnen daher mal mit einem klassischen Argument: Gemäß Aristoteles muss nun, wer mutig sein will, sich Situationen aussetzen, die Mut erfordern (Nikomachische Ethik). Daraus könne wir analogisch ableiten: Wer besser sein will, muss sich Situationen aussetzen, die Verbesserung erfordern. Und wo können wir diese Verbesserung am ehesten herbeiführen? Auch hier schauen wir in die klassische Erziehungslehre. Nach Platon gehen zunächst der Körper und die musikalische Bildung dem Aufstieg aus der Höhle zur Sonne voran (die Sonne ist die Selbstaktualisierung nach Masslow’s Bedürfnispyramide siehe Artikel dazu hier), 

Ich denke nun auch, dass ein Musikinstrument zu erlernen, ein gutes Modell für die Selbstverbesserung darstellt. Warum? Sobald man geringfügiges Wissen erworben hat, kann man sich in Zirkeln engagieren, die es genau darauf anlegen, am Instrument besser zu werden und man kommt mit Menschen in Kontakt, die vielfältige Interessen haben, wobei es ihnen häufig um positive Charakterentwicklung geht (vor allem im klassischen Bereich). Aber bringen wir noch ein paar andere Daten ins Spiel:

Musik ist ein intellektuelles Gesamt-Work-Out

Bei der Persönlichkeitsentwicklung bedeutet ein Musikinstrument ein komplettes Work-Out für den gesamten intellektuellen Organismus. Die Vielschichtigkeit der Musikpraxis erreicht kein anderes Interesse. Musizieren hat Effekte auf die Gesundheit, wirkt zu Teilen wie ein physisches Training auf den Körper, verbessert die Intelligenz als auch die emotionalen Fähigkeiten. Wer sich also verbessern will, der sollte damit beginnen, ein Instrument zu erlernen und es auch möglichst früh seinen Kindern nahe legen. Natürlich entspricht dies nicht meiner gesamten Konzeption des Lernens, denn Lernen zeichnet sich durch ein komplexes Netzwerk von täglichen Routinen aus. Ich behaupte aber, dass Musik einer der zentralen Punkte unseres Lebens sein sollte. Warum?

Ich selbst spiele seit vielen Jahren Klavier und werde regelmäßig gefragt, ob ich professioneller Pianist sei. Das verneine ich immer mit einem schüchternen Lächeln, aber ungeachtet der sozialen Ehrung und persönlichen Eitelkeit muss ich sagen, dass mich das Musizieren zu einem besseren, vor allem ausgeglicheneren Menschen gemacht hat, und dass es mir womöglich am Meisten im Leben gegeben hat, noch mehr als meine Profession, die Philosophie. Zudem habe ich so viele Freunde durch die Musik kennengelernt wie zum Beispiel meinen besten Freund Kiril Stankow. Nach Maslows Bedürfnispyramide erfüllt Musik alle Punkte und kann uns, wenn wir es denn erlernen, bis zur Selbstaktualisierung bringen. Schauen wir uns aber auch ein paar Studien hierzu an.

Woher wissen wir, was uns intelligenter macht?

Die letzten 20 Jahre bedeuten eine wissenschaftliche Revolution. Da Daten nun mittels des Internets geteilt werden, hat sich ein dichtes Netz von Studien ergeben, wonach nun der Einfluss von Musik auf die Bildung genauer bestimmt werden kann. Auch die Neurowissenschaft hat hierauf starken Einfluss genommen. Bevor sich diese beiden Felder entwickelt hatte, war dieser Einfluss von Musik oftmals nur sehr ungenau bestimmt. Im Folgenden werde ich die wesentlichen Fakten des Einflusses des Musizierens auf unsere Intelligenz darlegen und mit zunehmender Komplexität auflisten. Ich empfehle dabei, soweit zu lesen, wie es sinnvoll erscheint, es ansonsten als gute Basis für Argumente zu nutzen. Zu den Konsequenzen komme ich weiter unten. Reicht also die Geduld nicht aus, um sich durch die detaillierten Ergebnisse zu wühlen, empfehle ich ruhig zum Ende vorspringen.

Kurzfakten:

  1. Musizieren hilft bei feinmotorischer Entwicklung, emotionaler Entwicklung Aufmerksamkeit, Angstmanagement, emotionaler Kontrolle (Studie, Magnetic Resonance (MRI) Study of Normal Brain Development)
  2. Nach einer MIT Studie ist der Cerebral Cortex von Konzertpianisten 30 Prozent größer als der von anderen Menschen, die als intellektuell bezeichnet werden (child.http://www.keynotespianostudio.com/Tallahassee_Piano_Lessons/benefits-of-piano-study/)
  3. 75% aller Manager im Silicon Valley hatten Instrumentalunterricht als Kind (child.http://www.keynotespianostudio.com/Tallahassee_Piano_Lessons/benefits-of-piano-study/)
  4. Lesen bedarf verschiedener Fähigkeiten wie Rhythmus und Zählen, was insgesamt der mathematischen Fähigkeit helfen kann. So zeigen Studien auch , dass Musikschüler häufiger besser in der Schule sind (Quelle: Friedman, B. (1959) An evaluation of the achievement in reading and arithmetic of pupils in elementary schools instrumental classes. Dissertation Abstracts International, 20, pp.s 3662-3663.) http://www.effectivemusicteaching.com/articles/directors/18-benefits-of-playing-a-musical-instrument/
  5. Musizieren verbessert Testscores, (nach Studien der University Texas und Georgia gibt es signifikante Korrelationen zwischen der Anzahl der Jahre, in denen ein Musikinstrument gespielt werde und den akademischen Leistungen in Mathematik (University of Sarasota Study, Jeffrey Lynn Kluball; East Texas State University Study, Daryl Erick Trent) 
  6. Ebenso verbessert Musizieren die Sprachfähigkeiten  (Quelle weiter unten)
  7. Musizieren kehrt Stress auf der molekularen Ebene um. Zitat: „It can reverse stress at the molecular level.“ (Studies conducted by Loma Linda University School of Medicine and Applied Biosystems; Medical Science Monitor) 
  8. Musizieren beeinflusst unsere Hormone positiv.  Zitat: „[…] group keyboard lessons showed significantly higher levels of HgH than the control group people who did not play.“ (University of Miami) Quelle: http://www.laphil.com/sites/default/files/media/pdfs/shared/education/yola/susan-hallam-music-development_research.pdf
 Konkretere Fakten Argumentationen nach: The power of music: its impact on the intellectual, social and personal development of children and young people“ von Susan Hallam, Institute of Education, University of London Executive
Da Klavierspielen eine sehr komplexe Fähigkeit ist, hat es positive Effekte in vielen Bereichen. Wichtig ist festzuhalten: Einige Fähigkeiten werden von unserem Gehirn auch automatisch für andere Bereiche genutzt, andere Bereiche bedürfen Reflexion. Viele Lernprozesse laufen allerdings unbewusst ab und hier ist es wichtig, eine gute Strategie zu haben und nichts erzwingen zu wollen. Aus diesem Grund ist auch ein gutes, kritisches Coaching wichtig.
Im Folgenden finden sich einige Fakten, die ich nach Hallam zusammengetragen habe. Das Dokument ist wirklich sehr dicht und weist viele Studienergebnisse nach. Um das ganze noch detaillierter anzugehen, empfehle ich, dort nachzuschlagen (der Text ist allerdings auf Englisch)
Wir trainieren mit Musik auch unsere Sprache
Nach Hallam teilen Wahrnehmung, Sprache und Lesefertigkeiten sowie Musik viele Prozesse und wirken daher wechselseitig aufeinander ein. Aktives Musiktraining erhöhe daher die Aufnahmebereitschaft im linguistischen Bereich. 8-jährige mit nur 8 Wochen musikalischem Training zeigten hier bereits Verbesserung in der Wahrnehmung mit Kontrollgruppen. Was trainiert werde ist die „phonemische Bewusstheit“.
Ich kann dies aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen, ich bekomme immer wieder Komplimente für meine sehr korrekte Aussprache im Chinesischen, sicher auch ein Resultat meiner musikalischen Ausbildung.
Hallam argumentiert weiter: Ein Instrument zu erlernen, verbessert die Fähigkeit Wörter zu erinnern durch eine Vergrößerung der linken „cranial temporal regions“. Musikalisch trainierte Teilnehmer konnten so 17% mehr verbale Informationen aufnehmen. Auch hier kann ich auf meine persönliche Erfahrung zurückkommen, da mir bereits nach meinen ersten Aufenthalten in Amerika eine sehr gute Englische Sprachfähigkeit bescheinigt wurde und das obwohl ich in der Schule wirklich nicht zu den großen Leuchten gehörte. Ich denke, dass mich vor allem hier die Musik positiv beeinflusst hat.
Musiker sind größer UND intelligenter 
Desweiteren konnte in 15 Studien festgestellt werden, dass es eine starke vertrauenswürdige Verbindung (‘strong and reliable)’ von 2,54 cm Körpergrößenunterschied zu Gunsten der Musiker gäbeNach einer Studie die Theater- mit Musikunterricht verglich, hatten die Schüler der Theatergruppe einen durchschnittlich höheren IQ um 4,3 Punkte, während Kinder der Musikgrupe um 7 Punkte höher abschnitten. Zwei national repräsentative Studien in den USA mit 45.000 Kindern konnten weitere Zusammenhänge verdeutlichen: Höhere Kreativität, besonders wenn das Spielen des Instruments Improvisation enthielt – erhöhter Selbstwert, Durchhaltevermögen, um Frustrationen zu überkommen, und Selbstdisziplin sind nur einige der Ergebnisse. Im Weiteren hat die Teilnahme in Musikgruppen Freundschaften gefördert, soziale Fähigkeiten, soziales Netzwerken, Teamwork, einen Sinn der Dazugehörigkeitund erhöhte Konzentration. Und auch hier muss ich sagen, die meisten meiner Freunde in Pittsburgh kommen aus dem musikalischen Umfeld.
Musizieren wirkt schnell
Der Einfluss von Musik macht sich zudem sehr schnell bemerkbar. 25 Minuten Musiktraining für 7 Wochen ergab bereits höhere Gehirnaktivität bei 4 bis 6 jährigen. Nach Haley (2001) zeige sich, dass Studenten, welche vor dem vierten Schuljahr mit Musizieren begannen, bessere Resultate in Musik aufwiesen; insbesondere die Tasteninstrumente schnitten hier besser ab 
Auswirkungen auf die Schulleistung: Es sind nicht nur die besseren Schüler, die ein Instrument lernen, sondern das Musizieren macht sie besser.
Nach einer Studie von Morrison (1994) von 13.000 Studenten zeigte sich, dass High-School-Students bessere Noten in Matehmatik, Geschichte und anderen Wisssenschaften hatten. Natürlich ist die Frage, die sich den wissenschaftsgeneigteren Lesern aufdrängt, ob der Einfluss nicht durch die Musik, sondern durch die Eltern kommt oder aber, ob bessere Schüle eher dazu tendieren ein Instrument zu lernen. Hierzu wurde eine Studie durchgeführt: Nach Southgate and Roscigno  (2009) ist das Engagement in Musik zwar von den Eltern abhängig, aber auch nachdem der Einfluss der Eltern einbezogen wurde, zeigen sich immer noch die positiven Einflüsse von Musik.
 
Musik ist die höchste Form der Kunst
Musik im Vergleich mit Visual Art führte zu höherer Kreativität. Umso höher die Anzahl der Musikstunden, desto höher war die Kreativität (Hamann et al., 1991). Andere Studien betonen auch den Bezug zum kritischen Denken (NACCCE, 1999). Gerade Improvisation half signifikant beider Entwicklung des Kreativen Denkens. Broh (2002) zeigte ebenso, dass Musikschüler mehr mit ihren Eltern und Lehrern reden. Auch die Eltern sprachen vermehrt mit befreundeten Eltern. Das resultierende höhere Selbstwertgefühl war auch assoziiert mit größerem Erfolg in der Schule. In Studien aus der Schweiz fand man heraus, dass eine Erhöhung des Musikunterrichts keine negativen Effekte in Sprachen oder Lesefertigkeiten hatte, gegeben durch die reduzierte Stundenzahl in den anderen Bereichen.
Zäsur: Es gibt hier derartig viele Resultate und wir überspringen die emotionalen Einflüsse, dazu kommen wir nämlich noch am Ende. Interessant sind aber auch die Effekte auf physische Entwicklung und Gesundheit, sowie das Glücksempfinden.
Mit dem Musizieren verbesserte sich auch das Werfen, Fangen und Springen. vor allem wenn Kinder in Programmen teilnahmen, die Rhythmus enthielten. Bekanntermaßen ergeben sich aus dem Singen viele positive Einflüsse auf die Lungenfunktion, aber auch das Wohlebefinden, Entspannung und soziale Kontakte verbesserten sich (Clift and Hancox, 2001). Clift und Hancox fanden auch positive Ergebnisse für das Immunsystem und das Herz heraus. Clift et al. (2008)
Nach Parr (1985) würde Musizieren auf das Herz wirken wie ein flotter Spaziergang. Die Sterblichkeitsraten in Gesellschaften, die sich stärker auf Musik konzentrieren, sind angeblich sogar geringer. (Bygren, Konlaan & Johnansson, 1996; Konlaan, Bygren and Johansson, 2000; Johansson, Konlaan and Bygren, 2001; Hyyppa and Maki, 2001). Und das Musik der Entspannung hilft, brauchen wir wohl nicht erwähnen. Mir sind auch noch Dokumentationen im ‚Ohr‘, die betonten, dass aktive Musiker seltener zu Alzheimer neigten, oder dass Alzheimer hier besser kompensiert werden konnte. Wen das alles nicht überzeugt, der kann sich das folgende Video anschauen (und dabei gleich ein bisschen English lernen).
Dies sind also die bisherigen Effekte des Musizierens und die Studien (auch wenn mitunter nicht ganz klar) legen nah, dass Eltern, die ihren Kindern, die besten Chancen ermöglichen wollen, auch über die richtige musikalische Ausbildungen nachdenken sollten. Der beste Grund aber, warum wir Musik machen sollen, ist nicht der Leistungsanspruch. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Musik Menschen zusammen bringt, Menschen, die Sinn in einer produktiven Tätigkeit finden. In der Musik kann man Freunde finden, das ist mir in meinem Leben häufig geglückt. Hierbei geht es nicht unbedingt darum, der Beste zu sein und wie oftmals beim Sport darum, sich hervor zu tun, sondern sich mit anderen gemeinsam an einem großen Werk zu versuchen. In diesem Sinne verspricht Musik einen idealen Beginn in der Persönlichkeitsentwicklung. Aber auch dies sind nur extrinsische Gründe, der einzige Grund, den ich anmerken kann: Es macht mir Spaß am Klavier zu sitzen und zu üben, zu sehen, wie ich mich verbessere und von Zeit zu Zeit, Musik, die ich selbst produziere zu genießen. Es macht mir auch Spaß, dieses weiterzugeben. In Pittsburgh habe ich einen Hochzeitsmarsch komponiert, der nun auf immer mehr Hochzeiten gespielt wird. Das ist schön und letztes Wochenende habe ich auf einer Talentshow gespielt, wonach mich viele Leute danach auf das Stück angesprochen haben und sehr begeistert waren. Und es geht noch sentimentaler: Eine meiner Freundinnen weint gerne, wenn sie Klaviermusik hört :)
Und wie geht es jetzt weiter? Es beginnt wohl damit, ein Musikinstrument zu kaufen, einen engagierten, guten Musiklehrer zu finden und auch seine Kinder zum Musikunterricht anzumelden. Klavier ist übrigens meine Empfehlung, weil es in allen Musikbereichen integrierbar ist, Flexibilität ermöglicht und vor allem auch immer eine Tür zum klassischen Bereich aufhält (es ist allerdings kein Muss). Gitarren sind transportabler, aber neuste Stage-Pianos sind auch leicht woanders unterzubringen und haben noch sehr hohe Qualität. Natürlich sind Klaviere teuer, hier in Pittsburgh habe ich mir jetzt gerade erst ein Yamaha P-45 gekauft, nachdem unser Klavier abgeklappt ist (spart auch die 200 Dollar stimmen jährlich und an Flügeln kann ich an der Uni üben).

Das ist E-Piano sehr günstig, hat ein paar Limitierungen im künstlerischen Ausdruck, aber das Preisleistungsverhältnis ist unschlagbar. Für Anfänger kann es meines Erachtens keine andere Empfehlung geben, denn nach 3 Jahren ist das Geld schon wieder drin, weil man es nicht für das Stimmen eines Klavieres ausgegeben hat. Ich setze mich mal hin und werde einen Artikel über E-Pianos schreiben, denn auch unter Profis sind diese noch sehr unterschätzt.

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Frohe Weihnachten, Norman Schultz, Pittsburgh, Dezember 2015

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Verändere dich – Wie am Besten?

In diesem Artikel geht es um einige Aspekte der Selbstveränderung. Ich folge hierbei keiner genauen Struktur, wer allerdings mitliest, kann einige neue Aspekte zur Persönlichkeitsentwicklung finden, die meines Erachtens so noch nicht anderer Stelle diskutiert werden. Am Ende komme ich auf mein Ziel, Klavier zu lernen, zu sprechen.
Als Dieter Gurkasch, selbst Gewaltverbrecher, auf der Intensivstation erwachte, empfand er nichts mehr von all dem Zorn, all der Wut, all der Verlassenheit. Nach einer Schießerei mit der Polizei und einer gefährlichen Schussverletzung im Rücken, an der Grenze zum Tod hatte sich etwas in dem brutalen Gewaltverbrecher geändert (Quelle).12 weitere Jahre Gefängnis für einen Raubüberfall und dies nach einer bereits verbüßten Gefängnisstrafe von 11 Jahren wegen eines Raubs mit Todesfolge des Opfers sollten ihn schließlich ganz verändern. 12 Jahre Zeit nun auch wirklich ein anderer zu werden (titelbild: By Felix Burton (Flickr) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons).
„Wir selbst sind zu einem wesentlichen Bestandteil Veränderung“ (Alfred Eisleben)

Wie entwickeln wir uns? Können wir uns bis ins hohe Alter verändern, lernen? Die allgemeine Auffassung verliert sich hier in der Ratgeberliteratur, den endlosen Botschaften von der Kraft des Willens. Die Gegenwart hat sich in einen Selbstentwicklungsoptimismus hineingesteigert, wobei das glückliche Leben im endgültigen Sieg über eine minderwertige Hunderasse erreicht werden soll. Der Kampf mit dem Schweinehund, mit der dunklen Seite der Macht in uns, ist unsere Seele geworden. Nachdem wir das Moralgebot dieses Kampfes internalisiert haben und unsere Aggressionen in uns einsickern lassen haben, müssen wir alles Potenzial gegen den Gegner als Selbst richten. In uns sind wir dem Feind ganz nah, dem Schweinhund, dem schlechteren Selbst. Was in archaischen Gesellschaften die Unterdrückung durch den König war, ist in modernen Gesellschaften die Selbstunterdrückung durch Produktivität geworden.

„Veränderung ist Aufstieg von den niederen Bedürfnissen zum höheren Geist“ (Alfred Eisleben)

Was also bedeutet Entwicklung die dieser Leistungsdynamik entkommt? Entgegengesetzt der gängigen Meinung entwickeln sich Menschen nicht nur in ihrer Kindheit. Wir können uns bis zum Alter von 50 verändern, danach bleibe unsere Persönlichkeit allerdings stabil. Veränderung selbst – jedoch nicht notwendig nach moralischen Geboten – ist unser Weg. Ein Weg, der aufwärts und abwärts führen kann.

Bei Veränderung kommt es nun darauf an, die Maslow’sche Bedürfnispyramide wirklich zu verstehen, denn wir sollten bei aller Veränderung die Maslow’sche Bedürfnispyramide aufwärts steigen.

MaslowsHierarchyOfNeeds

Erfüllung aller Sehnsüchte liegt in der Selbstaktualisierung, eine letzte Stufe die bereits Platos Aufstieg aus der Höhle zur Sonne symbolisierte. Wichtig aber ist, dass wir, bevor wir diese Selbstaktualisierung erreichen, nämlich ein Gut, dass unbegrenzt zur Verfügung stehen kann und deswegen erfüllt, dass wir hiervor die Fallen der Selbstentwicklung verstehen: Wer einen Baustein erreicht, ist unglücklich und will zum nächsten. In diesem Sinne sollten wir uns hüten, etwas für das Ziel unseres Glückes zu erklären, ohne es vorher bereits zu kennen. Haben wir unsere materiellen Bedürfnisse befriedigt, werden wir sogleich in das nächste Bedürfnis nach Materiellem getrieben. Wer sein gesamtes Leben daher darauf ausrichtet, eine bestimmte materielle Grundlage zu erreichen, wird sodann finden, dass sich danach die Sinnfrage um so drängender stellt. Wer Liebe zum Beispiel im Partner zu finden hofft, wird mit dem Partner an seiner Seite unzufrieden sein, wenn er nicht vorher glücklich war.

Studien zeigen, dass Lotteriegewinner nach anfänglicher Euphorie nicht glücklicher sind als andere (wobei die Studien viele Schlüsse zulassen, warum das der Fall ist). Das Level des Glücks fällt bald wieder auf das Ursprungsniveau zurück. Ganz im Gegensatz geht es bei der Bedürfnispyramide daher darum, die beständige Chance, Dinge zu ändern zu erkennen und hierin die eigentliche Aufgabe zu entdecken. Hierin in der Selbstveränderung liegt der höchste Punkt unserer Bedürfnisse, nämlich ganz wir selbst zu sein, allerdings nicht eine starre Identität, sondern ein Ich zu sein, das in den Bewusstseinsstrom niemals zweimal steigt, sondern als diese Veränderung des Wassers selbst Wasser ist. Was ich meine? Ich kann es nur noch kryptischer ausdrücken:

Seele bleibt ein Wasserwort

Und es ist jene Selbstaktualisierung, die die Seele in ihrem Wesen antreibt, eine Bewegung von ihrem Sein durch ihre Distanzierung als Seiendes zurück zu ihrem Sein (das ist Hegelianismus).

Zurück zu dem Mörder Gurkasch: Heute leitet der verurteilte Mörder Gurkasch ein Yogastudio in Stralsund. Doch er hatte einen langen Weg der Veränderung hinter sich. Er durchschritt viele Erfahrungen, um zu erkennen, was höheres Glück bedeutet. Doch dieser Weg war lang und beschwerlich. Hierzu sagt Gerhard Roth:

„In der menschlichen Entwicklung gibt es alles, nur eines nicht: Dass ich mir vornehme, mich zu bessern, und von Stund an ein besserer Mensch bin. Wenn ich mich wirklich bleibend ändern will, müssen vor allem die tieferen Schichten verändert werden.“ (Selbe Quelle)

Das heißt, wer Raucher ist, bleibt aller Wahrscheinlichkeit nach Raucher. Das Selbst verändert sich nur langsam und nur durch täglich kleine Routinen können wir ein anderer werden (hier in einem Blogbeitrag nach Prof. Fogg beschrieben). Nach Prof. Foggs Theorie verändern uns  Kleinigkeiten über die Jahre hinweg und lassen uns wachsen. Daher muss die Veränderung nicht über große Ziele erschlossen werden, sondern über Planung und kleine Schritte. Jeder, der ein Instrument spielt, weiß, dass Lernen zumeist nicht aus Erleuchtungsschritten und Aha-Erlebnissen besteht, sondern auch Konsequenz in der täglichen, kleinen Selbstveränderung bedarf.

„Das Gehirn ist kein träger Stein, der mit Sicherheit auf sein Ziel zusteuert. Wir leben mit diesem Gehirn in unserem Kopf und können es verändern.“ (Avid Graf)

Es gibt allerdings auch noch eine andere Seite. Wir müssen auch bedenken, wenn Roth von der Trägheit unseres Gehirnes ausgeht, so macht er dies aufgrund von Schlüssen, die empirischen Quellmaterial entspringen. Sein Schluss ist induktiv. Das heißt, entgegen Roths Auffassung mag es dennoch individuelle Situation geben, die einen vollständigen Richtungswechsel ermöglichen und die er aufgrund der überwältigenden Anzahl von normalen Studienobjekten nicht sehen kann.Steve Pavlina, einer der erfolgreichsten Personal-Development-Autoren, wäre ein solches Beispiel. Nach einer Nacht im Gefängnis gab er sich das Versprechen, sein Leben zu ändern und machte sogleich zwei Abschlüsse innerhalb eines Jahres und leitete nebenbei ein erfolgreiches Computerbusiness.

Sicher bleibt das Gehirn dasselbe, wie Roth eben vermutet, aber der Hebel zur Veränderung legt sich manchmal spontan um und dann werden wir durch tägliche Routinen ein anderer. Der zweite Ansatz besteht daher in der Konfrontationstherapie und geht daher über die Schlüsse von Fogg und Roth hinaus.

Der Psychologe Birbaumer Quelle kann von vielen solcher Fälle berichten: Ein Mann hatte mehrere schwere Autounfälle, doch nach 30 irrsinnigen Fahrten mit dem Psychologen lernte dieser Mann, dass ihm nichts passiert. Er war partiell geheilt.

Aus Birbaumers Geschichten könnte man Filme drehen. So nahm er, „wenn nötig“, einen Patienten auch mal mit auf Reisen, schlief mit ihm in einem Bett und kettete ihn mit Handschellen an sich, damit dieser nicht, von seinen Ängsten getrieben, abhaute. (Quelle)

Schoktherapien sind Aha-Erlebnisse, die ein ganzes Gehirn schnell restrukturieren können, andere Wege aufzeigen. In diesem Sinne ist es immer günstig, andere Ansätze zu suchen, nicht alles ist stupides Wiederholen. Deswegen muss ein holistischer Ansatz auf beides, Wiederholung und Kreativität zielen. Eine Gesamtstrategie allerdings kostet viel Geduld und Unterstützung.

Wer den falschen Freundeskreis hat, sich mit Couch-potatos umgibt, die ausbremsen, wird nicht weit kommen (eine Studie zeigt, dass die Veränderung des Lebensstils des Partners auch in uns etwas bewirken kann, andere Studien zeigen aber, dass eher der Partner mit den negativen Eigenschaften auf das Verhalten des Anderen einwirkt). Es ist schwer, dem falschen Partner in negativen Eigenschaften zu widerstehen. In diesem Sinne gehören zu Persönlichkeitsveränderung viele Faktoren und womöglich ist ein Coach wie im Sport unabdingbar (hier ein anderer Artikel von mir dazu).

Das Klavier ist die Nummer 1 unter den Veränderungsdevices

Bei meinem Coaching-Ansatz möchte ich gerne extrinsische Motivationen ausklammern. Hierzu gehören auch negative Anreize wie Strafen, da häufig nach dem Wegfall der Restriktionen, das Verhalten, schlechter ausfällt als zuvor. Langfristig möchte ich allein intrinsische Motivationen entwickeln. Ich will mich daher vorrangig auf den Abbau von Hemmnissen konzentrieren. Hemmnisse sind Dinge, die mich von einem guten Lebensstil abhalten, zum Beispiel, wenn mein Zimmer ungeordnet ist und ich viel Zeit vergeude, mit dem Arbeiten zu beginnen. Hier ist es natürlich auch eine Frage wie organisiert, der Alltag bereits ist. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, zu analysieren, welche intrinsischen Motivationen bereits bestehen und diese zu verstärken. Was macht mir wirklich Spaß?

Selbstveränderung muss schrittweise in intrinsische Veränderung überführt werden, nur so werden wir einerseits langfristig glücklich werden, denn Veränderung ist etwas, was als Ziel selbst immer unabhängig von äußeren Umständen möglich ist und andererseits werden wir nur so Veränderung erreichen. Veränderung wird nicht unmittelbar erreicht, sondern besteht aus vielen Schritten der Vermittlung am Materiellen. Wir müssen die Bedürfnispyramide durchsteigen und so auch erfahren, dass zum wirklichen Glück auch wirklicher Verlust gehört. Wer riskiert, kann daher langfristig nur gewinnen. Das allerdings am Rande. Hier geht es mir darum, mein Klavier zu nutzen, denn wer sich in einer Eigenschaft verbessert, so behauptet ebenfalls Prof. Fogg, der verbessert sich gleichzeitig auch in anderen Bereichen.

Ich habe Jahre lang Klavier gespielt und werde immer wieder von Menschen in Pittsburgh gefragt, ob ich professioneller Pianist bin. Ich habe in meinen Kursen auch hin und wieder Musikstudenten, die natürlich bei Weitem besser sind, aber ich interagiere mit ihnen häufig. Für mein persönliches Projekt habe ich mich einer Pianogruppe in Pittsburgh von Professoren im Ruhestand angeschlossen und werde langfristig viele Klavierstücke meinem Repertoire hinzufügen. Klavierspielen bedeutet langsame Veränderung des Gehirns. Und das ist es worauf ich mich konzentrieren muss.

Klavierspielen lehrt uns, dass Veränderung nur in der täglichen Routine erfolgt.

 Beim Klavierlernen geht es mir nun vor allem darum klassische Stücke zu erlernen, die das Klavier in den Mittelpunkt stellen. Ich spiele im Moment zusammen mit Haruka und Christa das Doppelviolinconcerto von Bach, was wirklich viel Spaß macht. Vom Popkulturellen nehme ich im Gegensatz mehr und mehr Abstand. Zumeist kann ich es ohnehin vom Blatt spielen und es sind keine besonderen, musikalischen Linien zu erkennen. Ich weiß, das wirkt herablassend, aber wer wirklich in die klassische Musik irgendwann einsteigt, erkennt, wie die klassische Musik um Sprache und Ausdruck ringt und im Vergleich zur Pop-Musik in tiefere Tiefen eintaucht. 

Nun, ich sage nicht, dass Pop-Musik immer schlecht sein muss. Auf unseren Parties hier in Pittsburgh ist das immer noch ein wichtiges Element und wir haben viel Freude dabei, aber es geht dabei um den Effekt, in einer vielleicht zu oberflächlichen Kultur? Um einen niederen Teil der Bedürfnispyramide? Kürzlich haben wir auf einer Halloweenparty eine „Komposition“ über das Hippiedasein performt, da ich selbst als Hippie „Moon“ verkleidet war. Der Song hieß „Oceans of Emotions“. Das war so erfolgreich und offenbar witzig, dass mich Severin, der Co-Founder von Duolingo, glatt für die Weihnachtsfeier von Duolingo buchen wollte. Ich hielt das natürlich für einen Witz, aber er fragte mich drei Tage später nochmals. Das macht mich natürlich ein bisschen stolz. Was will ich aber sagen: Pop-Musik macht Spaß, so wie Hot Dogs schmecken und ich niemanden dafür direkt verurteile, aber mentale Gesundheit bekommen wir woanders her genauso wie physische Gesundheit langfristiger glücklicher macht.

Tatsache für mich ist, dass es bei Pop-Musik nicht die enormen Entwicklungsschübe gibt, wie bei klassischer Musik. Immer nach den Phasen, in denen ich klassische Musik lernte, konnte ich mit Pop-Musik noch besser umgehen. Ich halte Pop-Musik für eine Unterforderung unseres Gehirns, es kommt allerdings darauf an, sich zu überfordern. Nun ich werde mich künftig mehr mit dem Klavierspiel auseinandersetzen und ein E-Piano für unser Haus besorgen.

Lumosity und Braintrainer helfen nicht

Es sei noch eine Sache angemerkt, warum ich mich auf Klavierspielen fokussiere. In einem Statement von 70 renommierten Neuroforschern heißt es, dass all die angebotenen Braingames nicht die magische Kugel sind, um seine kognitiven Fähigkeiten zu verbessern (Quelle). Nach einer relativ aggressiven Marketingcampagne hatten diese eine wesentliche Verbesserung der Gehirnleistung und so zum Beispiel Schutz vor Alzheimer versprochen. Es kommt allerdings nicht auf einen Schritt an, sondern darauf, viele Veränderungen langfristig ins Visier zu nehmen. Es ist wie bei der Ernährung, es kommt nicht auf eine neu-entdeckte Pflanze an, sondern auf die Gesamtheit der Ernährung. Stattdessen heißt es daher in der Forschung, dass das Erlernen einer neuen Fähigkeit, die Intelligenz am ehesten befördert. Ich behaupte, dass das Klavier oder ein anderes klassisches Instrument hierzu die beste Möglichkeit bietet, uns vor Alzheimer im Alter bewahrt, Kinder schlauer werden lässt und mehr. Zu den Belegen aber in einem der folgenden Artikel mehr. Hier geht es zunächst nur um die Selbstentwicklung.

Wenn ihr keine weiteren Beiträge verpassen wollt und mir weiter folgen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler schlüpfen (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an). Ihr könnt mich auch bei Google+ adden, oder der Facebookgruppe oben rechts beitreten. Ein RSS-Feed für die progressiven Internetnutzer ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.

Norman Schultz

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Zum Lernen in der Freizeit, warum Schulen strenger sein sollten und wie dramatisch Eltern unsere Chancen beeinflussen – 3. Teil meiner Gespräche mit Emil Darrenhofer

Norman Schultz: Herr Darrenhofer und ich haben in den vorangegangenen Abschnitten vor allem über die Einbettung des Lernens in das Soziale gesprochen. Was viele Menschen dabei nicht sehen, ist, dass Lernen nicht von Tricks und Tipps handelt, sondern von einer umfassenden Strategie, die sozial eingeübt werden muss. Bevor wir dies jedoch weiter vertiefen, lassen sie mich zuvor fragen, inwiefern unbedarfte Lerntipps in Form von Techniken auch Störungen einhandeln können. Sie hatten dies ja bereits in Bezug auf Schnelllesen erwähnt.

Emil Darrenhofer: Das stimmt: Nicht nur, dass Ihnen nutzlose Techniken Zeit nehmen, ja, sie können sich auch ernsthafte Störungen einhandeln. Beim Lesen heißt es beispielsweise fälschlicherweise, dass eine generelle Beschleunigung gut wäre, denn so können sie vielmehr Lesestoff schaffen. Speed-Reading-Kurse sollen Ihnen dann beibringen, wie Sie die innere Subvokalisation unterdrücken. Was am Anfang zu funktionieren scheint, wird Ihnen aber letztlich ernsthafte Lesestörungen einhandeln.Ich jedoch argumentiere, dass sich das traditionelle Lesen automatisch vom Viellesen beschleunigt und man ansonsten die Finger davon lassen sollte.

Norman Schultz: Da kann ich zustimmen, nach einem äußerst intensiven Kontakt mit den Michelmanns auf diesem Gebiet (womöglich Deutschlands und weltweit einzigen Experten zur wirklichen Lesebeschleunigung und zum Hochgeschwindigkeitslesen) muss ich zu dem Schluss kommen, dass die angebotenen Kurse Produkte sind, die keinen Sinn ergeben. Bei der klassischen Lesemechanik braucht das Gehirn die Vertonung, damit die Augen dem Text geordnet folgen können, denn Augen sind ja biologisch auf beständiges Umherspringen programmiert. Wir scannen keine Horizonte in stupiden Linien als fahren wir über einen Text, sondern wir ordnen Bilder im Hinblick auf ein inneres Bild.

Das innere Vertonen der Worte beim Lesen im Gegensatz aber erlaubt konzentriertes Blicken. Weil ich innerlich einer Tonschleife folge, folgen meine Augen. Nun allerdings folgt der Fehler: Die meisten Beschleuniger gefährden die eingespielte Mechanik zwischen Vertonung und Augenkoordination. Wenn wir beim Beschleunigen des klassischen Lesen, die Tonmechanik zerstören, können wir nicht mehr lesen. Beim wirklichen Schnelllesen kommt es daher darauf an, sehr früh in unglaublich hohe Lesegeschwindigkeiten zu springen, damit das optische Lesen sofort aktiviert wird und die tonale Lesefähigkeit erhalten bleibt.

Emil Darrenhofer: Ich komme zu dem selben Schluss. Ich halte daher die Angebote der gesamten Speed-Reader für nicht seriös, denn sie zielen nur auf kurzfristige Ergebnisse, die sie langfristig nicht erhalten können. Kurzfristig schaffen Sie es vielleicht Texte mit 1000 Wörtern pro Minute zu entschlüsseln, langfristig machen Sie sich die eingespielte Mechanik, die sie seit ihrer Kindheit als Kulturtechnik erworben haben, kaputt. Es ist wie beim Sport, wer zuviel will, zerstört sich die Gelenke.

Norman Schultz: Haben Sie vielleicht noch andere Beispiele für unangebrachte Techniken.

Emil Darrendorfer: Nicht direkt, aber ich kann mir mit weiteren Analogien behelfen, auch wenn das nicht wirklich seriös ist. Wenn ich beim Sport gleich einen Marathon laufen will, so geht vieles schief. Nicht nur, dass ich meine Gelenke überstrapaziere, die Wahrscheinlichkeit, dass ich von mir selbst enttäuscht auf das Sofa zurückfalle, ist sehr hoch. Es kommt beim Lernen wie beim Sport auf die langfristige Integration von Lernstrategien an. Ohne die soziale Kontrolle kann dies nicht funktionieren. Deswegen hat B.J. Fogg auch seine Lernstrategien entwickelt, die auf Tiny Habits, also Mikrogewohnheiten zielen.

Norman Schultz: Da stellt sich natürlich die Frage, warum Menschen Lernen nicht positiv in den Alltag integrieren können.

Darrenhofer: Die meisten Menschen erwarten eine Art Nürnberger Trichter, so dass das Wissen in sie wie Zuckerwasser hineinfließt. Viele suchen nach Geheimtechniken und einmal gefunden würde das Genie aus ihnen wie ein Vulkan hervorbrechen. Das sind deplorable Visionen von einem Schlaraffenland des Wissens, wo einem die Erkenntnis wie ein Brathähnchen in den Mund fliegt. Diese geheime Studiertechnik gibt es natürlich nicht und alle die diese Versprechen machen, sollten Sie nicht Ernst nehmen.

Dabei ist es ganz einfach, wenn sie über das Gehirn nachdenken, sollte klar sein, dass es nicht absolut in Erleuchtungsschritten lernt, sondern dass Veränderung des Gehirns, das heißt Lernen, ein geplanter Prozess ist, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann.

Norman Schultz: Passend dazu, muss ich hier einfach dieses Video hier über die Geheimtechniken des Zeitmanagements posten:

Norman Schultz: Nach diesem eindrücklichen Verkaufsvideo fragen wir also mehr, was es bedeutet, eine Fähigkeit zu erlernen, denn dass es diese Wundertechnik des Lernens nicht gibt, hängt wohl auch damit zusammen, was es bedeutet, überhaupt eine Fähigkeit zu erlernen.

Emil Darrenhofer: Das ist sehr richtig, die meisten Fähigkeiten und Fertigkeiten bedürfen eines langen Weges, wobei unklar ist, welche Abzweigungen wir dabei nehmen müssen. Wir glauben zumeist, dass das Genie seine Leistungen aus einem direkten Zugang zum Fantastischen schöpft, aber selbst bei Mozart war erst das Spätwerk für seinen Ruhm entscheidend. Das heißt, lange eingespielte Intuitionen ebnetem ihm den Weg zum Genialen. Ähnliches sehen wir bei den meisten, großen Genies. Diese hatten immer lange Arbeitswege hinter sich, bevor sie dann zum Erfolg durchstießen. Daher sollten wir uns nicht nach den Lerntechniken fragen, sondern fragen, was es heißt, komplexe Fähigkeiten zu erlernen.

Norman Schultz: Diesen Glauben an das Geniale können wir wohl auch unter dem „Myth of Great Man“ verbuchen.

Darrenhofer: Der Punkt ist, dass unsere Wahrnehmung sich auf Erfolge fokussiert. Wir glauben daher, dass die Geschichte von wenigen, großen Männern gelenkt wurde (Die Argumentation ist aus den Podcasts von You are not so smart übernommen). Wie vielleicht Steve Jobs für einen Moment in ein Hinterzimmer geht und das I-Phone erfindet, so erlernen Wunderkinder natürlich Klavier. Menschen, die dies glauben, glauben auch, dass jedes Ereignis in der Welt von dunklen Strippenzieher kontrolliert wird. Tatsächlich aber ist die Welt anders und wir lernen auch anders: Struktur, Systematizität und soziale Stabilität sind dabei Schlüsselwörter, wobei ich natürlich vorsichtig sein muss, dass ich dabei keine weiteren Plattitüden in den Diskurs einführe.  

Norman Schultz: Lassen sie es mich daher nochmals am Beispiel des Schachs erörtern, um das ganze konkreter zu gestalten. Es ist meines Erachtens leicht in die höheren Perzentile in einem Expertengebiet vorzustoßen, allerdings wird es immer schwerer, sich in den Expertenbereichen ab dem 95ten Perzentil zu profilieren. Die meisten Disziplinen haben eine solche klare Unterteilung in Experten und Amateure nicht. Im Schach aber ist dies möglich. Nun können wir dort beobachten, dass das Anfängerwissen leicht kategorisierbar ist, das heißt, wir können klare Prämissen auf den Weg geben, zum Beispiel: Berühre eine Figur nicht zweimal in der Eröffnung, Rochiere früh, besetze das Zentrum usw. Höheres Wissen allerdings wird dabei immer abstrakter. Während der Anfänger die Verbesserung noch sehr deutlich in wenigen Sitzungen spürt, weiß der Experte am Ende nicht mehr, ob er etwas gelernt hat, wenn er lernt. Das heißt, nur für Anfänger ist Wissen in einfacher Form formulierbar. Je weiter aber das Wissen, desto schwieriger können wir es formulieren. Das heißt, wir sollten uns auch nicht unbedingt von Theorien verwirren lassen, die Einfachheit preisen. Lernen ist ein Prozess, der täglich erfolgt und ich möchte behaupten, dass wirkliches Lernen dann stattfindet, wenn wir für schwierige Probleme Lösungen entwickeln. Schüler und Eltern, die dabei Infotainment verlangen, haben den eigentlichen Lernweg nicht verstanden.

Emil Darrenhofer: Ja, da stimme ich zu, wobei wir natürlich die Komponente des Sozialen als Horizont für die Problemdefinition noch einarbeiten müssen.

Norman Schultz: Natürlich, das machen wir gleich noch. Es ist einfach zuviel, was hier gesagt werden muss, was sicher auch damit zu tun hat, dass Nähe zu einer guten Theorie oftmals hohe Grade an Abstraktheit aufweist. Soziale Klärung ist dann das Ziel. 

Emil Darrenhofer: Ich muss natürlich eingestehen, dass eine Reduktion von Komplexität auch etwas mit Lernen zu tun hat, aber das ist wieder ein weiterer Teilbereich.

Norman Schultz: Brechen wir es daher nochmal auf eine einfache Frage herunter: Was aber machen Studenten anders, die im Studium schlichtweg erfolgreicher sind?

Emil Darrenhofer: Hier zeigt sich vor allem, dass Organisation ein Weg zum Erfolg ist. Ein erfolgreiches Studium ist zum Beispiel stark von der Selbstorganisation abhängig. Wir aber erreichen wir diese gute Organisation? Meines Erachtens geht dies auf ein entsprechendes Coaching zurück. Lernen stattdessen auf simple Lerntechniken herunter zu brechen ist der Kardinalfehler.

Norman Schultz: Was meinen Sie mit Selbstorganisation und Coaching?

Emil Darrenhofer: Nun dies bedeutet eben nicht, eine wundersame Lerntechnik zu entdecken, sondern überhaupt erstmal das Leben zu ordnen, das heißt, eine gewissen Kontinuität in die Lern-Algorithmen zu bringen und über lange Strecken hinweg systematisch zu erkennen, welche Vorgehensweisen Erträge bringen. Für denjenigen, der diese Straße allein gehen muss, ist es ein beschwerlicher Weg. Die meisten nehmen dabei schnell die Prokrastinationsabzweigungen, denn komplexe Lernstrategien erwerben wir nicht im Nebenbei, sondern sie sind Resultate eines sozialen Prozesses. Da das direkte Gefühl des Erfolgs erstmal ausbleibt, können wir Lernen zumeist nur durch intensive Beratung erlernen. Wir bekommen es von unseren Eltern, die selbst Lerner sind, oder aber durch Freunde, die ähnliche Interessen verfolgen. 

Norman Schultz: Sie meinen also, und wir haben es ja schon häufig angedeutet, dass es auf das soziale Umfeld ankommt.

Emil Darrenhofer: Natürlich ist dies entscheidend, hier wirken die Vorbilder nicht medial, so dass sich der viel gescholtene Productivity-Porn ergibt, sondern in Verflechtung mit dem eigenen Leben spiegeln im Sozialen. Der Freund, der uns auch in unseren Fehlern nah bleibt, kann unsere Fehler sehr gut korrigieren. Strategien von Freunden werden viel eher intuitiv imitiert, wobei Freunde uns zugleich auch reflektieren. Hier findet eine unglaubliche soziale Multiplikation von Lern-Energien statt. Dabei kommt es natürlich darauf an, dass diese Freunde nicht zum Heer der Berufstudierenden zählen. Ich meine die Studenten, denen nur ein Studientitel zählt und dabei in ihrer Freizeit wenig Interesse an Persönlichkeitsentwicklung haben. Ich gehöre zu der Fraktion der Abstinenzler, die bezweifeln dass sich unter den Bierschäumen, unten am Bierglas Erkenntnis verbirgt. In so ein soziales Umfeld hinein zu geraten ist nicht viel wert.

Norman Schultz: Aus der Sozialforschung wissen wir hierbei sehr genau, dass Kinder aus der Oberschicht größere Chancen auf außerordentliche Studienwege haben als Studierende aus der Unterschicht (Im Allgmeinen wird dies unter Sekundäreffekten diskutiert, das heißt, die Schulwahl hängt bereits von der Schichtzugehörigkeit ab. Bei den Primäreffekten tritt die so genannte kulturelle Ausstattung in den Vordergrund). Der soziale Klassenbegriff ist natürlich unscharf und problematisch hier. Aber hinter der Geburt in ein kontingentes Leben verbirgt sich, wie so oft, unsere Schicksalsschlagader, eine natürliche Ungerechtigkeit.

Lehren wird bei den eigenen Kindern schnell zum Belehren - Vorleben ist wohl besser

Emil Darrenhofer: Nun, eine Ungerechtigkeit würde dann bestehen, wenn Unterschichtler aufgrund ihrer Schichtzugehörtigkeit keine Chance bekämen, in die Oberschicht aufzusteigen. Das mag auch in vielen Fällen der Fall sein. Ich glaube aber, dass zumeist Unterschichtler ähnliche Chancen haben, ihnen fehlt nur das Wissen, diese Chancen zu nutzen und den entsprechenden Lebensweg einzuschlagen.

Norman Schultz: Ich möchte das eigentlich bezweifeln. Können Sie dies näher erläutern.

Emil Darrenhofer: Natürlich, wenn Eltern ihren Kindern, die Realschule empfehlen oder Studenten lächerlich machen, weil die abgehoben reden und somit die wirklichen Wirklichkeiten verkennen, dann fehlt ihnen hier schon die Einsicht, was den Ausstieg aus den unteren Klassen ermöglicht. Mein Mitbewohner, Koch, wollte niemals, dass weitere Studenten bei uns einziehen. Mit hochgezogene Augenbrauen erklärte er mir dann irgendwann: „Meene Schwesta will studier’n.“ und ergänzte es mit seiner Lebensweisheit: „Ick hab ihr jesacht, se soll inne Jastronomie arbeeten, da find se imma Arbeet.“

Es ist natürlich unfair, das hier so zu herablassend zu formulieren, aber mit zunehmender Qualifikation ist den Menschen unklar, was in den Bildungsbereichen eigentlich noch gearbeitet wird. Natürlich kann auch ein Realschüler aus einer „Unterschicht“ einen ordentlichen Lebensweg bestreiten, aber mit den zunehmend differenzierteren Bildungsschichten ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer und er wird in der Gastronomie beispielsweise einen minderqualifizierten, womöglich stark fordernden Job erledigen müssen, der weniger Möglichkeiten zur Entwicklung bietet. Es ist nun so, dass Eltern aus der Oberschicht schon viel früher über die passenden Studienmöglichkeiten der Kinder beraten, während bei anderen noch die Frage besteht, ob das Kind überhaupt aufs Gymnasium soll oder lieber gleich Geld verdienen soll, damit es nicht mehr auf der Tasche liegt.

Norman Schultz: Ich habe das selbst erlebt, als bei mir die Frage noch aus stand, ob ich überhaupt studieren will, war es bei einer befreundeten Familie, wobei ein Elternteil sehr anerkannter Professor war, bereits Thema, auf welche Stipendien sich die Kinder bewerben. Das war zwei Jahre vor dem Abitur und sie haben lässig am Abendbrotstisch darüber reflektiert. Das heißt richtiges Lernen hängt vom sozialen Umfeld ab?

Emil Darrenhofer: Ich gehe davon aus. Eltern, die selbst Akademiker sind, geben ihren Kindern nicht nur hier und dort einen Hinweis, wie die Ratschläge, die wir bereits diskutiert haben, sondern einen ganzen Lebensweg mit. Diese Lebenswege lassen sich nicht in ein paar Lerntipps verpacken.

Norman Schultz: Damit sprechen Sie wieder unser Hauptproblem an: Ratschläge, wie wir richtig studieren.

Emil Darrenhofer: Natürlich und diese müssen von der reinen Reduktion her auch nicht falsch sein. Allerdings kann eine langfristige Umschulung auf ein angemessenes Lernverhalten nur durch gezieltes Coaching erfolgen. Erst dann ist es wichtig, ob wir Karteikarten benutzen oder eine andere Lerntechnik benutzen. Die Informationen, die dabei auf den meisten Seiten zu finden sind, sind daher unterkomplex. Ich möchte hierbei drei Fehler verdeutlichen:

Erstens, finden wir Informationen, die zumeist auf Erfahrungswissen basieren, das heißt im Grunde nichts anderes, als dass da jemand ist, der sich mal ausdenkt, was wir so machen sollen, weil es bei ihm ja irgendwie funktioniert hat. Derjenige schreibt dann Texte, wie ein blindes Huhn, das auch mal einen Korn trinkt.

Norman Schultz: Ein Kalauer!

Emil Darenhoffer: Stimmt. Aber nochmal: Diese Tipps helfen wenig, zielen aber eher auf das subjektive, eben beinah trunkene Gefühl, etwas richtig zu machen. Sie verwechseln Glückstreffer mit Wissen. Bei diesen Methoden muss ich anmerken, dass ohne Bezug zu Studien dies keine geeigneten Methoden sind. Das ist so als wenn sie Medikamente nehmen, die nicht in Doppel-blind-Versuchen bestätigt wurden.

Zweitens, gibt es dann zwar auch Blogs oder Lernratgeber, die Studien einbeziehen, aber selten wird dabei systematisch gewichtet. Studien werden, wenn überhaupt, herangezogen, um eine simple Lerntheorie zu fundieren, die Lernstrategie wird aber weder diskutiert, noch überhaupt für den Leser deutlich gemacht.

Drittens, sind die Tipps, wenn sie denn mal richtig sind, zu unklar, um effizient in den Alltag eingebaut zu werden. Wir brauchen einen sozialen Rahmen, eine Gesellschaft, die alle diese drei Bereiche berücksichtigt. 

Norman Schultz: Das ist natürlich auch Thema meiner Doktorarbeit, nämlich wie sich Wissen, einerseits in Bezug auf Wahrheit verhält, wie es systematisiert werden muss und wie dies nur das Soziale erreicht. Aber haben Sie dafür vielleicht ein Beispiel?

Emil Darrenhofer: Natürlich Sie können leicht jemanden erklären, dass die ganzen Textmarker überflüssig sind, dieses ganz bunt Anstreichen und dass auch zweimaliges Lesen eines Textes nicht viel bringt. Sie können über das Empfehlen hinausgehen, denn es gibt mittlerweile einige Studien, die belegen, dass dies sinnlos ist. Doch was dann? Von einem Lerntipp verändert sich ja nicht das gesamte Lernverhalten. Der Fehler liegt, wie eingangs erwähnt, beim mangelnden Coaching, das heißt bei der fehlenden Entwicklung einer geeigneten Lebensweise, wobei dann systematisch Lernfehler ausgeschaltet werden. Diese Systematik lässt sich nicht mit dem Lesen eines Blogs, mit der Gründung eines Blogs und auch nicht mit einer simplen Kritik unserer Bildungsinstitutionen erwerben. Im Gegensatz habe ich das Gefühl, dass gerade die Institutionen als Grund dafür herhalten müssen, dass wir nichts lernen.

Norman Schultz (ich muss lachen): Aber es ist doch allen so gut wie klar, dass wir doch nichts in diesen Institutionen lernen.

Emil Darrenhofer: Nun Sie haben in diesen angeblich schlechten Institutionen sehr viel gelernt: Lesen, Schreiben und Rechnen. So einfach uns diese grundlegenden Kulturtechniken aus der Perspektive eines Könners erscheinen, sie sind Resultat jahrelanger Konditionierung. Bedenken sie, dass zum Beispiel auch Karl der Große nicht lesen konnte, obwohl er ja direkt an der Wissensquelle saß. Man lernt das nicht einfach so. Andere Klosterschüler, waren noch fasziniert, dass Thomas von Aquin leise lesen konnte, auch eine Technik, die wir heute einfach so beherrschen.

Das alles heißt aber nicht, dass ich die Schulen und Institutionen vorbehaltslos rechtfertigen will. Ich will aber sagen: Wir übersehen zu schnell, dass sie doch eine Menge bereits leisten. Statt daher die Institutionen zu kritisieren würde ich mir eher eine stärkere Kritik der Bildungsökonomie im Privaten wünschen, denn mit Familie und Freunden bilden wir unser wirkliches Verhältnis zum Lernen und Wissen aus. Das, was die Schule durch Konditionierung und die historisch-gewachsene Systamtisierung erreicht, sollte Eingang in unser Privates finden.

Norman Schultz: Und warum im Privaten?

Emil Darrenhofer: Viele erwarten von den Bildungsinstitutionen mehr Freiheit für das Lernen, doch das ist ein grundlegendes Paradox. Institutionen reglementieren aufgrund ihrer Natur schon (das steckt im Namen, Institution und Revolution sind beinah Antonyme). Institutionen schaffen durch Reglementierung, Entlastung und somit Bildungsfreiräume außerhalb der Institution. Sie kennen sicher den Stress, von jemandem der Leben und Arbeit niemals trennt?

Norman Schultz: Ich kenne es, und erkenne zunehmend an, dass eine Trennung unter einigen Umständen sinnvoll ist.

Emil Darenhofer lacht: Sie haben Recht, ich will das nicht als Doktrin vorschreiben. Aber im Moment ist es so, dass Eltern aufgrund der Lesekonditionierung von der Schule entlastet werden. Der Lehrer ist automatisch der böse Sklaventreiber, der die Freiheit der Kinder nicht versteht. Die Eltern werden momentan zu den Guten, die ganz genau wissen, wie Schule sein müsse. Wie Infotaiment soll Schule sein. Als würden wir dabei lernen.

Ich sehe das jedoch etwas anders: Was ich in der Schule lerne, soll mir Techniken geben, die ich erst in meiner Freizeit in Bildung umschmelze. Das ist ganz zentral. Techniken werden durch bestimmte Konditionierung erworben. Bildung ereignet sich mit Technik und Freiheit. Wichtig ist nun: Wir brauchen dann auch Freizeit, um Freiheit für Kinder zu erhalten. Aufgrund dieser Prämissen gehöre ich zu denen, die glauben, Schule sollte noch strenger sein, dafür allerdings auf den Vormittag und auf wenige Fächer beschränkt werden. Ich bin für noch stärkere Konditionierung in der Schule und glaube, dass wir uns von dem Gedanken befreien müssen, dass Schule tatsächlich Bildung vermitteln könnte. Wir sollten nicht versuchen, jedes Fach, das uns in den Sinn kommt, in eine schulische Ausbildung zu integrieren, nur weil es gerade en vogue ist. Dieser Aktionismus muss  aus zwei Gründen schief gehen. Einerseits können Institutionen nicht schnell genug auf Marktanfordernisse reagieren. Institutionen können nicht revolutionieren. Wie bereits angedeutet, diese Begriffe sind diametral entgegengesetzt. Schule soll dann einmal Internet unterrichten, dann wieder Ethik, dann doch nochmal Medien. Schulen verlieren damit ihr Profil, nämlich Grundkenntnisse zu vermitteln und als Folge glauben alle, Schule sei für Bildung zuständig, so als könnten dann der Hauptschüler nicht mehr gebildet sein. Was natürlich Quatsch ist, auch Hauptschüler können gebildet sein.

Ich plädiere daher dafür, dass stattdessen die außerschulischen Bildungsangebote für die Entwicklung von wahren Persönlichkeiten frei gemacht werden, während Schule wieder auf solide Grundkenntnisse in Übersetzung, Rechnen, Mathematik, Lesen und Schreiben zurückgeführt werden.

Norman Schultz: Was denken Sie dabei über die Philosophie?

Emil Darrenhofer lacht: Wenn es kein ethisches Gequatsche ist, wo wir ständig nach unseren Meinungen fragen, so ist Philosophie als die Grundtechnik der Wissensgewinnung anzuerkennen. Argumentstrukturen und Logik finden ihre Begründung in der gewissenhaften ontologischen Forschung. Hier stimmen wir beide mit Sicherheit überein. Aber wissen Sie, im Moment haben wir Status quo. Schulen müssen Bildung miteinbeziehen, weil wir keinen Sinn für die Unterscheidung zwischen institutionalisierten Techniken und Bildung in der Freizeit haben. Im Status Quo ist Ethik womöglich gar das wichtigste Fach und noch vor Logik, Ontologie und Erkenntnistheorie anzusiedeln. Also brauchen wir im Moment womöglich diese „Laberfächer“ als Lebensfächer, aber eigentlich sollte das in der Freizeit eine Rolle spielen, wie ich es eben versucht habe, anzudeuten.

Norman Schultz: Ich muss hinzufügen, dass ich mir eher eine philosophische Ausbildung im systematischen Aufbau von Wissenschaft wünschen würde. Ich sehe, dass das Wissen um das Wissen selbst bei Lehrern weit, weit, weit weg ist. Mein Physiklehrer meinte beispielsweise immer, dass er die Relativitätstheorie so interessant fände, weil es dabei philosophisch werden würde. „Philosophisch“ als würden wir uns mal ans Lagerfeuer setzen, um über den Sternenhimmel nachzudenken. Er führte dann das Philosophische ein, nur um uns dann den krudesten Materialismus vorzuschlagen, der in der Philosophie seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden schon als veraltet gilt und nicht als Philosophie zu bezeichnen ist, sondern eigentlich nur als wissenschaftstheoretisch naiv. Es tut weh zu wissen, dass die Technikvermittler ihre Autorität ausnutzen, um diesen wissenschaftlichen Unfug zu verbreiten.

Emil Darrenhofer  lacht wieder: Ich muss Ihnen aber gestehen, dass dies von mir auch nur halbgare Hypothesen sind. Ich denke über die stärkere Instutitonalisierung der Schule nach, weil es für mich ein Gegengewicht zu der Auffassung darstellt, dass eine Befreiung von der Schule der Weg der Zukunft sei. Ich bin mir beispielsweise nicht sicher, inwieweit Lesen einfach konditioniert werden muss oder inwieweit es auch kreativ und mit Spaß vermittelt sein könnte. Mir erscheint jedoch, dass wir den Wert der Konditionierung in der ewigen Bildungsreform aus humanistischer Sicht klein reden. Bildung muss da angeblich so frei sein, dass man sich fragen muss, was das dann für eine Freiheit sein soll.

Norman Schultz: Ich stimme ihnen zu: Freiheit ist zu einem Schlagwort geworden und das moderne Individuum mag es nicht mehr mit dem Wort der Pflicht vermengen. Da würde gar ein Kant zu einem Preußen degradiert werden, weil er es doch wagte Freiheit und Pflicht in eine Waagschale zu werfen, obwohl dies nun aus systematischer Sicht so gut wie unvermeidlich ist. Nun gut, aber ich merke auch, dass wir weit vom Weg abgekommen sind. Was empfehlen Sie daher nun konkret, um im Studium besser zu werden?

Emil Darrenhofer: Am besten wäre natürlich eine Art Personal Trainer wie im Sport. In bestimmten Mannschaftssportarten holen sie dich einfach ab und du wirst auf einem gemeinsamen Weg zur Elite geformt. Die Hollywoodstars engagieren sich Körpermacher.

Norman Schultz: Um ein anderes Beispiel hinzuzufügen: Der Schachweltmeister Magnus Carlsen hatte seit seiner Kindheit von seinen Eltern immer Coaches zur Verfügung gestellt bekommen, später dann gar Gary Kasparow. Für eine Weltmeisterschaft im Schach zählt ein Team von anderen Großmeistern, die natürlich auch täglich den Trainingstag motivieren.

Emil Darenhofer: Gleiches sollten wir im Geistigen versuchen, allerdings sehe ich, dass dies dort viel schwieriger voran geht, da wenige sich vorstellen können, eine gegenseitige regelmäßige Coachingzone einzurichten und es dann womöglich auch zu viele Schwierigkeiten gibt, diese Coachings in der Gruppe abzusprechen, oder Menschen auf eine Wellenlänge zu bringen. In diesem Sinne wäre es dann sinnvoll tatsächlich Coaches anzuheuern, wobei dies wieder mit finanziellen Problemen verbunden ist. Wenn jedoch jemand wirklich langfristig sein Lernen verbessern will, dann gibt es nicht die Technik, sondern dann sollte er sich gute Coaches leisten. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, einige Coaches haben auch nur gefährliches Halbwissen zu bieten. Bei dem Überangebot an Menschen, die Coachings versprechen, aber im Grunde genauso reliabel wie Esoteriker sind, möchte ich es eigentlich nicht empfehlen. Und nur zu einem Coach einmal die Woche zu gehen, der einem sagt, was man machen soll, funktioniert nicht. Im Sport kommt der Personal Trainer und trainiert. Hier brauchen wir Konzepte und ich frage mich, warum ich davon so wenige sehe.

Norman Schultz: Das ist eine gute Frage, die wir ein anderes mal diskutieren sollten vielen Dank für das Gespräch.

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Norman Schultz, Juli 2015, Pittsburgh

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Waldorfschulen sind besser als Normal-Schulen – Tanzt eure Namen!

Ich gehörte ja auch zu den Stammtischnutzern, die Waldorfschüler als Namenstanzer denunzierten. Wissenschaftler aber loben nun die Waldorfschule und ich frage mich, ob die Waldorfschule nicht doch das richtige für meine Tochter wäre.

In einer Untersuchung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurden mehr als 800 Schüler an zehn Schulen im Alter von 15 bis 18 Jahren befragt (Quelle). Dabei stellte sich heraus, dass Waldorfschulen wesentlichen besser abschneiden als andere Schulformen.

  • 80 Prozent mehr spaß-bereite Waldorfschülern gegen 67 Prozent Schüler an Regelschulen
  • 85 Prozent der Schüler empfinden zudem das Schulklima als angenehm und unterstützend, während Regelschüler nur 60 Prozent das Schulklima schätzen
  • Ein gutes Verhältnis zu den Lehrern haben 65 Prozent der Waldorfschüler im Gegensatz zu 31 Prozent der Regelschüler
  •  Schüler an Waldorfschulen haben weniger somatische Beschwerden und leiden weniger unter Schlafstörungen

Waldorfschulen bereiten besser als andere Schulformen auf die Zukunft vor. Im Gegensatz zur reinen Quantifizierung legen Waldorfschulen mehr Wert auf Qualität. 

Waldorfschulen reagieren besser auf die Umstrukturierung unserer Lebenswelt

Die Umstrukturierung unserer Lebenswelt im Hinblick auf das Digitale hat ja Manfred Spitzer schon zur These der digitalen Demenz herausgefordert, das heißt wir werden immer dümmer, weil uns die Digitalisierung wesentliche geistige Arbeit abnehme. Auf der anderen Seite stellen Forscher wie Richard Flynn auch im Jahre 2010 weiterhin einen Anstieg des Intelligenz-quotienten fest. Ich bezweifle, dass eine dank meines Navis entstresste Autobahnfahrt meiner potentiellen Intelligenz schadet, weil ich dabei ja das Kartennavigieren hätte lernen können. Ich nutze die gewonnene Zeit für andere Dinge und komme entspannter am Ziel an. Bei Wikipedia heißt es, dass Flynn den Anstieg der Intelligenz daher auch weiter beobachtet:

Flynn stellte dagegen in seinem 2012 erschienenen Buch Are We Getting Smarter? einen weiteren Anstieg der Intelligenz fest. Deutschland verzeichne einen Anstieg von 0,35 Punkten pro Jahr, Brasilien und die Türkei fast doppelt soviel. Verändert habe sich allerdings die Art der Intelligenz. So verbessere sich vor allem das visuelle und logische Denken der Kinder, der Wortschatz hingegen nur unwesentlich.[16]

In diesem Sinne äußern sich auch Forscher zu den Umständen, der neueren Anfordungen des Arbeitslebens: „wenn Sie wollen, dass Ihre Kinder schlauer sind als ein Smartphone, dann müssen sie ihnen andere Kompetenzen beibringen.“ Das heißt, viele gegenwärtige Lehrkonzepte setzen auf Leistungen, die auch simpel mit einem Smartphone erledigt werden können. Da Wissen hingegen kreativ und lösungsorientiert auf neue Bereiche zu übertragen sei, schneide die Waldorfschule besser ab, denn dort werde traditionell größerer Wert auf Transferleistungen gelegt

Im Weiteren gibt es im Hinblick auf die Abschlussnoten keine „statistisch bedeutsamen Unterschiede“. Absolventen von Waldorfschulen wollen darüber hinaus überdurchschnittlich häufig selbst den Beruf des Lehrers ergreifen oder Arzt, Ingenieur, Geistes- und Naturwissenschaftler werden. Selbst die Befunde der Pisa-Studie zeigen, dass entgegen landläufiger Meinung Waldorfschüler weit überdurchschnittliche naturwissenschaftliche Kompetenzen aufweisen und daher würde die Waldorfschule eher für meine Tochter in Frage kommen.

 Was aber gibt es Neues zu meiner Arbeit und meinen Projekten?

MusikProjekte:

– Ich habe einen Hochzeitsmarschkomponiert und ihn bei einer Trauung in der Kirche aufgeführt (sowie eine sehr feierliche Version von Paquelbels Canon geschrieben und auch aufgeführt) Hochzeitsmarsch

Unser Musikteam von der Bellefieldchurch

– Unsere Band ist bei der anschließenden Rezeption leider an einem Stromausfall verzweifelt. Bei der Rückkehr des Stroms habe ich die Soli meines Lebens gespielt, nur um zwei Tage später zu erfahren, dass ich nur auf meinen Monitoren zu hören war. Das E-Piano war wetterbedingt verstimmt.

Sozialkontakte: – Ich versuche mich ja jetzt in Partyplanung und lade ein paar ausgewähltere Personenkreise zu mir ein. Wir spielen dann Karaoke mit Klavierbegleitung und rezitieren Gedichte. Bei der Weinauswahl (da ich ja keinen Alkohol trinke) bin ich dann wie ein Blinder im Kino (ein besserer Witz fällt mir jetzt nicht ein). Mein Mitbewohner meinte jedoch, dass die Auswahl ganz fantastisch wäre, nur um sie dann vor Schreck auf dem Boden zu zertrümmern. –

Am Freitag war ich außerdem vom Co-Founder von Duolingo zur jährlichen Jubiläumsfeier eingeladen worden. Interessant, die junge Horde der New-Economy in Pittsburgh zu beobachten. Unter das Yucci-Volk (die neuere Bezeichnung für Young-Urbun-Creative) haben sich auch ein paar Google-Visionäre gemischt. Philosophie bleibt jedoch Wüstenstaub für sie. Ich habe mir die Zeit mit Kaviar und Champagner vertrieben, weil man ja nichts besseres zu tun hat, als sich besonders vorzukommen. Ich bin natürlich sehr dankbar, dass Severin mich eingeladen hat und ich halte Duolingo für eines der sinnvollsten Lerntools, die ich kenne. Ihr Unternehmen ist im Moment 450 Millionen-Dollar wert. Sie wollen jedoch in Zukunft den Bildungsmarkt aufmischen.

Bilder von unserer Party

– Kiril und Konstantina wälzen uns derweil weiterhin durch verschiedene Bücher der Persönlichkeitsentwicklung. Dieser ganze Markt an Baumarktstrategien für das eigene Lotterleben im Businesszirkel kann tatsächlich systematisch bearbeitet werden. Dennoch sind die meisten Angebote meiner Meinung wenig seriös. Wichtiger sind unsere wöchentlichen Gespräch, wo wir die konkreten Schritte besprechen.

Philosophie

– Ich habe nun meine Forschungen zum Satz des Widerspruches vorangetrieben. Ergebnis: Der Satz vom Widerspruch gilt für formale Systeme, die Frage ist aber, wie er aus einer materialen Logik hervorgeht und auf materiale Umstände zurück angewendet werden kann. Zwar ermöglicht Logik einen unglaublichen Kosmos an Anwendungsbereichen, zugleich aber ist sie nur ein mageres Skelett von der Wirklichkeit. Gleiches gilt für den Satz des Widerspruchs und aus diesem Grund ist der Satz des Widerspruchs nur unter gewissen Bedingungen eindeutig anwendbar. Ich werde nun Graham Priest einen Brief schreiben und ihn zur Materialisierung der Logik befragen. Ansonsten lese ich mich nun quer durch die Hegelliteratur und versuche ein paar Publikationen auf den Weg zu bringen.

Zukünftige Entwicklung

Der Herr wollte mich nicht in den VIP-Bereich lassen

Wir hören es ja überall: BigData von Google und Facebook versprechen viel, viel, viel, viel Geld? Ich habe mich auf dem Duolingotreffen über die Quantifizierung von Sprachleistungen auch mit ein paar Googlefuntionären unterhalten. Kurz: Es erscheint, Datamining ohne sinnvolle Frage, ist wertloser Datenmüll. Mittlerweile geht der Ansatz Big Datamining weg und es kommt auf die konkrete Fragestellung an. Pauschalquantifizierungen haben dabei wenig Erfolg.

Baseball – Ich beginne langsam das Spiel zu verstehen und finde mich häufiger im Stadion wieder.

Beim Chinesischlernen im Baseballstadion

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Norman Schultz, Juni 2015, Pittsburgh

Titel-Bildattribution: By Giorno2 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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Lernen als soziale Eigenschaft des Menschen – Im Gespräch mit Emil Darrenhofer über Lerntaktiken, Lernstrategien, Schule und den ganzen Rest (zweiter Teil)

Emil Darrenhofer: Nach unserem letzten Gespräch, wo wir die Bedeutung des Sozialen im Lernen hervorgehoben haben, wäre es sinnvoll, soziales Lernen am eigenen Beispiel zu beschreiben.

Norman Schultz: Ich habe hier in Pittsburgh großes Glück.Im Moment habe verschiedene Lernzirkel gefunden. Zum Einen zieht nun Roli Carspecken in mein Haus in Pittsburgh. Dessen Vater ist Professor für Philosophie in Indiana. Dieses tägliche Training, das er über die vielen Jahre erfahren hat, macht sich klar in seiner Arbeitsweise bemerkbar. Die Systematizität mit der wir das Werk von Hegel in kleinen logischen Schritten entschlüsseln, bis in kleinste, logische Details zerlegen, habe ich so noch nicht zuvor betrieben. Seine Ausdauer diesbezüglich ist bemerkenswert.

Zweitens, habe ich einen Lernzirkel zusammen mit John Harvey, der Griechisch, Latein, Französisch und Deutsch nahezu perfekt ins Englische übersetzen kann. Wir gehen hier in die linguistischen Details jeder Sprache und rekonstruieren dann die Argumente. Das macht mir sehr viel Spaß, da ich ja Linguistik studiert habe. Darüberhinaus sind seine linguistischen Fähigkeiten ähnlich gut ausgeprägt wie seine mathematischen Kenntnisse innerhalb der analytischen Traditionen. Er unterrichtet an einem College hier Logik. Die Gespräche mit ihm motivieren mich auch, auf die Grundlagen der Mathematik zurückzukommen und auch grundlegende Beweise in meine Dissertation einzuarbeiten.

Drittens, habe ich eine Lerngruppe mit Kiril (Dirigent) und Konstantina Stankow (Pianistin) zusammen, wobei wir jeden Abend verschiedene Tabellen ausfüllen, die verschiedene Punkte zu unseren Lernfortschritten in verschiedenen Bereichen angehen und wir wählen uns selbst Challenges. Wenn wir die selbstgesteckten Lernziele nicht erreichen, so zahlen wir gemeinsam in eine Kasse ein und gehen dann davon essen. Einmal wöchentlich haben wir dann einen gemeinsamen Telefontermin, indem wir Texte zu dieser Persönlichkeitsentwicklung durchgehen und die Tabellen überarbeiten. Wir quantifizieren und qualifizieren in den Tabellen. Ich fasse diese Ergebnisse der Selbstquantifizierung hier regelmäßig an der CMU University beim Quantify Yourself-Meet-up zusammen, wo ich schon viele Menschen getroffen habe, die mir bei der Aufarbeitung der statistischen Informationen behilflich sind.

Viertens, ist es über diese allgemeine Entwicklung hinaus sehr hilfreich mit Menschen in Kontakt zu sein, die konstant lernen müssen. Da müssen bei Kiril und Konstantina immer wieder neue Stücke eingeübt werden und das motiviert mich auch am Klavier weiter zu gehen. Ich habe hier jetzt auf einem großen Banquet für einen wohltätigen Zweck gespielt, wo die verschiedenen Millionäre Pittsburghs sich zusammengefunden haben. Ich habe dies jetzt bereits zum dritten mal gemacht. Mein Repertoire ist jetzt ca. 2 Stunden lang und hat hohe technische Qualität. Ich spiele Weihnachten zum Gottesdienst in der Kirche im Stadtzentrum. Die Kontakte, die sich dadurch ergeben sind unschätzbar und treiben mich weiter an. John Dolan lobte mich sehr, der hier Professor für Robotics an der Carnegie Mellon University ist, aber in der Kirche in Pittsburgh zusätzlich die musikalische Leitung hat. Der Kontakt zu ihm, erweitert immer wieder meine Perspektiven in Bezug auf künstliche Intelligenz. Zudem spiele ich dadurch in einer Band mit nahezu professionellen Musikern und mit zwei anderen Studenten, erarbeiten wir gerade das D-Moll Violintrio von Bach, was wir dann auch zur Aufführung bringen. Solche Kontakte treiben mich dazu an, auch hier Entwicklungen immer wieder zu hinterfragen und es geht wesentlich besser überhaupt zu lernen.

Es gibt noch weitere, dieser Projekte, zum Beispiel mein im Semester 2-mal wöchentliches Training mit Tom Martinek, der nationaler Meister im Schach ist und was mich letztlich auf Expertenniveau im Schach gebracht hat. Ich trainiere weiter neue Eröffnungen mit Tom Dean, der Mathematik studiert und mit mir neben den Schachspielen auch Grundlagen der mathematischen Beweisführung immer wieder durchgeht.

Neuerdings beginne ich nun ein Treffen mit Professor Mystick (Juraprofessor hier an der Duquesne University) und weiteren Kollegen, wo wir Theorien zum Strafen durchgehen und versuchen wollen, Artikel zur verqueren Theorie des Bestrafens in Amerika unterzubringen.

Neben allen anderen Kontakten ist aber wohl am wichtigsten, die täglich Arbeit mit Studenten, die meine Fähigkeiten innerhalb der Philosophie auf ein sehr stabiles Fundament gestellt hat. Allein, die Tatsache, dass ich dreimal die Woche eine Vorlesung organisiere, hat nicht nur meinen Überblick über die Philosophie geschärft, sondern auch meine Fähigkeiten in Englisch so extrem gesteigert, dass viele mich bereits fragen, ob ich in den USA aufgewachsen wäre.

Emil Darenhofer: Dies zeigt, wie Lernen sozial funktioniert und wie sich dies auch auf das Entstehen von Wissen auswirkt. Es zeigt, wie dieses Soziale als Motor aller Entwicklung wirkt und wie wir deswegen Lernen diesbezüglich verstehen müssen. Wir sollten dies weiter besprechen.

Norman Schultz: Bisher hatten wir ja über die Rolle des Sozialen noch sehr vage gesprochen. Kommen wir daher erstmal zu einem sozialen Problem, um den Sinn dafür zu schärfen. Im Moment bildet sich ab, dass Mädchen in den Schulen den Jungen den Rang ablaufen. Inwiefern passt das zur Sozialthese?

Emil Darrenhofer: Das ist richtig ja. Mädchen sind besser als Jungen in der Schule, sogar in den mathematischen Bereichen. Allerdings ist hier eine Anpassungsreaktion zu vermuten. Mädchen sind immer noch als Frauen in einem repressiven System und fügen sich eher den institutionellen Erwartungen als Jungen. Das institutionalisierte Lernen der Schule passt zu Mädchen und der Unterdrückung der Frau. Die Gefahr ist nun aber groß, dass das erworbene Wissen im Alltagsmodus wieder austrocknet, weil Mädchen nicht dazu ermutigt werden, dieses auch weiter zu verfolgen. Was nützt es Samen zu streuen, wenn die Bildung keine weitere Umsetzung erfährt?

Norman Schultz: Meinen Sie, dass Mädchen über die Schule hinaus nicht gefördert werden?

Emil: Darrenhofer: Ich weiß nicht, woran es liegt, aber während die Psyche bei Mädchen im Sozialen auf eher „weibliche“ Themen umgeschmolzen wird, so sind Jungs stärker auf die Entwicklung ihrer Fähigkeiten bedacht.

(Anmerkung Norman Schultz: Ich habe in einem Artikel dargelegt, wie sich das weibliche Geschlecht auf Youtube eher den modischen Themen widmet und damit eine Geschlechertrennung im Internet stark manifestiert).

Jungen passen sich nicht der zunehmend mehr verweiblichten Schule an. Dieser Rückzug der Jungen von den Anpassungsforderungen der Schule findet eine sozial akzeptierten Kompensation in den technischen Bereichen. Ingenieursrelevante Interessen, Computer oder eher mathematische Hobbies sind spezifischer für Jungen. In diesem Sinne sehen wir, dass Mädchen zwar in der Schule erfolgreicher sind, aber gleichzeitig, dass sich Lernen nicht in der Institution ereignet, sondern im sozialen Bereich erst die entscheidende Vertiefung erfährt. Wenn wir Mädchen nicht ermutigen auch hier Fortschritte zu erzielen, dann wird sich der Erfolg der Schule nicht fortsetzen lassen. In diesem Sinne gehen dann Jungs auch nicht in die hoffnungslos überlaufenen, sozialen und geisteswissenschaftlichen Bereiche.

Norman Schultz: Nun gut, das Thema ist womöglich sehr kontrovers. Es zeigt sich aber, dass die Schule nicht hinreichend ist, um Bildung zu ermöglichen.

Wir hatten beim letzten mal allerdings, ein Video gewählt, das mit Lerntipps hantierte (Link zum Video). Problem war dabei, dass es verschiedene Dinge einfach zusammenrührte und das Lernen nicht systematisch anging. In diesem Sinne sagen wir auch in der Soziologie: Gründe sind immer billig. Ein Beispiel: In einem Versuch zeigte man Probanden Bilder von Personen und bat die Probanden, zu entscheiden, welche Person schöner sei. Danach vertauschten die Versuchsleiter die Bilder ohne die Kenntnis der Probanden und zeigten ihnen das Bilder der nicht-schönen Person. Die Probanden sollten dann erklären, warum sie sich für diese Person entschieden haben und natürlich gab es genug Gründe, die ihnen in diesem Moment in den Sinn kamen.

Emil Darrenhofer: Ein Grund warum diese Clickbait-Artikel (Artikel die viele Klicks erzeugen sollen) wie zum Beispiel 7 Gründe, warum du deinen eigenen Blog gründen solltest, so ansprechend, aber andererseits auch einfach nur nervig. Ich könnte 100 Gründe auflisten, warum wir diese Überschriften nicht mehr wählen sollten.

Norman Schultz: Zurück zum Thema: Wir wollen wissen, warum nun dieses Vorschlagsvideo so gut wie sinnlos ist. Die Frage des Systems hatten wir schon abgearbeitet. Können wir nun vor dem Hintergrund der ausgeführten Sozialhypothese beantworten, warum derlei Lerntipps wie oben den Zugang zum Arbeiten verbauen?

Emil Darrenhofer: Der Markt ist überfüllt mit Techniken, die Sie, wenn Sie diese denn beherrschen wollen, alle samt erst einmal im Alltag integrieren müssen. Das geschieht aber nur, wenn Sie viel Energie investieren. Statt also dann sinnvoll zu arbeiten, nehmen ihnen die meisten vorgeschlagenen Techniken wertvolle Zeit. Nehmen wir an, sie schauen dieses Video, was aber dann? Haben sie nicht irgendwie schon alles vorher gewusst? Ich vermute es sind sogar wesentliche Mängel in diesen Videos vorhanden, ich glaube zum Beispiel dass die Karteikartentechnik (der erste Tipp, sich Lernstoff auf Karteikarten zu schreiben) bedingt sinnvoll ist, vielleicht höchstens zur Strukturierung von Lerninhalten, aber Studien zeigen klar, dass wir eher durch intelligente Fragen, den Stoff lernen. Mit Karteikarten lernt man zum Beispiel auch keine Sprache. Zweitens, Mindmapping ist eine stark limitierte Technik, die viele Kausalverbindung nicht zulässt. Mindmapping ist ein sehr amerikanisches Modell, das deutschen Ansprüchen einer systematischen Verknüpfung von Lerninhalten nicht genügen kann. Ich schlage daher eher das Text-Bild-Verfahren der Michelmanns vor, das sie zur Ausbildung von Lesekompetenz anbieten.

Aber auch hier kommt es darauf an, diese Dinge sozial zu erwerben. Übrigens einer der Gründe, warum sie ihr echtes Schnelllesen (zu unterscheiden von dem ganzen anderen Quatsch, der am Markt ist) nur in sehr aufwendigen Einzelsitzungen anbieten können.

Den dritten Vorschlag, mit alten Prüfungen zu lernen halte ich für sehr sinnvoll, weil es die Lerninhalte in kausalen Zusammenhängen darstellt. Hier aber fehlt es dann an der Kontrolle, ob Lerninhalte nicht nur abgearbeitet werden und an der richtigen Implementierung im Alltag. Der nächste Tipp war daher Zeitmanagement, wobei natürlich vielen klar ist, dass sie ihre Zeit managen sollten und sich das vornehmen, so wie sie sich am Neujahrstag eben auch Sport vornehmen. Wie aber halten wir Sport durch?

Fünftens, der Wert der Lerngruppen deutet dabei in die richtige Richtung, aber auch hier ist unklar, wofür die Lerngruppe da sein soll und wie wir diese produktiv gestalten. Alles in allem sind dies Lebensratschläge, die keine relevante Veränderung beim Einzelnen bewirken werden und in diesem Sinne, können sich die Zuschauer das Ganze sparen.

Norman Schultz: Ich möchte das gerne auch am Beispiel des Schach verdeutlichen, da ich ja hier in Pittsburgh, wie oben erwähnt, als Experte mit meiner gegenwärtigen Schachwertzahl gelte. Ich habe gerade das Buch von Kotov: „Play Like a Grandmaster“ gelesen.

Dieses vermittelt viele Stellungsbewertungen aber wie zum Beispiel auch der Großmeister Victor Smirnov verdeutlicht: Stellungsbewertungen können analytisch zusammengetragen werden, aber sie geben nicht die Lösung. Die wichtige Intuition für die Lösung wird dabei nicht magisch mitgeliefert. Ich kann zum Beispiel eine Stellung analysieren und erkennen, dass die Türme sich auf der offenen Linie befinden. Die Stellung wird nach einer Einschätzung für Weiß als klar besser evaluiert und dennoch kann ich den Vorteil, der sich aus der Analyse ergibt einfach nicht umsetzen (ich beziehe mich hier auf die Partie zwischen Botvinik und Sorokin um die USSR Meisterschaft aus dem Jahre 1931). Statt also hier analytischen Merkmalen zu folgen, muss ich gegen die oberflächlichen Schachanalysen verstoßen und meine Bauernstruktur zerstören, nur um die relevanten Felder zu erobern. Während der gesamten Partie hält sich Botvinik an kleinen strategischen Vorteilen fest, was sich erst im Endspiel in einen immer größeren und handfesten Vorteil manifestiert. In diesem Sinne ist keine Schachregel zu nutzen, sondern die konkrete Einbettung in bestimmte Umstände. Genauso verhält es sich beim Lernen. Lernen ist kein Prozess, der sich auf einen Algorithmus reduzieren lässt, sondern muss in einem sozialen Prozess gut bestimmt werden. Wer glaubt, dass er Lernen wie Chinesen durch das Einhämmern vom Einmal-Eins beendet oder dadurch, dass er vor allem in der Schule ein gutes Zeugnis mit nach Hause bringt, weil er Algorithmen beherrscht, der ist auf dem Holzweg.

Lassen Sie es mich aus einer anderen Perspektive sagen: Lernen ist eine Gattungseigenschaft des Menschen. Subtrahieren wir das Lernen vom Wesen des Menschen, so haben wir es nicht mehr mit einem menschlichen Wesen zu tun. Lernen gehört zum Menschen und da der Mensch auch ein soziales Wesen ist,  muss Lernen sozial verstanden werden (Der Schluss funktioniert, da Definitionen nicht kreativ sein dürfen. Das heißt, das Soziale ist im gewissen Sinne Lernen und schließt sich an Wittgensteins Überlegung an, dass niemand allein, vernünftig sein kann).

Emil Darrendorf: Ich vermute, und vielleicht handelt es sich hierbei nur um eine oberflächliche Vermutung, dass dieses soziale Lernen in Ländern wie China nicht gut funktioniert. In dem Moment, wo ich den Leistungsdruck auf Schüler so umlege, dass der soziale Zusammenhalt leidet und ich Schule nicht auch als etwas begreife, dass Klassenverbände schafft, so verleugne ich einen wesentlichen Teil des Lernens. Ich möchte sagen, dass eine produktive Freizeitgestaltung im Rahmen der Schule unerlässlich ist. Schulen sollen auch Orte der Freizeit sein, wobei Schule hier die Charakteristik der monströsen Institutionalisierung verliert. Schule ist kein anonymes, kafkaeskes Schloss, sondern muss ein lebendiger Organismus sein. Deswegen sollten wir den Wert von zum Beispiel Klassenfahrten oder Nachmittagsaktivitäten nicht unterschätzen.

Norman Schultz: Da stimme ich zu. Es ist genau das, was ich meinen Studenten am Ende des Semesters sagte. Es kommt nicht darauf an, ob sie hier in meinem Kurs ein A bekommen, sondern auf die Aktivitäten, die sie innerhalb der Universität ausfüllen. Wir werden sicher noch später auf die Grenzen der Institution zurückkommen. Aber vielleicht belassen wir es dabei für heute.

Dies war der zweite Teil unseres Gesprächs und es folgen Weitere. Wenn ihr diese nicht verpassen wollt und mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+. oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Wenn ihr wirklich keine Beiträge verpassen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an).  Ein RSS-Feed für die progressiven Internetnutzer ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.

Norman Schultz, Juni 2015, Pittsburgh

Artikelbildattribution: © Nevit Dilmen [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons

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Lernen und die Systematizität im Sozialen – Im Gespräch mit Emil Darrenhofer über Lerntaktiken, Lernstrategien, Schule und den ganzen Rest


Emil Darrenhofer ist Bildungsforscher. Sein Schwerpunkt liegt auf Lerntechniken und Lernmethoden. Im Rahmen meiner Dissertation arbeite ich an der Frage, wie Wissen nur im Hinblick auf Systematizität zu verstehen ist. Aus unserer Korrespondenz und unseren Gesprächen zum Lernen haben wir ein Gespräch zusammengestellt, das wesentliche Fragen zur Lernforschung angehen soll, und auch Stellung zur gegenwärtigen Bildungskritik bezieht. Im Vordergrund steht die Frage, wie wir beim Studieren richtig lernen. Das Gespräch hat mehrere Teile, wobei wir hier den ersten veröffentlichen.
Norman Schultz: Herr Darrenhofer, was können sie hinsichtlich der Arbeitstechniken beim Studieren empfehlen?
Emil Darrenhofer: Lassen Sie es mich punktuell und radikal formulieren: Der Markt der Lerntechniken ist weit, unübersichtlich, und das Schlimmste, verseucht. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie dort die richtigen Produkte finden können, aber Marketing macht mit Sicherheit den größten Teil dessen aus, was sie finden werden. Die meisten Marketer verschießen leere Worthülsen und bieten ungetestete Versprechen an. Wenn sie Glück haben, finden sie unter den vielen Lerntipps keine, die ihnen den Zugang zum Arbeiten verbauen.
Norman Schultz: Haben Sie Beispiele?
Emil Darrenhofer: Die sollten wir detailliert besprechen. Meine Hauptpunkte sind hier die Versprechen der Speed-Reader-Community, der Glaube an Gedächtnistricks und das, was Sie eben in Form von Ratgebern überall finden. Wir sollten diese exemplarisch abarbeiten, aber lassen Sie mich zuvor ein paar Dinge erwähnen: Die Meisten Menschen glauben immer noch an Wunder. Irgendwo wird es demnach schon so einen Nürnberger Trichter geben, der uns das Geheimnis der perfekten Persönlichkeit erschließt, innere Tore aufstößt und uns einfach mal Genie sein lässt. Ich im Gegensatz glaube, unser Gehirn ist stabil. Persönlichkeitsveränderungen, wozu ich Lernen hinzuzähle, finden nicht über Nacht statt, sondern bedürfen Jahre. Um wirklich zu lernen, muss sich unser Gehirn grundlegend verändern und das passiert nicht durch irgendwelche Kniffe aus der Trickkiste.
Norman Schultz: Zu dieser Persönlichkeitsentwicklung sagt der Neuroforscher Gerhard Roth daher auch Folgendes:
„In der menschlichen Entwicklung gibt es alles, nur eines nicht: Dass ich mir vornehme, mich zu bessern, und von Stund an ein besserer Mensch bin. Wenn ich mich wirklich bleibend ändern will, müssen vor allem die tieferen Schichten verändert werden.“ (Quelle: Artikel zur Persönlichkeitsveränderung)
Lernen ist nicht etwas, das von heute auf morgen geschieht. Ich nehme nicht eine Woche Klavierstunden und bin Pianist. Deswegen lassen sie uns zu den Beispielen kommen. Warum kommen wir mit Lernratgebern nicht voran?
Emil Darrenhofer: Ach, ich habe gerade eine Episode vom Tim-Ferriss-Experiment gesehen, in der sich der Held der Episode vornimmt, innerhalb von fünf Tagen eine fremde Sprache, nämlich Taglog, zu lernen. 

Blickt man hinter den aufwändigen Schnitt der Episode, so erkennt man, dass ihm das nicht wirklich gelungen ist. Ein paar Tricks angewandt auf ein paar Tage reichen nicht aus, um ein natürlich gewachsenes Kommunikationsmittel auf ein Gehirn zu pressen. Sprachenlernen funktioniert nicht darüber, mit ein paar Tricks Wortgruppen auswendig zu lernen und sie irgendwo durch kreative Bildchen zu verankern. Eine Sprache ist eine eigene Welt und muss als eigene Welt gelebt werden. Ich glaube sein Vorhaben ist so ähnlich absurd, wie Deutschland in fünf Tagen zu erkunden und es dann zu kennen. Nein, da helfen uns Gedächtnistricks auch nichts. Es kommt auf eine langfristige Strategie an und vor allem auf Zeit.

Zweitens, ebenso suspekt sind mir eben diese Gedächtnistricks. Natürlich können wir uns Dinge mit verschiedenen Routentricks gut merken. Unser Gehirn speichert Umgebungen in einer Art neuronalen Kopie, daher können wir vermittels von Routen wirklich sehr gut, Fakten einprägen. Aber hier liegt der Fehler: Was hat denn das zufällige Ablegen von Fakten auf einer Route mit dem Erlernen einer komplexen Fähigkeit zu tun? Wer zum Beispiel Medizin studiert, will Knochen nicht irgendwo in einem imaginieren Palast ablegen. Das hilft vielleicht dabei Prüfer auszutricksen. Aber beim wirklichen Lernen will er will aus komplexen Symptomen Schlüsse ziehen können. Das aber heißt Intuitionen erwerben und das passiert nicht beim Memorieren von einzelnen Daten, sondern bei der Auseinandersetzung mit den Daten im Detail. Die Daten müssen bei einer komplexen Fähigkeit direkt vorliegen, wie in einem Random-Acess-Memory. Dieses Memorieren aber muss anders erfolgen. Es geht vor allem darum den Lernstoff zu Leben und nicht Zirkustricks zu erwerben. Das zu Erlernende muss gelebt werden, zugleich auch immer wieder analytisch untersucht werden. Sich eine Zahl wie Pi auf viele Stellen hinter dem Komma merken zu können, ruft vielleicht Erstaunen (Mein Artikel zum Gedächtnispalast) hervor, mehr aber auch nicht. Ich glaube allerdings wir brauchen heute derlei Gedächtnispaläste nicht mehr, denn es ist doch so, dass Erlerntes eher eine zweite Natur sein soll, als dass man irgendwo in der Erinnerungskiste kramt und in irgenwelchen Gedächtnispalästen endlos spaziert. Wer zum Beispiel ein Gespräch führt, der erinnert sich nicht an Worte, sondern die Worte sind Teil der Aktivität.

Drittens: Abgesehen von diesen Spielereien gibt es Angebote, die nicht nur Zeit nehmen, sondern tatsächlich auch schaden. Hierzu zähle ich die Speedreader. Dort verspricht man schnelleres Lesen durch die Reduktion von Subvokalisation und Vermeidung von Regression zu erzielen. Ich hingegen glaube (und dabei bin ich nicht allein, denn die Michelmanns, führende Experten in diesem Bereich, vertreten dieselbe Auffassung), dass diese Angebote unsere Lesefähigkeit beschädigen.


Norman Schultz: Zu dem Problem mit dem Schnellleseaneboten kommen wir in einem späteren Teil noch. Im Folgenden haben wir uns erlaubt ein beliebiges Beispiel zu erwähnen, um die Oberflächlichkeit der angebotenen Versprechen zu demonstrieren. Hierbei handelt es sich um kein direkt kommerzielles Produkt. Bei folgendem Video, das es bei Google immerhin nach ganz oben in der Trefferliste schafft, lässt sich sehr gut erkennen, wie im Grunde die meisten Internetvideos nur ein paar Ratschläge zusammenklamüsern, aber keine Diskussion entfalten, keine Systematik entwickeln und somit keinen wirklichen Nutzen haben und auch nicht als Wissen zu bezeichnen sind.
Warum jedoch ist das ausgewählte Video so hoch im Google-Index? Es werden bestimmte Keywords so hergestellt, Backlinks so generiert, dass nach und nach Google den Inhalt als relevant bestimmt. Mit tatsächlicher Qualität hat das nicht viel zu tun. Und hier sei auch in einem Seitenhieb bemerkt, die gesamten TED-Konferenzen, die vielleicht von der Qualität her besser sein mögen als dieses Video dort, sie sind nicht mehr als Sesamstraße für Erwachsene. Warum Infotainment wenig mit Bildung zu tun hat, besprechen wir ebenfalls in späteren Abschnitten, aber es sollte klar sein, dass so wie Kinder das Alphabet nicht mit der Sesamstraße lernen, wir eben auch nicht viel lernen, wenn wir noch so viele Videos über Mathematik oder Physik konsumieren. Gleiches gilt für diese Lernvideos auf Youtube: Ohne Systematizität bleiben sie wirkungslos.
Und noch eines sei hinzugefügt: Viele glauben ja daran, dass die Bildungsrevolution gerade mit diesen Videos stattfinden würde. Diese Revolution wurde allerdings schon früher mit dem Radio und Fernsehen angekündigt. Gekommen ist sie jedoch nicht. Wir sitzen immer noch in Klassenzimmern und versuchen komplexe Fähigkeiten in diesen merkwürdigen Verbänden zu erwerben. Vielleicht hat es ja doch irgendwo einen Sinn? Auch dies werden wir am Ende unserer Gespräche weiter herauskristallisieren.
Im Gegensatz ist der Bildungsporno so etwas wie 3sat und Arte zu schauen. Wie aber Meulemann schon 2000 feststellte, ist der Konsum dieser Sender bei Gebildeten und Ungebildeten anteilig gleich niedrig. Man könnte auch sagen, Gebildete schauen nicht mehr Arte oder 3Sat, sondern im Schnitt den Gleichen Unterhaltungsmist und auch die „Dummen“ bleiben entgegen der Vermutung so einiger Bildungsbürger oft auf 3 Satz oder Arte hängen. Diese Gleichverteilung liegt schlicht daran, dass das Medium „Fernsehen“ ungeeignet ist, um zu lernen. Bildung und Lernen passiert in anderen Medien, die wesentlich subtiler sind und so zeigt Meulemann auch, dass Gebildete nicht etwa Fernsehen schauen, sondern zur politischen Meinungsbildung auf andere Medien wie Zeitung oder Bücher zurückgreifen (siehe Artikel dazu hier). In anderen Worten, wirkliche Bildung finden nicht mit passiven Medien statt. Der Konsum ist nie das richtige Mittel, sondern produziert nur ein paar vage Meinungen. Mit Bildung meinen Herr Darrenhofer und Ich daher vor allem eine aktive Variante und dieses wollen wir im Hinblick auf soziales Lernen ausbuchstabieren.Quelle: Meulemann, Heiner. Medienkonkurrenz – Wandel und Konstanz der Nutzung der tagesaktuellen Medien in Deutschland 1964-2000 In: Aretz, Hans-Jürgen / Lahusen, Christian. Die Ordnung der Gesellschaft – Festschrift zum 60. Geburtstag von Richard Münch 2005
Bevor wir aber alles vorweg nehmen, hier zunächst ein Video, an dem sich die Nutzlosigkeit von Lernratgebern sehr gut demonstrieren lässt:
 

Zusammengefasst:

  • Lern-Inhalte auf Karteikarten! Solltest du auf jeden Fall immer und überall einsetzen! Warum? Hm…
  • Male die ein paar bunte Mindmaps! Mindmaps sind nämlich überzeugend!
  • Lerne mit alten Prüfungen. Vielleicht nicht falsch, aber was nun?
  • Mach doch mal ein bisschen Zeitmanagement. Zeitmanagement ist schließlich für alle gut.
  • Zu guter letzt, mach doch eine Lerngruppe auf. 

Emil Darrenhofer: Sicher sind die Lerntipps nicht falsch. Ich glaube nicht, dass sie uns schaden, aber es mangelt an wesentlicher Begründung, warum es bei der Dame offenbar funktioniert und bei anderen nicht. So wie sich viele Menschen Sport vornehmen, so nehmen sich viele etwa auch Zeitmanagement vor.

Norman Schultz: Ich stimme zu: Viele schreiben Karteikarten und doch versagen sie, so wie ich in der Schule. Im Vergleich heißt es jedoch bei Wikipedia schon prägnant:

Wie die Lehrmethoden und die Didaktik sollten die gewählten Lernmethoden auf den Erkenntnissen der Lernpsychologie bzw. der Pädagogischen Psychologie aufbauen, um möglichst erfolgreich zu sein.[1] Dies bedeutet, dass effektives Lernen eines längerfristigen systematischen Aufbaus bedarf.
Emil Darrenhofer: Ja, das ist richtig. Diese Beurteilung kann allerdings zumeist von den Könnern nicht hergestellt werden. Sie geben ein paar Tipps aus der Trickkiste, die bei Ihnen auch häufig zur Anwendung kommen, aber das heißt nicht, dass sie bei anderen wirken oder eben das Wesentliche am Lernen sind.
Norman Schultz: In meiner Doktorarbeit versuche ich zu zeigen, dass der wesentliche Punkt der Wissensgenerierung nicht in dem beliebigen Zusammentragen von Punkten und Informationen besteht, auch natürlich nicht im Erlernen von einzelnen Daten, sondern im systematischen Aufbau. Eine systematische Struktur ergibt sich jedoch nicht einfach aus bereits bekannten Algorithmen (zu Algorithmen zähle ich Karteikartentechniken oder andere erworbene Lernkompetenzen, die wir häufig anwenden. Unter ganz besonderen Umständen können diese Algorithmen natürlich hilfreich sein. Das Problem ist aber, dass sie nicht immer funktionieren). Der systematische Aufbau des Lernens muss sich im Gegensatz nicht an Algorithmen orientieren, sondern mit einer Strategie erfolgen. Das heißt, die meisten Lernprobleme sind nicht mit konkreten Lerntechniken zu bewältigen, so wie beispielsweise, wenn du A willst, dann musst du genau B tun. Es sind keine hypothetischen Imperative der praktischen Klugheit, wie Kant es sehen würde und wofür wir häufig das nichtssagende Beispiel bemühen: Wenn du Klavier spielen lernen willst, dann musst du Üben.

Ich möchte den praktischen Imperativ anders formulieren! Es gibt bei einer systematischen Struktur nicht die Allgemeine Anweisung, die überall funktioniert. Stattdessen ist eher so zu denken, wenn du A willst, dann musst du tun, was aus den gegebenen Umständen am Ehesten zu A führt. Diese Umwandlung bezeichnet ein eher strategisches Vorgehen, was sich nicht aus Plausibilitätsschlüssen ergibt (die deduktiv sind), sondern induktiv verfährt. Es gibt keine eindeutigen Resultate, sondern ist konfus

Faces-nevit

Der Schatten des Sozialen - By Nevit Dilmen (Inkscape), via Wikimedia Commons

Statistik kann hier sehr gut helfen, das heißt ich versuche mich irgendwie an Daten meines Lernens zu orientieren und dann im Hinblick auf diese Daten Ableitungen zu erzielen. Die Frage ist daher wie Lernerfolge generiert werden, und dabei heißt es auf oben genannte Tipps erstmal zu verzichten, bevor man sich darauf versteift. Strategisches Lernen wird dann zu einer Frage des Sozialen…
Emil Darrenhofer: Ich stimme zu. Wir dürfen eben nicht denken, dass es eine präzise Anweisung gibt, die es genau zu befolgen gilt. Wir verlangen zum Beispiel häufig von der Medizin, dass sie genau und präzise heilt, aber das, was Mediziner tun, entspricht eher einem strategischem Vorgehen, wobei der Erfolg niemals genau gesichert ist. Ihre Ausführungen zum System sind natürlich sehr kurz, aber ich möchte wesentlich auch den letzten Punkt betonen, nämlich dass Lernprozesse vor allem sozial gestaltet sein müssen. Sie müssen sozial sein, weil sie nicht taktisch angegangen sein wollen, das heißt aus der Perspektive des Einzelnen mit seinem endlichen Wissen. Es geht nämlich nicht um die isolierten Techniken, wie zum Beispiel mit Karteikarten zu arbeiten, zu unterstreichen oder um angebliche Lerntypen (warum die Theorie von den Lerntypen Unfug ist, habe ich bereits hier dargelegt). Im Gegensatz geht es um langfristige Planung, die tatsächlich im sozialen Rahmen stattfindet. Strategien entwickeln Menschen, die zusammen verschiedene Ansätze finden, weil die schiere Anzahl an taktischen Varianten zu groß ist.
Aus diesem Grund muss Schule auch versagen, insofern das Erlernte sozial nicht weiter umgesetzt werden kann. Zwar strukturiert die Schule Lernprozesse abstrakt systematisch, überlässt aber zumeist die soziale Arbeit den Schülern selbst, wobei dann einige natürlich im familiären Umfeld nicht die nötige Unterstützung finden, die aber zum wirklichen Erlernen der Inhalte notwendig ist. Einige haben Glück und finden in interessierten Freundeskreisen Vertiefung des Lernstoffs, andere versumpfen in Diskussionen über Pop-Kultur. Ein Gestus unsere Aufmerksamkeitsverteilung: Stars bestechen durch ähnliche Ungelerntheit, weil Jugendliche nicht nur Lehrer suchen, sondern zunächst Bestätigung. Die Starkultur ist eine Bestätigung unserer Trägheit, ein Kosmos der Durchschnittlichkeit in jeglicher Hinsicht. Das Soziale aber kann auch potentierend wirken: Wir profitieren hier von den Erfahrungen anderer, wenn wir nicht alle taktischen Varianten durchspielen müssen. Deswegen erfindet niemand die gesamte Mathematik aus einem ursprünglichen Genius heraus, deshalb steht Entwicklung immer in der Geschichte. Geschichte ist das treibende Moment unserer Bildung, und Geschichte ist der soziale Horizont unserer Gegenwart.
Norman Schultz: Vielleicht können wir es erstmal bis hierher auf den Punkt bringen: Worauf kommt es im Lernen an?
Emil Darrenhofer: Um Einiges vorweg zu nehmen: Am besten wäre natürlich eine Art Personal Trainer wie im Sport. In bestimmten Mannschaftssportarten holen sie dich einfach ab und du wirst auf einem gemeinsamen Weg zur Elite geformt. Die Hollywoodstars engagieren sich Körpermacher. Es ist natürlich finanziell schwierig, derart zu arbeiten. Es ist aber wichtig, dass wir in diesem Sinne Schulen nicht nur als Institutionen verstehen, die uns lehren, sondern die auch das richtige soziale Umfeld schaffen und dies unterschätzen die Meisten. Ich denke wir müssen darauf nochmals später separat eingehen. Es ist aber auch ein zweiter Punkt zu beachten: Lernen geschieht vorrangig im Sozialen, weil Wissen etwas Soziales ist. Um das aber zu verstehen, sollten wir vielleicht doch noch ein paar Dinge zur Frage der Systematizität erörtern. Zur systematischen Ausbildung im Fußball haben Sie ja zum Beispiel einige Anknüpfungspunkte gemacht.
Norman Schultz: Das ist richtig, bevor wir aber zur Diskussion der Fußballausbildung vielleicht, möchte ich erst von der wissenstheoretischen Perspektive her andeuten, warum Systematizität, Wissen und Soziales zusammenhängen.
Emil Darrenhofer: Ja das wäre wohl sinnvoll.
Norman Schultz: Bei der Philosophie geht es um die Hauptfrage, was eigentlich Wahrheit ist oder besser: Was macht verschiedene Sätze eigentlich wahr? Dabei wurden verschiedene Lösungen innerhalb der Geschichte vorgeschlagen, die alle samt zu einem Problem führten, nämlich der komplizierteren Metafrage: Was macht eigentlich die vorgeschlagenen Lösungen zur Wahrheit wahr? Russel musste schmerzlich erfahren, dass das Meta-Problem zumindest nicht mathematisch lösbar ist. Dennoch haben wir Fortschritte erzielt: Wir gehen so zum Beispiel schon lange nicht mehr davon aus, dass da draußen so etwas wie plumpe Materie herumwabert, die wir schlicht in Beschreibungssätzen ausweisen. Stattdessen hat sich die Philosophie die Aufgabe in einem System zurecht gelegt, was dann eigentlich einen Holismus beschreibt oder besser gesagt und worüber der Homöopath womöglich vor Freude strahlen wird: Es geht um die Frage nach dem Ganzen, Ganzheitlichkeit. Die Frage nach dem da draußen, ist nicht unabhängig von dem Fragenden und seinem Gefragten zu beschreiben. Erst hieraus ergibt sich das Befragte. Die Philosophie ist nicht die Wissenschaft von einem einzelnen Ding, sondern tatsächlich vom Ganzen, nicht von der Beschreibung des Dings dort drüben, sondern von seiner Einflechtung in das Gesamte des Kosmos. Für mich war es so zum Beispiel immer faszinierend, dass wenn ich hier auf der Erde einen Stuhl um einen Zentimeter verrücke, sich diese Ortsveränderung noch relativ auf Lichtjahre entfernte Galaxien auswirkt. Ich möchte sagen, dass schneller als mit der Geschwindigkeit des Lichts, das gesamte Universum bis in den letzten Winkel eine andere Relation ausweist, nur weil ich hier einen Stuhl woanders hinstelle. Dieses vielleicht simultane Ganze, das schneller als Licht zusammenhängt, kann meines Erachtens nicht mit deskriptiven Begriffen erfasst werden, sondern muss theoretisch verschieden vorausgesetzt werden, um Fortschritte in der Beschreibung dieses Stuhls zu erzielen. Die Beziehung von Einzeldaten zu einem größeren Ganzen ohne dieses größere Ganze starr festzulegen, nenne ich Systematizität und ich möchte sagen, dass dies auch strategisches Wissen beschreibt, weil wir das Ganze niemals als solches Erkennen, es aber voraussetzen um Lösungen zu erreichen.
Emil Darrenhofer: Und was hat das mit Lernen zu tun?
Lightmatter chimp thinker

Von der Taktik zur Strategie: By By Aaron Logan (from http://www.lightmatter.net/gallery/albums.php) CC BY 1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/1.0), via Wikimedia Commons

Norman Schultz: Nun, wenn ich zum Beispiel Schach lerne, so weiß ich nicht, was der beste Zug ist, aber ich kann lernen, wie ich im Hinblick auf ein Ziel gute Züge finde.  Ist zum Beispiel mein Ziel eine Figur zu gewinnen, so kann ich nach taktischen Varianten suchen und werde sehr konkrete Gründe finden. Das ist sehr einfach und viele machen ja Taktikaufgaben bis zum Umfallen. Ist aber mein Ziel in der Ausgangssituation irgendwann den König matt zu setzen, dann gibt es schlicht zu viele Möglichkeiten, um diese Aufgabe taktisch zu bearbeiten. Ich muss dann strategisch vorgehen und die Züge machen, die unter den gegeben Umständen das angestrebte Ziel wahrscheinlicher machen. Hier gibt es kein abschließbares System. Schach hat nach gegenwärtigen Schätzungen 10 hoch 50 Varianten. Zuviel um dies mit Computern endgültig auszurechnen, auch nicht in den nächsten Jahrzehnten, auch nicht bei einer enormen und überoptimistischen Steigerung der Rechenleistung. Bei superkomplexen Problemen gibt es aufgrund unserer Rechenbeschränkung keine eindeutigen Lösungen, sondern wir brauchen die richtige Strategie. Strategien aber zu entwickeln ist eine Frage der Wahl des Systems und die Wahl des Systems eine Frage des gegenwärtigen Sozialen Umfelds.
Emil Darrenhofer: Warum aber des sozialen Umfelds?
Norman Schultz: Bleiben wir beim Schach. Wenn ich mit dem Königsbauern eröffne hat der Gegner eine Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten. Je nach Reaktion muss ich mein System verändern, denn die Stellungen verändern sich schnell in ihrer Charakteristik. Nun ist es so, dass sich Schach immer noch historisch entwickelt. Bestimmte Systeme galten vor Zehn Jahren als unknackbar, wie zum Beispiel die Berliner Mauer, eine Variante mit der Kramnik seinen Weltmeistertitel gegen Kasparov erringen konnte. Kürzlich aber zeichnet sich ab, dass Großmeister mit der Berliner Mauer beginnen, zu verlieren.
Emil Darrenhofer: Warum ist das der Fall?
Norman Schultz: Das „Warum“ ist hier schwer zu ergründen, weil wir die Varianten nicht letztgültig bestimmen können. Ich vermute, dass Großmeister nun einen anderen strategischen Plan verfolgen, der Schwächen dieser Verteidigung offenbart. Die Frage also, ob eine Schachvariante richtig oder falsch ist, hängt vom sozialen Umfeld ab. Dies vor allem, weil die genauen Berechnungen aller taktischen Varianten zu groß sind. Ob letztlich die Berliner Mauer Teil einer idealen Schachpartie ist, das heißt einer Schachpartie, wo wir immer nur die besten Züge machen, dass lässt sich nicht einmal mit Computern ergründen. Gehen wir nun vom doch recht begrenzten Schachfeld weg und schauen in die Realität, so müssen wir sagen, dass womöglich strategisches Verhalten für unsere Welt noch wichtiger ist als auf dem Schachfeld. Wir müssen eher flexibel auf neue Anforderungen reagieren und brauchen nicht nur ein System oder noch schlimmer eine Ansammlung von Taktiken, sondern Systematizität. So wie ich im Schach auf neue Stellungen mit verschiedenen, analytischen Mitteln kreativ reagieren muss, eine neue Methode entwickeln muss, so gilt dies eben auch für das Lernen. Das heißt nun nicht, dass wir uns von allen Prinzipien verabschieden. Auf Prinzipien basiert unser Wissen, aber wir erlangen kein System, sondern wir verhalten uns nur noch systematisch, indem wir wieder neue Strategien aufbauen und unter anderen Umständen alte Prinzipien sein lassen und neue auf Grundlage der Überwindung der Alten entwickeln.

Emil Darrenhofer: Deswegen ist beispielsweise auch die Karteikartentechnik nicht unbedingt falsch. Wichtig aber ist, schnell die Grenzen zu erkennen und sein eigenes Lernsystem weiter zu entwickeln. Mit der Abhängigkeit von der Umfeldentwicklung sehe ich hier natürlich eine Parallele zum Fußball, wenn ich hier überleiten darf.

Norman Schultz: Natürlich sehen wir am Fußball ähnliche Momente. Während bestimmte Spieleigenschaften vor 10 Jahren noch als das höchste spielerische Können galten, so werden sie heute nur noch selten eingesetzt. Damit beschäftige ich mich allerdings weniger. Auch der Einsatz der Statistik wird ja bereits vielfach diskutiert. In Dänemark setzt sich das gerade in der Meisterschaft durch. Auf der anderen Seite entwickelt der Fußballtrainer Yurii Demydenko (empfehlenswerter Artikel zur Entwicklung eines neuartigen Fußballtrainings) ein sehr interessantes Intensivtraining, das auf eine sehr enge Betreuung des Fußballers setzt, wobei bei hoher Repititionsrate verschiedene, relevante Situationen durchexerziert werden. Dies ist ebenso beim dänischen Club FC Midtjylland und ihrem Freistoßtraining der Fall. Freistöße werden durch präziseres Training immer besser. Ohne hier aber auf die konkreten Details einzugehen, die in beiden Artikel wirklich sehr gut besprochen werden, wichtig ist: Die Orientierung an Resultaten kann nur durch gute Trainer erreicht werden. Der Einzelne Lerner steht da auf sehr verlorenem Posten und lernt seine Intuitionen eher ungelenkt, wenn er nicht die richtige Betreuung erfährt. Hier zeigt sich die Bedeutung des sozialen Umfelds: Geht es um Strategien können wir uns nicht mehr auf unsere Denkkraft, nämlich taktische Situationen durch Rechenkraft zu beherrschen, verlassen. Wir brauchen hingegen eine Art Stütze, die uns die richtigen Intutionen lehrt und uns notfalls korrigiert. Dieses komplexe strategische Wissen ist im Geist des Sozialen gespeichert und kann dort auch erreicht werden, aber auch nur dann, wenn sich dieses soziale Umfeld nicht auf ein System versteift, sondern Systematizität als Grundlage hat. Ich denke, dass wir das bei Herr Yurri Demydenko oder auch beim FC Midtylland sehr gut beobachten können, denn sie lassen sich nur von den Daten lenken, die sie anhand von vorläufiger Systemprämissen interpretieren, aber auch ständig erweitern. Ich kann nicht umhin als gerade das als wissenschaftlich zu bezeichnen.
Dies war der erste Teil und es folgen drei Weitere. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+. oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Wenn ihr wirklich keine Beiträge verpassen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an).  Ein RSS-Feed für die progressiven Internetnutzer ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.Norman Schultz, Mai 2015, Pittsburgh
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Was bringt Meditation fürs Lernen und wie können wir es in den Alltag schnell integrieren?

In diesem Artikel geht es darum, wie uns Meditation hilft, stabiler, konzentriert und erfolgreicher zu werden, darum, wie uns Meditation glücklich macht. Dafür konzentrieren wir uns erst einmal auf die Fakten, bevor wir zu nützlichen Tools kommen, wie wir Meditation erlernen können und ich von meinen Erfahrungen mit verschiedenen Meditationen berichtige.

I. Fakten zur Meditation:

a) Kurz zusammengefasst:

1) Meditation erhöht Selbstbewusstheit, Mitgefühl und Introspektion
2) Verbessert die Konzentrationsfähigkeit
3) Erhöht die Erinnerungsfähigkeit
4) Liefert im Vergleich zu anderen Entspannungsübungen höheres Konfliktlösungspotenzial
5) Meditation verzögert das Altern

1 und 4 wirken sich beide auf den sozialen Erfolg, 2 und 3 auf den beruflichen Erfolg aus. 5 hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Diese drei Säulen, Soziales, Berufliches und Gesundheit sind essentiell für das menschliche Wohlbefinden.
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Konklusion: Meditation macht glücklich. 

6) Dies bestätigt auch eine weitere Studie, die einen Zusammenhang zwischen Glück und Meditation untersuchte und bedeutende Effekte daraufhin feststellte.

b) Die Fakten im Einzelnen

1) Veränderung der Gehirnstruktur, mehr Mitgefühl und Selbstbewusstheit

Bereits 27 Minuten Meditation pro Tag in 8 Wochen reichen aus, um bereits ein starkes Wachstum in der Dichte der grauen Substanz im Hyppocampus hervorzurufen. Dies ist der Teil des Gehirns, der für Selbstbewusstheit, Mitgefühl und Introspektion zuständig ist. Darüber hinaus haben die Teilnehmer der Studie über Reduzierung von Stress berichtet, wobei eben die Dichte der Grauen Masse in der Amygdala eine bedeutende Rolle spiele. Auch hier haben kleine Übungen wiederum große Wirkung. (Hölzel, (2011): Mindfulness practice leads to increases in regional brain gray matter density. Psychiatry Research: Neuroimaging, 191, 36-42. Verweis aus: http://www.nmr.mgh.harvard.edu/~britta/SdF_2011_01_32_33.pdf

2) Verbesserung der Konzentration

In einer weiteren Studie wurden die Probanden in zwei Gruppen geteilt. Gruppe A hörte ein Hörbuch, während Gruppe B in der gleichen Zeit meditierte. Nach nur 4 Tagen wurde ausgewertet:

„Die Meditationsgruppe schnitt in allen kognitiven Tests deutlich besser ab als die Hörbuchgruppe. Stimmungslage, die Gedächtnisleistung, die visuelle Aufmerksamkeit die räumlich-visuelle Wahrnehmung und die Konzentrationsfähigkeit waren allesamt deutlich höher als in der Kontrollgruppe.“ http://www.sein.de/news/2010/april/meditieren-verbessert-kognitive-faehigkeiten.htmlhttp://phys.org/news/2011-01-mindfulness-meditation-brain-weeks.html

Meditation hat also deutliche Effekte für die kognitive Leistung. Diesen Zusammenhang bestätigt auch folgende Studie.

3) Bessere Erinnerung

Vorbeugende Wirkung im Hinblick auf den Arbeitsspeicher des Gehirns konnte diese Studie bestätigen. Darüber hinaus zeige diese Studie, dass Meditation dazu führt, dass sich der Arbeitsspeicher durch die bessere Fähigkeit, sich zu konzentrieren, erhöht als auch, dass die Teilnehmer in GRE-Examina im Hinblick auf das Textverständnis besser abschnitten.
4) Der Vorteil von Meditation im Vergleich zu reinen Entspannungsübungen

Meditation führt zu höherem Konfliktlösungspotential, was sich natürlich auch auf den sozialen Erfolg auswirken dürfte, so heißt es in folgender Studie:

„In einem vorderen Teil der Hirnrinde habe sich nach dem Meditationstraining die Isolierung der Nervenzellfortsätze (Axone) deutlich verbessert, was zu einer schnelleren Durchleitung von Signalen führe. Der sogenannte anteriore cinguläre Cortex wird allgemein mit der Kontrolle von Wahrnehmung und Emotionen in Verbindung gebracht sowie mit der Fähigkeit, Konflikte zu lösen.“http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/hirnforschung-meditation-verbessert-nerven-a-838296.html, http://www.pnas.org/content/109/26/10570.abstract

Ich frage mich hier allerdings, was die schnellere Durchleitung von Signalenbedeutet.

5) Auswirkung der Meditation auf das Altern

Folgende Studie bestätigt eine Vermutung, dass sich Meditation positiv auf das Altern auswirkt (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23918953)

„We already know that psychosocial interventions like mindfulness meditation will help you feel better mentally, but now for the first time we have evidence that they can also influence key aspects of your biology,“ (http://www.huffingtonpost.com/2014/11/05/mindfulness-meditation-cancer_n_6101130.html)

In der Studie wurden 88 Brustkrebsüberlebende untersucht, wobei der Abschluss der Behandlung 3 Monate zurückliegt und die älter als 55 sind. Der emotionale Stress aller Teilnehmerinnen war natürlich signifikant.

Eine Gruppe praktizierte Achtsamkeitsmeditation (sie besuchten 90 Minutensitzungen) und machten leichtes Yoga und praktizierten Meditation 45 Minuten jeden Tag. Die Kontrollgruppe hingegen nahm an Selbsthilfegruppen teil, während die anderen ein 6 stündiges Seminar zur Stressreduktion (durch)-machten.

Nach nur wenigen Wochen zeigte sich bereits, dass sich die Telomere in der Meditationsgruppe nicht verkürzt hatten. Telomere, soweit ich das verstanden habe, sind für die Reparatur von Zellen nötig (Quelle).

Ich unterhielt mich hierüber mit einem Neurologen auf einem Flug von Pittsburgh nach Miami und er erklärte mir, dass er im Hinblick auf diese Studie weiter recherchiert hätte, demnach wäre mittlerweile klar, dass durch Meditation bestimmte Hormonregelkreise wirkten, die auf Alterungsprozesse direkt Einfluss nähmen.

Der Pazifik als Therapeut

 

6) Glück und Meditation

Das wichtigste an aller Selbststeigerung ist, dass wir damit ein glücklicheres Leben führen. Aristoteles wusste schon, dass die kurzfristige Befriedigung sich langfristig nicht auszahlt, Meditation aber ist Beschäftigung mit dem Ewigen und macht uns letztlich glücklich am Ewigen, da sie das momentane, kurzfristige Glück übersteigt. Studien zeigen, wie sehr sich Meditation langfristig auf das Wohlbefinden des Menschen auswirkt.

“Results showed that the significant association between duration of regular meditation practice and psychological wellbeing was completely accounted for by a combination of mindfulness and self-compassion scores”Baer, R. A., E. L. B. Lykins, et al. (2012). “Mindfulness and self-compassion as predictors of psychological wellbeing in long-term meditators and matched nonmeditators.” Journal of Positive Psychology 7(3): 230-238. zitiert nach: http://bidushi.com/link-happiness-meditation/

Vielleicht aber ist dieses Glück anders als sich das die Durchschnittskonsumenten meiner Generation vorstellen. Es ist schwer vergleichbar mit den Ekstasen unserer Wohlstandsfeiern. Es ist ruhiger und daher schwerer zu erlernen als die Entspannungsrituale moderner Glücksritter.

II. Worum geht es bei Meditation?

Bei den Meditationen kommen zwei Mechanismen zum Tragen:

1) Wir müssen zurück in das Hier und Jetzt und uns nicht mit den vielen Wenns auseinandersetzen. Bei mir ist es zumeist so als wäre so eine Gedankenautobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung durch meinen Kopf gelegt und da kann natürlich niemand ruhig nachts schlafen. Es ist als würde ein Affe die Käfigwände hoch hangeln und wild schreien. Bei der Meditation lerne ich, solche Gedanken schlicht vorbeiziehen zu lassen und Tiefs schnell zu identifizieren und zu beseitigen. Das nennt sich dann womöglich am Ende emotionale Reife. Da bin ich natürlich noch nicht.

2) In einem zweiten Schritt wird dann der Fokus gesetzt. Wir können uns vorstellen, was das für den Alltag bedeutet, wenn wir uns konkret und schnell fokussieren können. Aber natürlich müssen wir das erst lernen und Meditation lehrt uns zunächst wie wir ein emotionales Gleichgewicht erreichen, indem wir uns ganz konkret … warte, was wollte ich gerade sagen?

Ja, Fokus hat was mit Glück im Leben und einem intensiv gelebten Leben zu tun. Kontentrationsfähigkeit bedeutet nicht im Pendel der Emotionen zu schwingen, sondern mit sich als EINEM Menschen zu leben. Wir sollen nur einen Gedanken gleichzeitig haben (Quelle: http://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/alternativmedizin/tid-28097/meditation-veraendert-hirnstrukturen-acht-fakten-zur-meditation—–_aid_859450.html

III. Werkzeuge zur Unterstützung der Meditation?

Bei den meisten funktioniert Meditation natürlich nicht sofort, sondern es ist eine Technik, die auch erst erlernt sein will und wie schon Platon über das vielköpfige Biest in uns wusste: Wir müssen es zähmen.

Wie also erlernen wir Meditation? Es kommt wie so oft wieder auf die Übung an. Mikrogewohnheiten sind hier wohl angebracht, das heißt, die Veränderung im Leben sehr langsam zu forcieren, um nicht ein gänzlichen Abbruch zu riskieren. Ich erinnere hierbei an Gerhard Roths Aussage zur Veränderung des Gehirns:

„In der menschlichen Entwicklung gibt es alles, nur eines nicht: Dass ich mir vornehme, mich zu bessern, und von Stund an ein besserer Mensch bin. Wenn ich mich wirklich bleibend ändern will, müssen vor allem die tieferen Schichten verändert werden.“ (Selbe Quelle)

Das bedeutet: Mikrogewohnheiten anwenden und das heißt: Erstmal ein paar Erfahrungen sammeln und mit ganz kleinen Übungen anfangen, die allerdings fest im Alltag verankert werden.

Meines Erachtens kann Meditation im Alltag zwar nicht häufig genug erfolgen, einfach weil sich dadurch ein emotionales Gleichgewicht einstellt, wodurch dann auch andere Aufgaben, sinnvoll erledigt werden können, leider aber sind wir oft unter Druck oder Prokrastinationszwang, deswegen müssen wir uns nach dem Prinzip der Mikrogewohnheiten einerseits erstmal Anker suchen, die die Tätigkeit fest in unserem Alltag verankern, zum zweiten müssen wirdie Hürde möglichst klein halten, und zum Dritten brauchen wir Motivationsgruppen, wenn wir uns selbst nicht genug sind. Dann wird sich die Veränderung nach und nach in unserem Gehirn verankern. Besprechen wir dies im Folgenden.

a) Meditation richtig motivieren

Falls www.meetup.com/ mittlerweile auch gut in Deutschland funktioniert, würde ich einfach mal schauen, ob es dort Meditationsgruppen gibt, zu denen man sich dazu gesellen kann. Meetup ist ein spezielles Werkzeug, wo sie Menschen mit gemeinsamen Interessen auf Treffpunkte einigen können und andere dazu stoßen können. Das Werkzeug funktioniert für Großstädte anscheinend ganz gut. Bei kleineren Städten wird es leider seltener genutzt. Gibt es andere solcher Werkzeuge in Deutschland? Dennoch lässt sich im Internet mit Sicherheit herausfinden, wo sich Meditationszentren in der Umgebung befinden.

Ansonsten würde ich Freunde einfach mit einspannen. Mit Kiril trage ich zum Beispiel jeden Abend in eine gemeinsame Google-Tabelle meine Meditationserfahrung ein, wobei wir dieses dann gegenseitig kommentieren. Da gibt es dann kaum Ausweichmöglichkeiten, das nicht zu machen und so korrigieren wir auch Fehler in unserer Praxis sehr schnell.

b) Mit dem Meditationsstirnband schon mal im Jenseits Bescheid sagen, dass ihr etwas später kommt

 

Am meisten reizt mich natürlich das Meditationsstirnband. Vor allem die Englischen Kommentare auf Amazon sind sehr euphorisch. Das Stirnband reagiert mit verschiedenen Settings auf den gegenwärtigen Fokus, misst die Gehirnwellen und bringt einen so Stück für Stück zurück auf den Boden des Selbst. Je häufiger das Stirnband genutzt wird, desto mehr Funktionen werden freigeschaltet, was natürlich auch zusätzlich motiviert.

Anstatt also unseren Charakter in diversen Rollenspielen wie World-Of-Warcraft aufzuleveln, gibt es hier die direkte Möglichkeit seinen tatsächlichen Charakter aufzuleveln.
Mit dem Stirnband verrennen wir uns also nicht mehr in irgendwelche falschen Annahmen, sondern werden bei unserem Lernprozess ständig korrigiert. Nur 5 Minuten am Tag Training mit dem Stirnband würden hierbei bereits enorm helfen und natürlich kann man natürlich auch den gesamten Tag meditieren.

Die finale Funktion des Bandes ist dann womöglich in einem Kirschblütensturm seinem Ende entgegen zu meditieren mit den Kirschblüten in der Nacht, in den Sternen zu verwehen.

Mit dem Stirnband aber fliegt ihr schon mal vor ins Jenseits und sagt Bescheid, dass ihr wohl ein bisschen später sterben werden, weil ja jetzt eure Telomere so wunderbar arbeiten.

c) Videos auf Youtube

Was mir ganz erheblich geholfen hat, waren folgende Videos. Zwar habe ich mit 18 angefangen mit Kiril zusammen Autogenes Training zu machen (Hier ein Artikel zu den Hintergründen vom autogenen Training und eine Kritik von mir), allerdings war das Autogene Training weniger hilfreich zunächst die Gedanken festzustellen und anzunehmen. Autogenes Training eignet sich meines Erachtens sehr in stressfreien Zeiten, um bestimmte Körperfunktionen schnell zu erlernen, ansonsten denke ich, dass Achtsamkeitsmeditation sinnvoller ist, weil es direkt einen Einstieg in die Stressreduzierung bietet.

Autogenes Training ist auf der anderen Seite frei von religiösem Verwirrspiel und konzentriert sich auf den Kern unseres seelischen Gleichgewichts, darüber hinaus werden die bestimmten Körperkontrollfunktionen zielstrebiger erlernt. Eine Kombination von Autogenem Training und Meditation bietet sich daher im Alltag an.

Für den Einstieg in die Meditation kann ich folgende Videos empfehlen:

Diese Meditationen sind und effektiv und haben keine ablenkende Musik, die nach einer gewissen Wiederholung auch dröge wird.

Für den Einstieg ins Autogene Training kann ich die Videos von meinem Skizzenblog empfehlen: http://autogenes-training-lernen.blogspot.de/2014/07/die-standardubungen-schwere-warme.html

d) Mikrogewohnheiten und Meditation

Ich verfahre nach dem Prinzip der Mikrogewohnheiten. Nach den Studien von Prof. Fogg bleiben derart erlernte Routinen länger erhalten. Die Technik der Mikrogewohnheit funktioniert hier in drei Schritten.

1. Die Zielstellung darf keine Hürde darstellen (zum Beispiel sollte das Ziel sein: 2 Liegestütze zu machen, wenn mann mehr Sport machen will). Dieses machen wir, damit wir nicht unterwegs an einem Motivationsschwachen Tag einfach aufgeben.

2. Die Mikrogewohnheit sollte an einen Anker gebunden sein (das kann eine bereits bestehende Routine wie zum Beispiel Zähne putzen oder nach Hause kommen sein. Direkt danach sollte die gewünschte Routine erfolgen)

3. Man sollte sich selbst dafür loben, um die Anwendung zukünftig weiter durchzuführen. Beim Selftalk hat sich übrigens gezeigt, dass man von sich in der zweiten Person reden sollte und dabei einen höheren Effekt erzielt, als würde man in der Ich-Form sprechen (hier ein paar Studien dazu von einem anderen Skizzenblog von mir).

Nach meiner Erfahrung konnte ich derart schon viele Mikrogewohnheiten im Alltag integrieren: Ich mache mittlerweile täglich 30 Minuten Sport, habe meinen kleinen Bauchansatz wegtrainiert und erfreue mich eines Six-Packs, stehe pünktlich um 7 auf, habe eine gute Morgenroutine, trinke gut Wasser (ja, ich weiß, man überlebt auch ohne Wasser. Das wird jetzt überall vertreten, allerdings vergessen die Leute, dass Wasser sehr positive Effekte für die Haut hat, um nur ein Beispiel zu nennen. Ein Artikel hierzu folgt von mir später). Nun gut, genug von meinen Mikrogewohnheiten.

Für meine Mikrogewohnheiten in Bezug auf die Meditation ist zunächst einmal die Frage: Wo ergeben sich Zeitspitzen, in denen eine Kurzmeditation möglich ist, die ich aber bei Einfachheit oder Lust auch ausdehnen kann? Denn eine Mikrogewohnheit sollte keine Hürde darstellen und möglichst an einen Alltagsanker gekettet sein. Dieses um den Start möglichst einzugewöhnen.  

Übrigens zieht das Argument, was häufig in Ratgebern zum Autogenen Training zu finden ist, für mich nicht: 

„Wenn sie keine Zeit für zweimal 10 Minuten am Tag haben, dann müssen sie dringend etwas ändern.“

 Das Argument ist Quatsch, weil alle Dinge im Alltag 10 Minuten einnehmen. Es ist schwierig, den Tag zu takten und bei dem häufigen Wunsch nach Entspannung, in denen man hin und wieder hineinprokrastiniert, tatsächlich 2 mal 10 Minuten zu finden.

Wegen dieser Probleme denken wir mal nach, wann es für mich sinnvoll wäre.

Zeiten für Meditation

Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, Mittagsschlaf zu machen (Studien hierzu werde ich in einem anderen Artikel raussuchen), oder aber vor dem Einschlafen und nach dem Aufstehen, weil sich so neue Konzepte besser einprägen. Hierzu wurde eine Studie durchgeführt, die in NATURE veröffentlicht wurde. Demnach konnten Probanden kreative Aufgaben wesentlich besser lösen, wenn sie vor dem Nachtschlaf, eine Einführung in das Problem erhielten und nach dem Schlaf mit dem Problem konfrontiert wurden. Sie lösten die Aufgaben dreimal besser als die Gruppen, die mit dem Problem morgens konfrontiert wurden und das Problem wieder am Abend angingen.

Da ich vor meinen Office Hours für die Studenten um 13:15 einen Mittagsschlaf mache, würde sich 13 Uhr eine Meditationsroutine anbieten. Dann mache ich um 10:15 eine 2 bis 10 Minuten Kurzmeditation bevor ich los zur Uni gehe, um 10:30 spiele ich noch 10 Minuten Klavier.

10:15 – 2 Min Kurzmeditation

13:15 – 2 Min Kurzmeditation

23:15 15 Min vor dem Einschlafen, als Einschlafroutine nach dem Lesen von Romanen (denn das macht uns ja auch ausgeglichener).

Meine Erfahrungen

Ich habe diese Mirkoroutinen bereits im Oktober ausprobiert. Wie gesagt Autogenes Training mache ich schon seit dem ich 18 bin als Einschlafroutine. Die Unterstufe gelingt mir ganz gut, aber ich bemerke, dass die Fokustechniken der Meditation einen schneller reinbringen, wenn man unausgeglichen ist. Der Oktober war ganz gut, allerdings haben einige Schicksalsschläge zu ungünstigen Unterbrechungen geführt, wobei ich mich bald durch die Meditationen im Alltag schnell stabilisieren konnte.

Ich quantiziere ja viel von meinem Alltag und kann sagen, dass Tage mit Meditation und Mittagsschlaf mein Glücksniveau in der Regel um 1 bis 2 Punkte verbessern. Es ist natürlich keine Sofort-Komplettlösung. Beim Flug von Miami nach Berlin schließlich, konnte ich mit der Meditation gut im Sitzen einschlafen und so den 10 Stunden Flug recht angenehm machen.

Der einäugige Prophet

Abschließend noch eine Geschichte von mir. Ich bin natürlich vorrangig Philosoph und beobachte immer mit einem kleinen Lächeln (denn jedes Lachen ist eine kleine Erleuchtung, wie ich heute gelernt habe) die begrifflichen Verrenkungen, die einige machen, um durch Meditation hindurch die Welt zu erklären. Ich denke allerdings, dass die Fragen nach dem Ewigen, die Fragen der Philosophie sind und nicht Fragen von Einfaltsreligionen, jedenfalls insofern wir die unsterblichen Fragen mit Begriffen beantworten wollen. Lasst euch nicht verwirren, soll das heißen. Viele reden nur und glauben, sie hätten Erkenntnisse aus innerem Glück erforscht, wenn sie zwei Meditationsseminare gemacht haben. Insofern wir aber das Innere verstehen wollen, sollten wir schweigen und Achtsamkeitsmeditation durchführen. Wollen wir Gesellschaften verändern und andere glücklich machen, sollten wir reden. Daher denke ich, dass alle, die hier etwas erklären wollen, lieber die Grenzen der Erkenntnis durch Begriffe studieren sollten und sich ansonsten lieber auf den Erfahrungskreis wahrer Meditation beschränken müssen.

Sollten wir etwas über den Sinn des Universums äußern wollen, dann vielleicht nur im Rahmen einer sehr gelassenen, skeptischen Grundposition. Das heißt für mich: Nein, nicht alles Leben ist Leid und nein nicht alles fließt oder schwingt. Dies sind Begriffe und die konzeptionellen Probleme mit solchen Begriffen zeigen sich, wenn wir sie in der Philosophie durcharbeiten. Deswegen lasst das dogmatisieren und freut euch einfach an der Meditation. Ich glaube übrigens wirklich dabei, dass die 2000 jährige Diziplin der Philosophie weiter gekomme ist als die Anfänge des Buddhismus oder Christentums. Und nun zur Geschichte:

Der einäugige Prophet stand am Meer und schaute weit hinaus, da kam ein barfüssiges Mädchen zu ihm und fragte:

„Was tust du?“

Der einäugige Prophet antwortete:

„Ich warte darauf, dass sich das Meer beruhigt.“

… und er blickte durch sein offenes Auge weit hinaus in die Wellen des Meeres und mit dem zugenähten Auge zurück in sich. Das barfüssige Mädchen setzte sich zu seinen Füßen und sie blickten hinaus zum Horizont, wo Wolken wie Gedankenzeit an ihnen vorbeizogen, sie sahen wie die Regenwände zu ihnen aufkamen und wie die Wellen aus der Ferne zu ihren Füßen heranrollten, sie sahen wie die Sonne zurückkam und wie sich das Wetter wie das Innere einer Seele aufhellte und verdunkelte. Darauf kam das Mädchen nun jeden Tag zum Propheten und brachte Speisen und Wasser. Am vierten Tag nach endloser Meditation aber fragte es:

„Und warum wartest du darauf, dass sich das Meer beruhigt?“

…und der Prophet antwortete:

„Wenn Meere sich beruhigen können, dann können es vielleicht auch die größeren Gewässer in dieser Welt.“

… „Die größeren Gewässer?“ fragte das Mädchen.

Der einäugige Prophet setzte sich und blickte mit dem zugenähten Auge in sich und mit dem offenen Auge noch weiter hinaus ins Meer: „Das größere Gewässer ist das Meer der Seelenseen und ich warte darauf, dass ich in seiner Ruhe tief auf seinen Grund sehen darf.“

Das barfüßige Mädchen fragte: „Kann denn vielleicht ein Mensch das Meer bändigen?“

Der einäugige Prophet schaute nochmals in sich und hinaus ins Meer und sagte: „Es ist ein Meer und deswegen muss sich vielleicht auch das äußere Meer beruhigen, bevor sich das Meer im Propheten beruhigen kann. Die Natur schlägt ihre Wellen auch in uns hinein.“

So sprach der einäugige Prophet und schaute unerfüllt weiter hinaus ins Meer. (vom einäugigen Propheten)

Weitere Videos

Noch anzumerken ist, dass ich die Videos von Hinnerk Polenski ganz interessant finde. Sicher finden sich hier weitere Anregungen:

In Neubrandenburg in einem glücklichen Sommer

Ich hoffe, der Artikel war informativ und interessant. Wenn ja, dann teilt ihn doch. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+. oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Wenn ihr wirklich keine Beiträge verpassen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an). Zukünftig werden noch ein paar andere Dinge hinsichtlich der Veränderung unserer Persönlichkeit kommen. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.

Norman Schultz

Neubrandenburg, Weihnachten 2014

(Titelbildnachweis: Mit der Ruhe von Planetenbahnen (wikicommons CC_BY_SA Author Tevaprapas Makklay)

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Macht Lesen intelligenter? Vom Wert des Lesens für die Intelligenz und für unser Leben sowie eine Kritik von Kehlmanns Roman „Ruhm“

Der Mann muss Zeit haben, denn der Mann liest Romane. Nein, auch keine Sachbücher, jawohl Romane. In der Doktorandenhängematte verschlingt er nun dicke Batzen. Der Arme! Gebt ihm doch stattdessen Arbeit!

Doch das Lesen hat neben meiner Doktorenfaulheit auch andere Gründe. In diesem Artikel erläutere ich, warum Lesen in den Alltag und gar in die Abendroutine eingearbeitet sein sollte und welche Effekte vor allem Lesen auf uns haben. Am Ende gehe ich auf meine Abendroutine ein, die mit dem Lesen verknüpft sein soll. Zudem diskutiere ich am Ende Kehlmanns Roman Ruhm. Ich werde mich jetzt wohl häufiger Romanen widmen. Mehr dazu am Ende.

Denkfehler: Sind Kinder, die lesen intelligenter oder lesen Intelligente mehr?

In „Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen“ beschreibt Rolf Dobelli einen Denkfehler, der uns im Alltag immer wieder befalle. Es heißt, Kinder aus intelligenten Familien lesen mehr Bücher. So gleich verweist der Autor jedoch darauf, dass dies ein Fehlschluss sei. Der Fehlschluss ist folgender: denn Kinder, die intelligenter seien, würden womöglich schlicht Bücher als Unterhaltungsmedium bevorzugen.

Soweit jedoch ist es nicht richtig, dass es sich um einen Fehlschluss handelt, sondern genauer handelt es sich um einen induktiven Schluss, der auf eine Beobachtung verweist, nämlich, dass Kinder aus intelligenten Familien mehr lesen. Die skeptische Bildung einer Gegenhypothese ist zwar korrekt, aber wir müssen vorher weiter untersuchen, bevor wir eine Schlussfolgerung anstellen. Hierbei kommen uns verschiedene, weitere Methoden zur Hilfe. In anderen Worten Rolf Dobelli gibt uns nur einen Anstoß zum kritischen Denken, verbleibt dann aber auf einer skeptischen Grundposition. In diesem Artikel entwickle ich weitere Argumente, dass Lesen unsere Intelligenz steigert und welche Effekte wir davon noch zu erwarten haben.

Kurz, die Effekte des Romanlesens

  • Schlafvorbereitung durch Entspannung beim Einfühlen in andere Personen
  • Ängste lösen
  • Erhöhung der Empathie
  • Erhöhung der verbalen Intelligenz
  • Allgemeine Persönlichkeitseffekte
  • Höhere Intelligenz
  • Vorbild für die eigenen Kinder
  • Ansammeln von Erlebnissen
  • Auseinandersetzung mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Themen aus der Innenperspektive
  • Glück!


Effekte des Lesen

Gut das sind viele Effekte, aber bringt es wirklich etwas? Nun es gibt da so einige Korrletationen: Vorlese-kinder zum Beispiel erzielen durchschnittlich einen besseren Notenschnitt als Nicht-Vorlese-Kinder (Studie Stern, Differenz von 0,4). Eine andere Studie von 2010 zeigt diesbezüglich auch, dass Schüler, die mehr lesen, generell bessere, geistige Kapazitäten haben, wobei interessanterweise dies auch bei Studienteilnehmern passierte, die mit ihren Eltern Filme schauten. Gleiches passierte jedoch nicht bei Kindern, die Fernsehen schauten. Ähnlich wie Romane verlangen Filme geistige Anstrengungen und Interpretation von uns, wobei die Anwesenheit von anderen, uns dazu bringt, die Filme auch wirklich empathisch nachzuvollziehen (Quelle: New York Times).

Dziewczynka z ElementarzemIn weiteren Auswertungen (Cunningham, Stanovich)  im Hinblick auf die Intelligenz von Lesern im Vergleich zu Nicht-lesern heißt es, dass Lesen  generell über das direkte Ziel hinausgeht. Zwar lesen wir zumeist kleine Passagen, die für uns einen direkten Wert haben, nämlich den Informationsgewinn, jedoch haben die Passagen darüber hinaus Einfluss auf unsere Wortgewandtheit und unser Empathievermögen. Weil zum Beispiel Romane 50 Prozent mehr Worte als Prime-Time-Shows haben, kommt es durch dieses bestimmte Freizeitverhalten dazu, dass Kinder aus lese-orientierten Familien, selbst bei minimalen Differenzen im Leseverhalten bald höhere verbale Kompetenzen akkumulieren.

Was zählt ist daher nicht, dass das Lesen einmal passiert, sondern dass es ein einstudiertes Freizeitverhalten ist. Wörter, die gerade bei diesem Lesen aufgenommen werden, seien wichtig, um kritische Unterscheidungen zu treffen. Wörter, die für diese Fähigkeiten wichtig sind, treffen wir vor allem in Texten an und nicht in Fernsehshows. Die Studie führt daher an, dass vor allem der Leseumfang zu einem erheblichen Vorsprung vor anderen Kindern führt und bedeutet auch, dass die intellektuell Reichen schlichtweg reicher werden und die Dummen dumm bleiben, so sehr sie sich auch in der Schule anstrengen.

Im Weiteren wird in der Untersuchung angeführt, dass lebenslanges Lesen auch verhindert, dass kognitive Fähigkeiten im Alter stark nachlassen. Es geht also nicht nur um Kinder, die hier besonders im Fokus des Lernens stehen, sondern um alle Alltersgruppen.

Diese Ergebnisse lassen sich meines Erachtens auf das Lernen von Sprachen erweitern (Hier mein Entwurfsartikel dazu). Das heißt, will ich eine Sprache lernen, sollte ich auch eher passives Wissen in dieser Sprache durch Romane aufnehmen.

Das Gehirn auf Romanen, der Einfluss auf unser Empathievermögen

Nach Studien aus den Jahren 2006-2009 weisen Leser langanhaltend mehr Empathie auf, wenn sie Romane lesen. Hierbei gaben die Forschern Lesern das Buch „Pompei“ und verglichen es mit Lesern von Sachliteratur und Nichtlesern. Das bessere Abschneiden der Romanleser wurde auch beibehalten, als die Wissenschaftler die Hypothese ausschließen konnten, dass empathischere Menschen eher Romane lesen (Quelle: New York Times).

Nicht also, wie auf vielen Websites gepriesen, das Lesen von Sachliteratur macht uns schlauer, sondern das Lesen von persönlichen Geschichten. Sachliteratur konsumieren wir eher im Hinblick auf direkte Probleme, doch dabei kommt der Aspekt der sozialen Interaktion nicht zur Geltung.

Unterstützend wurde in weiteren Studie (Ritchie, Bates, Child Development 2014) herausgefunden, dass die frühe Lesefertigkeit auch später Effekte auf die allgemeine Intelligenz hat. Romane führen zu einer höheren Konnektivität im Gehirn (wenn ich die Studienergebnisse richtig verstehe: Studie 2013: Short and Longterm Effects of a Novel on the Connectivity of the Brain. Lesen katapultiere den Leser im gewissen Sinne biologisch in die andere Person hinein.

Letzteres könnte auch auf einen Zusammenhang mit gutem Schlaf verweisen. Diese Verbindung zwischen Lesen und gutem Schlaf wird zwar immer wieder in Alltagsratgebern herausgehoben, allerdings konnte ich hierfür keine konkreten Studien finden. Es könnte also auch ein Mythos sein. Es gibt allerdings Studien, die zu den Ergebnissen kommen, dass durch Lesen Ängste und Depressionen gemildert werden (Hier wird auf einige Studien dazu verwiesen). Da Depressionen und Ängste Dinge sind, die uns abends unter Umständen nicht schlafen lassen, gehe ich davon aus, dass Lesen auch den Schlaf verbessert.

Lewis Hine, Boy studying, ca. 1924Konsequenzen für meine Abendroutine

Aus diesen Gründen, die jeweils mehr oder minder schwache Korrelationen sind, habe ich mich dazu entschieden, Lesen in meine Schlafroutine einzubauen, das heißt: Ich lese vor dem Schlafengehen mindestens 15 Minuten Romane. Dieses ist nach dem Prinzip der Mikrogewohnheiten, wonach ich nicht versuche viel zu erreichen, sondern mit einer minimalen Tätigkeit beginne und sich die Effekte später akkumulieren (Hier mein Artikel zu Mikrogewohnheiten).

Das hört sich wenig an, aber in den letzten 2 Monaten, habe ich „Der Schwarm“ (1000 Seiten! Frank Schätzing), „Ruhm“ (Kehlmann), „Verbrechen“ und „Schuld“ (Schierach) und „Atemschaukel“ (Müller) gelesen. Zudem habe ich in viele andere Romane reingelesen. Da kommt schon einiges zusammen.

Ich glaube auch, dass ich damit eine gute Abendroutine entwickelt habe, die meine Bettzeit-Prokrastination stark gemindert hat. Zusätzlich habe ich das Gefühl, dass das Hineinfühlen in andere Personen auch dazu führt, dass ich mich generell glücklicher fühle. Intelligenzeffekte habe ich direkt noch nicht feststellen können (wie kann man das auch?), aber vielleicht entwickelt sich das ja noch.

Ich verzichte in meiner Abendroutine bewusst auf Sachbücher. Ich habe auch Biografien begonnen, aber wenn diese nicht in der Gestalt von Romanen daher kommen, ist der Genuss tatsächlich gering. Weltliteratur, das heißt, eine gewisse Poetik empfinde ich generell als stimulierender als banales Gelaber zwischen Charakteren wie in Frank Schätzings Schwarm (obwohl der Roman teilweise sehr faszinierend und zu empfehlen ist).

Um die Routine beizubehalten, werde ich in Zukunft viele der Romane auf meinen anderen Blogs zusammenfassen und reflektieren. Hier ein Beispiel:

Andere Identitäten

Es beginnt mit Ebling, der aufgrund eines technischen Defekts bei der Nummernvergabe seines Mobiltelefons in die Rolle des Schauspielers Ralf Tanners schlüpfen darf. Zumindest am Telefon durchlebt er Ausschnitte aus einem anderen Leben, einem wichtigeren Leben.

Tanner selbst erfährt dabei die plötzliche Ablehnung seiner Geliebten (vielleicht bedingt durch Eblings Einmischung?). Er lebt sein Leben als Schauspieler immer unter dem Eindruck von der Öffentlichkeit beurteilt zu werden. So befällt ihn auch Scham, weil eine Szene mit seiner Geliebten bei Youtube ungewollt Verbreitung erfährt.

Aber vielleicht ist er auch gar nicht Tanner, sondern nur jemand, der gerne Tanner wäre, ein Doppelgänger oder eben jemand, der begonnen hat, sein Leben zu spielen.

Verzweifelt ein anderer Sein

Ein anderer sein, verzweifeln an unserer morbiden Begrenzung, in der Herzkammer eingeschlossen, hinübersehnsüchteln in das Sternenlicht, die andere Flamme, zu den Elementen der Träume und Wünsche, den Wünschen, die die Welt, die bessere Welt bedeuten. Dort ist der geliebte Mensch, der Stern, der wir gerne wären, die 1000 Leben, die nur einer lebt. Wir schauen hinüber und wir würden uns dort drüben gerne selbst lieben. Aber wir sind hier.

Unsere Wünsche brechen zur Unendlichkeit durch, wir multiplizieren uns mit ihnen in die Träume hinauf und doch schaffen sie diesen knöchernden Bruch, diesen Abstand zu uns. Wir sind abgeschnitten von unseren Träumen.

Kierkegaard  verstand uns von diesen „Gipfeln der Verzweiflung“ her. Er schrieb:

„verzweifelt man selbst seinwollen, verzweifelt nicht man selbst sein wollen“ (Zitat = interessanter Artikel über Kierkegaard aus der Zeit).

Es gibt keinen Ausweg, keine Tür, kein Exit, keinen Fluchtweg aus der Verzweiflung und wer nicht verzweifelt sei, der wisse es nur noch nicht.

Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ befasst sich mit dieser Verdoppelung oder Multiplikation des menschlichen Lebens und der Verzweiflung am eigenen Leben. Es sind wir in verschiedenen Geschichten. Wir, die verschiedene Geschichten in Geschichten über Geschichten von uns erzählen oder die über uns erzählt werden:

„‚Ich wußte, du machst das mit mir. Ich wußte, ich komme in eine deiner Geschichten! Genau das wollte ich nicht!‘

‚Wir sind immer in Geschichten.‘ Er zog an der Zigarette, der Glutpunkt leuchtete rot auf, dann senkte er sie und blies Rauch in die warme Luft. ‚Geschichten in Geschichten in Geschichten'“ (201)

Wie einst Sartre in „Der Ekel“ ist diese Geschichtlichkeit der nervöse Punkt unserer Existenz, eine wunde Stelle, die wir immer wieder aufkratzen. Wir erzählen immer wieder andere Geschichten über andere und über uns. Die Lüge vom besseren Leben macht das Leben dabei hin und wieder erträglicher. Sartre beschrieb es ähnlich:

Ein Mann geht eine Straße hinunter, doch als Leser halten wir inne: Dies ist der Held. Romane erzählen sich von ihrem Ende her und wir wissen, es wird etwas passieren. Nur für uns da gibt es keine Zielstellung, keine große Wende, wir sind kaum Helden des eigenen Lebens. Wir gehen nur eine Straße hinunter.

Kehlmann schlussfolgert daher durch seine Romanfiguren hindurch:

„Ein Roman ohne Hauptfigur!“

Vielleicht zu ambitioniert, wenn acht Geschichten in lockerer, distanzierter Sprache verzahnt werden, dann  geraten die Charaktere streckenweise zu fernen Sätzen, die an der Innerlichkeit wie ferne Züge vorbeirauschen. Es sind komponierte Elemente, Elemente von Wünschen, die wie alles Formale wenig Wirklichkeit haben.

Hier und dort verzahnen sich die Geschichten. Jene Kunstgriffe versucht Kehlmann durch Selbstironie zu verschleiern, indem er als Erzähler in einen literaturtheoretischen Dialog mit seinen Hauptfiguren übergeht. Indem er einer Figur unerwartet Jugend und Schönheit schenkt. Auch indem er einen Moralschriftsteller sich selbst richten lässt. Doch ist dies die Verlegenheit des Autors?

Womöglich ist es der wirkliche Kitsch des Lebens.

Dann geht eine Frau in Transnistien verloren oder irgendwo, wo eine andere Zivilisation sie allein lässt.

Dann kommentiert ein anderer manisch in Foren und vergisst sich dabei selbst.

Wiederum ein anderer versucht, sich in zwei Familien als Mann zu behaupten. Vielleicht weil er nicht weiß, wer er ist?

Eine andere Frau versucht, sich das Leben zu nehmen und fragt den Erzähler, warum ihre Geschichte gerade derart erzählt wird.

Es sind viele Doppelleben, die die Menschen in Geschichten von Geschichten führen:

„Weil ein Mensch vieles sein will. Im wörtlichen Sinn. Er will viel sein. Vielfältig. Möchte mehrere Leben.“(187)

Wo also ist die Einheit des Selbst, dieser Ichkerns, der durch uns hindurch besteht und uns wie ein Atom zusammenhält, uns zu einem Menschen macht, der träumt? Das vielköpfige Biest (Platon, Politea Buch XIII) ist die Grundlage unserer Wünsche, doch Einheit der Vernunft findet sich in diesem Roman nicht, sondern ist nur eine ironische Spitze, die alle Seifenblasenträume zerplatzen lässt.

 

Ein guter Audio-Ausschnitt, wenn auch ein schlechterer des Buches, hier: http://www.literaturport.de/index.php?id=28&no_cache=1&tid=341

Soviel also vorerst zum Thema Lesen. Hier noch meine Leseliste:

Romane aktuell:

  • Atemschaukel,
  • Sophie Welt (vielleicht zu nahe an meiner Profession?)

Kürzlich abgeschlossen:  

  •  Der Schwarm (Frank Schätzing)

  •  The-4-Hour-Chef (Timothy Ferriss)

Biographie (kann ich die als Romane gelten lassen?)

  • Salinger – Biografie
  • Bergsteigerbuch

Philosophie (beruflich), aktuell:

    • Habermas: Wahrheit und Rechtfertigung
    • James Swindal: A case for Agent Causation (Mein Professor)
    • Diverse Bücher von Brandom
    • Hegel: Wissenschaft der Logik
    • Aristoteles: Metaphysik, Über die Seele, Physik, Nikomachische Ethik
    • Platon: Der Staat
    • Empiricus Sextus
    • Und vieles mehr

Ich hoffe, der Artikel war informativ und interessant. Wenn ja, dann teilt ihn doch. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+. oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Wenn ihr wirklich keine Beiträge verpassen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an). Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.

Norman Schultz

Pittsburgh, Oktober 2014

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Wie wir passiv lernen können – Suggestionsmaterial für passives Lernen

Zusammen mit dem Lernforscher Andreas Dückhofer habe ich ein Gespräch zum Thema passives Lernen geführt. Zunächst geht es mal wieder um die Lerntypentheorie, die ein Paradebeispiel für das Vertrauen in falsche Theorien darstellt. Danach entwickeln wir langsam einen Begriff vom passiven Lernen, wobei aktives Lernen vorzuziehen ist. Passives Lernen hat eher den Wert aktives Lernen vorzubereiten, andernfalls ist es nutzlos. Da es schwer ist, gutes, passives Lernen vorzubereiten, schlage ich am Ende vor, eher auf Suggestionsmaterialien zurückzugreifen, die eine langfristige Verhaltensänderung bewirken. Hier verweise ich auf meinen Youtube-Talk mit Alexander Schwarz, der sich selbst als Habit-Coach bezeichnet. Wir fragen uns wie wir unsere Gewohnheiten ändern können. Bildnachweis: By Wagner Machado Carlos Lemes from Goiânia, Brazil; derivative work by King of Hearts CC-BY-2.0 , via Wikimedia Commons

 

(Das Gespräch haben wir stark vereinfacht, um die wesentlichen Elemente deutlicher zu machen. Im ersten Teil gibt es theoretischer Erläuterungen zur Lerntypentheorie, wobei sich hier erklärt, was eine schlechte Theorie vom Lernen ist.)

Andreas Dückhofer: Welche Arten gibt es zu lernen?

Norman Schultz: Es ist sehr richtig, dass wir das Lernen für uns selbst klassifizieren sollten. Doch es stellt sich dabei auch die Frage, ob es womöglich nur eine Art gibt, wie wir lernen. Die Lerntypentheorie hat hier viel Schaden angerichtet, indem sie annahm, dass sinnliche Wahrnehmung gleich Lernen wäre und dabei überhaupt keine bewährte Theorie ist.

Andreas Dückhofer: Warum das?

Norman Schultz: An Universitäten unterrichtet man ein Modell, das keine wirkliche, empirische Forschung durchlaufen hat, sondern einfach nur hochgradig plausibel ist (mehr Informationen zur Lerntypentheorie hier unter Mythos Lerntypentheorie).

Dick York Bewitched 1968

Ein auditiver Lerntyp?

Andreas Dückhofer: Aber wenn es einleuchtend ist, dann sollte es doch auch wahr sein?

Norman Schultz: Mit der Wahrheit ist das so eine Sache. Zunächst haben wir eine Meinung, die andere vielleicht teilen, aber wenn es sich um empirische Fragen handelt, müssen diese Meinungen nicht auch tatsächlich der Fall sein. Plausibilität verweist daher zumeist nur auf eine logische Konsistenz, das bedeutet, dass Prämissen sich nicht widersprechen und eine Schlussfolgerung nahe legen. In etwa so:

Prämisse 1: Käse ist essbar.

Prämisse 2: Der Mond ist aus Käse.

Konklusion: Also ist der Mond essbar.

Dieses Schlussverfahren ist richtig, aber das Argument ist nicht wahr. Es wird problematisch, wenn wir Prämissen hineinschmuggeln, deren Wahrheitswert unbekannt ist. So zum Beispiel bei der Lerntypentheorie:

Prämisse 1: Ich lerne im Vergleich schlechter als andere.

Prämisse 2: Ich bin verschieden; ich bin ein anderer Lerntyp.

Konklusion: Es liegt an den schlechten Lehrern, dass ich schlechter lerne und nicht an mir.

Hier weiß ich doch nicht, ob ich wirklich anders bin und ob es Lerntypen gibt. Ich erkläre mir den Glauben an die Andersartigkeit durch den Glauben an Individualität, der gesellschaftlich unterstützt wird. Der Superindividualismus legt natürlich die Einzigartigkeit des selbstständigen Konsumenten nah; die Idee, dass wir vielleicht Gemeinsamkeit haben, ist doch heute Kommunismus. Aber ich will nicht polemisieren.

Aufgrund psychologischer Täuschung gibt es lückenhafter Schlussverfahren. Ich gehe daher nicht davon aus, dass es sich bei der Lerntypentheorie um eine logische Theorie handelt, weswegen ich es eher als eine Plausibilitätstheorie bezeichne. Bei diesen Plausibilitätstheorien können sich die Voreinstellungen gar unbemerkt widersprechen:

Voreinstellung 1: Jeder Mensch ist anders.

Voreinstellung 2: Es gibt verschiedene Lerntypen.*

 Andreas Dückhofer: Was ist daran falsch?

Norman Schultz: Nun, wenn jeder Mensch anders ist, dann kann es keine klassifizierbaren Lerntypen geben, dann lernt wirklich jeder absolut anders. Ich glaube jedoch, dass das Individualitätsargument dazu verleitet anzunehmen, dass es Lerntypen gibt, was natürlich logischer Unfug ist, was die meisten aber aus Denkfaulheit aushalten.

Ich im Gegenzug interessiere mich nicht für die Verschiedenheit im Lernen, sondern für das, was wir alle im Lernen gemeinsam haben. Selbst wenn es Lerntypen gibt, muss es bei allen etwas geben, dass wir „Lernen“ nennen. Dieses Lernen muss das gleiche sein. So glaube ich, dass wir alle lernen können. Ich bin zum Beispiel der Auffassung, dass jeder Lesen, Rechnen und Schreiben lernen kann.

Andreas Dückhofer: Aber das ist doch ein Allgemeinplatz.

Norman Schultz: Ist es nicht, wenn wir bedenken, dass man vor einigen Jahrhunderten annahm, dass es Menschen gibt, die eine natürliche Begabung haben zu lesen. Nach dieser Überzeugung, war es eine Art Adel, ein Gelehrter zu sein. Die Lerntypentheorie greift diesen Lernadel wieder auf. Jemand, der heute Mathematik beherrscht, ist nahezu von Gott in den Stand eines Gelehrten gehoben. Die Lerntypentheorie bleibt jedoch nur demokratisch, wenn wir davon ausgehen, dass wir jeden Lerninhalt in alle Lerntypen übersetzen können. Hier aber beginnt der praktische Blödsinn: Demnach sollten wir ein Institut gründen, dass Lerninhalte für olfaktorische Lerner übersetzt.

Aber nochmal ich nehme an, dass jeder alles lernen kann. Doch irgendwie wollen die Leute hierbei widersprechen. Auch wenn ich zwar dabei einsehe, dass es beim Lernen gewisse Dispositionen geben mag, ist das für mich zumeist Sozialdarwinismus. Das heißt, heute ist es gerade zu anerkannt, dass derjenige, der eine anständigere Bildungs-Biografie hat, ein besserer, wertvollerer Mensch sein muss. Wer viel weiß, darf viel Lob bekommen. Die anderen sollen in der Arbeitslosigkeit verrotten. Lebenslanges Lernen ist dabei kein motiviertes Lernen, sondern ein Ellenbogenlernen und eine Todeszelle für den einzigartigen Menschen, der immer noch mal anders werden soll als er schon ist.

Andreas Dückhofer: Gut, aber zurück zum Thema, gibt es verschiedene Arten des Lernens?

Norman Schultz: Genau hier bin ich mir nicht so sicher. Ich bin mir allerdings sicher, dass ich verschiedene Energieniveaus habe. Am besten lerne ich in einer Gemeinschaft, die mich fordert und meine Lernwege schnell korrigiert, wobei ich hier allerdings nicht nur passiv beobachte, sondern zur Aktivität aufgefordert werde (Dass Gemeinschaften besonders zur Umsetzung beitragen, haben wir ja schon hier und hier diskutiert). Energie steht hier zu Verfügung, weil andere mich entlasten, indem sie mir anstrengende Entscheidungsprozesse abnehmen. Wir lernen hier gut, wenn die anderen uns herausfordern. Wenn andere uns nur vormachen wird das natürlich auch nichts. Es lernt doch niemand das Schwimmen, wenn er nur zuschaut, sondern wenn er in einer wohlwollenden Gemeinschaft Vertrauen und Anspruch findet.

Andreas Dückhofer: Das heißt also es gibt kein passives Lernen?

Norman Schultz: Doch das gibt es. Allerdings bin ich mir nicht sicher, zu welchen Graden wir es benötigen, wenn wir die Möglichkeit zur Aktivität haben. Passives Lernen funktioniert zumeist nicht: Wenn ich beispielsweise einen Text nur lese, dann werde ich wenig gelernt haben. Studien (sehr detaillierte Studie) zeigen, dass vor allem ein zweites mal Lesen wenig bringt, da es nur den subjektiven Eindruck verstärkt, etwas zu verstehen. Lesen soll in zwei getrennten Arbeitsschritten erfolgen, erstens einer passiven Aufnahme, die zweitens das aktive, selektive und detaillierte Lesen vorbereitet. Dazu gibt es verschiedene Ansätze, wobei ich vor allem auf den Ansatz der Michelmanns verweisen möchte, was ich als das beste Buch zum Thema „Lesen“ einschätze.

Gerade aber zum Thema lesen findet sich im Internet viel Quatsch:

„Am besten lernt sich der Stoff, indem man den kompletten Text und eine Zusammenfassung mehrfach durchliest und sich zwischendurch kreative Pausen gönnt. Durch die ständige Wiederholung speichert das Gehirn auch schwierigste Konzepte früher oder später ab, selbst wenn man eins noch nicht so richtig verstanden hat.“ http://www.lernen-mit-grips.de/lernarten/

Ich möchte keinesfalls eine derart unbelegte Theorie zum Thema „passives Lernen“ vorschlagen. Das wäre dann schlicht sowas wie die Lerntypentheorie, wobei dann die Anwender abends nochmal ihre Schulhefte unter das Kopfkissen legen, weil sie glauben, das hätte entscheidende psychologischer Lerneffekte. Von solchem homöopathischen Lernen halte ich nichts.

Andreas Dückhofer: Das heißt, der Vorgang der Passivität ist nur vorbereitend für das Lernen?

Norman Schultz: Nun, ich vertrete die Auffassung, dass Passivität gänzlich durch Aktivität ersetzt sein sollte, wenn möglich. Aber niemand kann 24 Stunden durcharbeiten und beim Lesen gibt es Dinge, die man auslassen muss. Gewisse Ruhe und Motivationsphasen gehören auch zum aktiven Lernen dazu Es gibt viele Studien, die eine günstige Pausentechnik bestätigen. Wer hier sein Energiemanagement vernachlässigt, fährt gegen die Wand. Passives Lernen heißt daher für mich, Anreize zu setzen, Dinge richtig zu verarbeiten und die aktiven Lernphasen zu motivieren und vorzubereiten. Ich versuche hierbei eine eigene Praxis vom passiven Lernen vor allem für mich zu entwickeln und vielleicht stimmen andere den Schlüssen, die ich aus Studien ziehe, zu.

Andreas Dückhofer: Wenn du jetzt aber sagst, wir sollen beim Lernen Pausen machen, dann ist niemandem geholfen, denn irgendwie wissen das ja alle. Wie sieht also dieses passive Lernen aus?

Norman Schultz: Ich habe schnell gemerkt, dass ich bei Vorlesungen im Hintergrund schnell rauszoome. Es bedarf einer enormen Anstrengung zu Vorlesungen zu gehen, um diese wirklich zu nutzen. Vorlesungen sind wesentlich anstrengender als Seminare, wenn man etwas lernen will. Dabei habe ich zumeist, zuviel Energie verschwendet. Ein Professor hat sich mal bei vor allen Studenten bedankt, weil ich ihm so aktiv zuhörte. Ich weiß, das klingt streberhaft, aber Vorlesungen sind nicht mit Passivität zu verwechseln. Ich habe dort so viel Energie investiert und hätte diese besser nutzen können, wenn ich mit anderen etwas zusammen getan hätte. Daher empfehle ich auch kaum Vorlesungen, da sie viel Energie benötigen.

Carl Seiler Die Vorlesung

Beim Vorlesen lernen?

Andreas Dückhofer: Du weichst etwas aus, wie dieses passive Lernen nun aussieht, aber nach dem, was du sagst, entfällt dann auch das Lesen. Lesen erfordert ja auch viel Konzentration oder?

Norman Schultz: Natürlich gibt es Momente, wo dieses Lesen als passives Lernen möglich ist. So lange sich ein subjektiver Zustand der Entspannung einstellt, kann dies nicht falsch sein. Jeder hat hierbei seine Leserituale, wobei diese sich heute eher auf die sozialen Medien beschränken, was ich nicht unter Lernen verbuche, sondern als eine Art soziales Lagerfeuer sehe am Smartphone. Man schmiert ein bisschen sein soziales Gefüge, wenn man bei Facebook auf dem Laufenden bleibt. Hier aber gehört Lesen zur Frage des Prokrastinationsmanagements, auch deshalb weil es selten auf das aktive Lernen bezogen ist. Das ist gut, wenn es kontrolliert verläuft und Entspannung liefert?

Wilhelm Amberg Vorlesung aus Goethes Werther

Soziales Lernen?


Andreas Dückhofer: Wenn Vorlesungen und Lesen wegfallen, dann bleibt ja nicht mehr viel übrig.

Norman Schultz: Ich möchte Vorlesungen nicht per se ablehnen, empfehle aber eher Lernanreize durch passive Materialien zu setzen. Vorlesungen haben den Effekt, dass wir nur dort zuhören, wo wir ohnehin schon Bescheid wissen. Sobald es jedoch schwieriger wird, schalten wir ab. Stattdessen sollten leichte Materialien gewählt werden, die im günstigsten Fall in Interviewform vorliegen.

Andreas Dückhofer: Und warum die Interviewform?

Norman Schultz: Interviews haben mehrere Vorteile. Einerseits kontrollieren die Gesprächspartner gegenseitig, dass die Inhalte nicht zu kompliziert werden. Auf der anderen Seite setzen die Unterbrechungen immer wieder Anker, die die Aufmerksamkeit zurückholen.

Das Material für ein derartiges passives Lernen ist allerdings rar. Ich durchforste hierzu häufig Youtube und lade mir diese dann als Audiodateien herunter [der Freeyoutube to MP3 Converter eignet sich hierfür sehr gut].

Diese Audiodateien spiele ich mir dann auf günstige Wegwerf-Mp3-Player aus dem Internet [ich neige dazu Teurere zu verlieren, außerdem nutze ich verschiedene und bespiele sie nach verschiedenen Themen].  Ich versuche das Energielevel dabei sehr gering zu halten.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit Podcasts zu abonnieren, aber hierzu kenne ich mich (noch) nicht genügend aus (Anregungen sind erwünscht).

Die passiven Lernmaterialien, die ich mir dann erstellt habe, verwende ich dann auf MP3 beim Laufen, oder beim Frühstück machen oder bei anderen stupiden Tätigkeiten, die der Ohren nicht bedürfen.

Hierbei gibt es natürlich verschiedene Themen, die ich mir so klassifiziere: Allgemeinwissen, Sprachspiele, Musikalische Übungen, Spezialwissen (die meine Doktorprüfungen unterstützen sollen) und Suggestionsmaterial.

Andreas Dückhofer: Was hat es mit den Suggestionsmaterialien auf sich?

Norman Schultz: Um die Gewohnheiten zu stärken habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich gewisse Suggestionsmaterialien, die ich selbst (!) wähle, helfen können. Ich lade mir dazu entsprechende Sendungen, die zum Beispiel das Thema „Gewohnheiten“ betreffen, herunter. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass gerade derartige Materialien am meisten helfen, gewisse Ziele zu verfolgen. So motivieren mich zum Beispiel verschiedene Fernsehsendungen beim Laufen zum Laufen. Es setzt Anreize, ist unterhaltsam und informiert nochmal über das, was ich tue.

Andreas Dückhofer: Hört sich an, wie das Überraschungsei für den Erwachsenen.

Norman Schultz: Da die passiven Lernmaterialien mit unseren anderen, aktiven Lernritualen abgestimmt sein müssen, ist es häufig schwer, das Passende zu finden. Eine gute Zusammenstellung ist schwierig. Anstatt daher nur auf passive Lernmaterialien zu setzen, bietet es sich daher an, auf Suggestionsmaterialien zu setzen, die langfristig bestimmte Verhaltensänderungen anregen. Das ist schon Spaß ja.

Andreas Dückhofer: Können denn Verhaltensänderung tatsächlich passiv erlernt werden?

Norman Schultz: Interessanter Weise kommt es beim Thema Verhaltensänderung tatsächlich nur auf sehr kleine Stellschrauben an. Ich verbinde hier die Theorie des passiven Lernens mit der von den Mikrogewohnheiten. Alexander Schwarz macht dieses ja gerade in Deutschland bekannt. Ein Gespräch hierzu findet sich bei Youtube. Ich bin der Überzeugung, dass gerade solche Gespräche, das passive Lernen unterstützen können.

Aus dem Gespräch geht hervor, dass kleine Mikrogewohnheiten, uns nachhaltig verändern. Das heißt, wir müssen nach und nach solche passiven Lernmaterialien entdecken, die solche kleinen Verhaltensänderungen motivieren, so dass wir auch dabei bleiben. Wenn passives Lernen darin besteht Anreize zu setzen, dann halte ich solche Suggestionsmaterialien für die sinnvollsten.

Ich hoffe, der Artikel war informativ und interessant, ein bisschen übe ich ja hier daran. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.

 

Norman Schultz, Andreas Dückhofer

Neubrandenburg 2014

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Neoliberale Tendenzen in der Quantify-Yourself-Bewegung? Von der Vermessung des Selbst als Tugend-Wissenschaft

In diesem Artikel geht es um die Kritik an der Quantify-Yourself-Bewegung, wobei vor allem eine Nähe zum Neoliberalismus im Mittelpunkt steht. Diese Kritik ist meines Erachtens falsch und wir zeigen an exemplarischen Argumenten, warum diese Nähe nicht ohne Weiteres behauptet werden kann.

Quantify-Yourself, das ist in Soziologensprache Ausdruck für die Kolonialisierung der Lebenswelt durch die Systemwelt. In den Trauersoziologien sind Datenerhebung und Selbstbeobachtung schon lange Teufelszeug. Wo der Soziologe, die schleichende Kolonialisierung der Lebenswelt durch Zahlen vermutet, dort findet er auch die Stellschrauben des entmenschlichten Kapitalisten und zwar in Form von gnadenlosen Zahlen. Anders lassen sich derartige Äußerungen von Stefan Selke kaum erklären: 

„Hinter der progressiv klingenden Formel „Self-knowledge through numbers“ […] bildet sich bei näherem Hinsehen in Reinform neoliberales Denkens ab. Nur passt das so gar nicht mit den flammenden Herzen und coolen Geschichten zusammen, die auf den QS-Meetups erzählt werden.“ (http://www.heise.de/tp/artikel/41/41910/1.html)

Dieser Absatz suggeriert hinter einer Bewegung, die sich in besserem Licht darauf konzentriert, Tugenden zu entwickeln, eine Verschwörung. Als würde die Quantify-Yourself-Bewegung einen gewissen Enthusiasmus, ein Brennen für die Selbstverbesserung nur vorgeben, während sich dahinter die dunkle Verschwörung der Neoliberalisierung verbirgt. Mit anderen Worten, jeder, der sich dann seine Alltagsgewohnheiten notiert, ist zugleich Marionette im Spiel der Mächte.

Aber um es klar zu sagen, natürlich ist es nicht zu leugnen, dass es neoliberale Tendenzen in unseren sozialen Gefügen gibt. Es ist dabei nur unklar, inwiefern einzelne Akteure von der so genannten Mikroebene dafür verantwortlich sein sollen, dass sich ein Makroebenenphänomen als Neoliberalisierung zeigt. Hier übersieht der Soziologe nämlich den gravierenden Unterschied zwischen den Mikrointeressen der Akteure, die auf der Mikroebene im sozialen Umfeld agieren, und den gesellschaftlichen Phänomenen, die wir dann im Aggregat auf der Makroebene beobachten können. Dieses Problem wird auch unter dem Stichwort Phänomen der dritten Art beschrieben.

Phänomene der dritten Art sind Phänomene, die weder natürlich noch durch die Akteure gewollt sind. Das heißt mit dem Wort „Phämon der dritten Art“ beschreiben wir Ereignisse, die durch menschlichen Verhalten verursacht werden, aber von den Menschen nicht intendiert sind. So können wir zum Beispiel einen Stau erklären: Weil alle Verkehrsteilnehmer den Sicherheitsabstand zu gering halten, kommt es bei unvorhergesehenen Ereignissen zum Bremsen, das stärker als nötig eine Kettenreaktion fortsetzt. Wir haben einen Stau. Nun aber wäre es verkehrt anzunehmen, dass die Verkehrsteilnehmer diesen Stau gewollt hätten. Sagen wir nun, zu dichtes Auffahren (ein Phänomen auf der Mikroebene) wäre eindeutig Zeichen dafür, dass die Akteure einen „Stau“ wollen, so sind wir auf dem Holzweg. Das gleiche Problem tritt auf, wenn wir Singles beschuldigen, die Bevölkerungspyramide mutmaßlich kaputt zu machen.

Bauen wir also allzu schnell kausale Beziehungen zwischen Makroebene und Mikroebene auf, so kommen wir zu merkwürdigen Aussagen wie dieser:

„Datenreihen sind ein untrügliches Kennzeichen der Neoliberalisierung.“ (http://www.heise.de/tp/artikel/41/41910/1.html)

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Mathematiker als Prototypen der Neoliberalisierung?

Vor allem da Datenreihen von einem „verabsolutierten Wettbewerb“ zeugen würden, der „technokratische Unerbitterlichkeit“ in alle Lebensbereiche bringt, müssen wir also jemanden, der ein Interesse an Daten hat, misstrauen? Da fragt sich, inwiefern dann Mathematiker, die sich für Zahlentheorie interessieren, „untrüglich“ den Turbo-Kapitalismus verfechten.

Wir beobachten diese Argumentationsstrategien ja häufig. So macht sich ja auch Ken Jebsen regelmäßig daran, allen ZEIT- oder SPIEGEL-Lesern Mittäterschaft am Ukrainekonflikt zu unterstellen. Da geht einer also ahnungslos durch die Nachrichtenmagazine im Internet und schon hat er Tausende ermordet oder wie ein Self-Tracker eben ganze Arbeitsbereiche versklavt.

Aber nochmal, was ist The Quantified Self. Bei Wikipedia heißt es schlicht: The Quantified Self

“ist ein Netzwerk aus Anwendern und Anbietern von Methoden sowie Hard- und Softwarelösungen, mit deren Hilfe sie z.B. umwelt- und personenbezogene Daten aufzeichnen, analysieren und auswerten. Ein zentrales Ziel stellt dabei der Erkenntnisgewinn u.a. zu persönlichen, gesundheitlich- und sportlichen, aber auch gewohnheitsspezifischen Fragestellungen dar.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Quantified_Self

Gerade auf den individuellen Erkenntnisgewinn geht der Autor von Heise.de allerdings nicht ein. Der Soziologe, weil er eben alle Erscheinungen immer durch Kausalbeziehungen innerhalb des Sozialen erkennen will, kann nicht sehen, dass hier auch eine Tugendwissenschaft am Werke ist, nämlich die Wissenschaft von der Verbesserung des Selbst. Diese Frage nach der eigenen sozial unabhängigen Normierung, bei Aristoteles auch noch „Ethik“ genannt, kann für den Soziologen nicht sichtbar sein, weil sie sich nicht an empirischen Parametern orientiert, sondern transzendentale Voraussetzung für Handlungen darstellt.

Doch auch einen anderen, wesentlichen Punkt übersehen Kritiker dieser Bewegung. Wir alle wollen handeln und zwar nach bestem Wissen. Der Mensch strebt von Natur aus nach Wissen und alle handeln auch in gewisser Variation nach vermeintlichem Wissen. Bei empirischen Fragestellungen aber, müssen wir nach induktivem Wissen verfahren und nicht normativ. Zu häufig hören wir jedoch bei empirischen Fragestellungen anekdotisches Wissen, wobei allein durch Plausibilität Wahrheit beansprucht wird. Hierauf baut die Wahrsager- wie auch die Homöopathiindustrie, vor allem aber verarscht man so Leute. Demnach wurden zum Beispiel lange Zeit Fette verteufelt, ohne gute Datengrundlage wurde gemutmaßt, wie der Körper zu funktionieren habe, danach wurde dann entschieden. Ähnlich Mythen besagten, dass man bei Krankheit Vitamin C konsumieren müsse, das Milch viel für die Knochen tut, weil viel Calcium drin ist, dass Veganer nach wenigen Monaten sterben müssen, dass das Knie durch halbe Kniebeuge entlastet werde (http://www.wer-weiss-was.de/fitness-gesundheit/sind-kniebeugen-jetzt-schlecht-fuer-die-knie). Die Liste könnten wir endlos fortsetzen. Letzten Endes würden wir auch glauben, dass Eskimos drei Millionen Wörter für Schnee haben. Warum? Weil es plausibel ist. Plausibilität ist allerdings nur ein notwendiges Kriterium für Wissen (manchmal nicht mal das), hinreichend sind jedoch Daten, die vorläufiges Wissen erlauben. Niemand zum Beispiel in der Medizin verschreibt ein Medikament aufgrund von Plausibilitätserwägungen, sondern Medikamente müssen Daten geben. Das ist keine Neoliberalisierung, sondern empirische Wissenschaft und zielt in erster Linie auf Wissensvermehrung.

Die Quantify-Yourself-Bewegungen bildet daher auch einen Trend zu höherer Bildung in der Gesellschaft ab. Als Soziologe hätte ja auch eine Quantifizierung dazu reichen müssen, dass vermutlich vor allem Gebildete in dieser Bewegung zu finden sind, das heißt einen höheren Abschluss haben. Neben der qualitativen Analyse, die einige Soziologen vollziehen, ist nämlich ein wesentlicher Schritt auf Evidenz basierende Verfahren zurückzugreifen. Der nächste Schritt der Gesellschaft im Verstehen von Realität ist daher eine statistische Grundausbildung an Schulen und dieses statistische Wissen, obwohl so grundlegend, wird noch nicht mal in der Schule gelehrt. Deswegen können die Normalbürger auch wenig mit den Begriffen Korrelation und Kausalität anfangen und kaufen daher Homöopathie, glauben, dass wir Mittäter sind, wenn wir die ZEIT aufschlagen und sehen in der Quantify-Yourself-Bewegung eine Bedrohung für ihre deutsche Gemütlichkeit. Die Quantify-Yourself-Bewegung kann jedoch aus diesem Grund auch als Schritt zu höherer Bildung betrachtet werden, da sie sich nicht mehr mit Plausibilität zu frieden gibt, sondern Daten verlangt.

Aber was macht der Soziologie in Abendlandsuntergangsstimmung? Er greift zu dem erst besten Slippery Slope Argument und verknüpft im Handstreich Mikro und Makroebene:

„Von der Übertragung der Idee der „Kennzahlenoptimierung“ von Konzernen und Unternehmen auf den einzelnen Arbeitnehmer, der sich am Ende als „digitaler Sklave“ fühlt [der Satz ist so unvollständig im Original wie auch das Argument]. „Teil des Begriffs ist, dass der Herr in der Lage ist, jede Bewegung des Sklaven nach Zeitpunkt, Position, Geschwindigkeit und Richtung zu überprüfen.“[1]als eine Rationalisierung der Rationalisierung. „Niemand entgeht dem verwandelnden Feuer der Maschine“, das bedeutet auch, dass Arbeitnehmer, die den (erhofften) Effizienzanforderungen nicht mehr genügen, aussortiert werden.“

So einfach ist das also, da geht einer einmal seinen Blutdruck messen und Zack hat er den Untergang des Abendlandes verursacht. Da liest einmal einer die ZEIT und Zack hat er tausend Leute in der Ukraine ermordet. Nun diese Argumentation sollte der Soziologe wohl mit Zahlen unterfüttern, aber Zack dann wäre ja das Abendland untergegangen.

Natürlich ist dieses Phänomen des Kaizens (so heißt ja die japanische Disziplin der „kontinuierlichen Verbesserung“, die in der Industrie zum Einsatz kommt) nun auch derart rationalisiert, dass es die individuelle Eigenmessung miteinbezieht, aber hier müssen nochmals eine grundlegende Unterscheidung anbringen. Ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das sich als Aggregat von vielen Einzelinteressen zeigt, unterscheidet sich von den individuellen Einzelinteressen der Self-Tracker. Genau aus diesem Grund stehen ja Verschwörungstheoretiker so hilflos in der Ecke, weil sie den Aktor, der für die Aggregate verantwortlich sein soll, nicht ausfindig machen können und das weil es womöglich keinen gibt, sondern weil es sich um Phänomene der dritten Art handelt.

Wer will schon den Verusacher von Staus ausmachen? Verschwörungstheoretiker sind derweil verzweifelter als Theologen, die versuchen Gott nachzuspüren. Irgendwer muss schließlich die Welt gebaut haben. Das war dann Gott. Irgendwer muss schließlich den Kapitalismus wollen, die Illuminati sind geboren. Irgendwer muss ja unsere Neoliberalisierung verursachen. Das sind dann Self-Tracker. Verschwörungstheoretiker glauben an geschickte Superschurken, weil, so wie die Welt einen Schöpfer braucht, für Makrophänomene auch jemand verantwortlich sein muss.

Die Gegenhypothese ist aber, dass sich im psychologischen Profil der Self-Tracker nicht neoliberales Denken abbildet, sondern schlicht Interesse für die Möglichkeiten der Wissensgewinnung am einzelnen Körper entflammt. Es sind wohl wenige Selbstoptimierer, die ihren Lebensstil als Gesellschaftsmodell auslegen und neoliberalisieren wollen, sondern die eher den Körper mit Zahlen derart numerieren, dass sie verlässlichere Aussagen über sich machen können wollen. Das heißt es geht um Wissen (Ich gehe hier nicht auf etwaige Kritiken durch Foucault’sche Überlegungen ein, bin mir aber sehr wohl bewusst, dass Wissen nicht neutral ist).

Wir können den Fortschritt zum evidenzbasierten Wissen dabei auch durchaus als entscheidenden Schritt wahrnehmen. Anstatt nämlich auf Plausibilitätserklärungen zu vertrauen (die ohne Basis rein deduktiv argumentieren, was wohl nur im normativen Bereich sein sollte), legt die Quantify-Yourself-Bewegung den Fokus auf die statistische Auswertung, das heißt auf Induktion. Damit sind Self-Tracker dann auch weniger anfällig für das Gewäsch, das uns eine mystische Homöopathibewegung verkauft. Hinter der Idee, dass Zahlen nicht lügen, steckt nicht nur die Idee, dass wir eine eine Kolonialisierung der Lebenswelt durch die Systemwelt entgegensehen, sondern eben auch, dass Quacksalver und dunkle Verschwörungstheoretiker weniger Chancen haben.

Im Artikel heißt es dann jedoch:

„Gegenwärtig scheint es kaum Mittel zur Eindämmung des Feuers zu geben. Zu viele wärmen sich daran oder sind zumindest geblendet, weil sie die damit verbundenen Risiken nicht sehen wollen oder können. Vielleicht ist es ja wirklich attraktiv, seine eigenen „Leistungsdaten“ wie die Umdrehungen einer Maschine einzustellen.“

Wir sollen also wegen potentiellen Makrophänomenen, die gesellschaftlich kontrolliert werden müssen, auf individuelles Wissen verzichten? Dieses Slippery Slope Argument stellt genau besehen kein Argument dar. Ich kann so zum Beispiel sagen, ich verwehre mich Facebook, weil ich dieser Datenkrake keinen Vorschub leisten will. Ich könnte genauso gut auf Google-Suchen verzichten. Genauso kann ich verzichten am Bildungswettbewerb teilzunehmen. Doch obwohl diese normativen Entscheidungen unter Umständen löblich sind, sie ändern nichts an dem gesellschaftlichen Phänomen zur Quantifizierung. Das heißt sie nützen nicht der Gesellschaft, schaden aber dem Individuum. Das heißt der Autor verwechselt die individuelle Entscheidungsmacht mit den Polivalenzen von Macht, die sich im Aggregat ergeben. Dieses sollte doch einem Soziologen nicht so leicht aus der Hand gleiten.

Sagen wir es mal klar: Natürlich kann ich auf Facebook verzichten, aber das Individuum in der Bewegung erträgt dann einen Verlust, wobei es den gesamtgesellschaftlichen Trend nicht umkehrt. Ich behaupte daher, dass Individuen ganz im Sinne des kleinen Denkens sich stoisch auf die Bereiche konzentrieren müssen, die sie tatsächlich verändern können und da ist eben Self-Tracking eine Möglichkeit (Im Sinne einer empirischen Soziologie wäre es tatsächlich sehr interessant, ein psychologisches Profil des Durchschnittstrackers zu haben. Wie viele wählen zum Beispiel die FDP oder ähnliche Neoliberale Parteien. Wieviele davon folgen anderen Tugenden etc. Der Artikel mutmaßt nur).

Kant foto

Kants kategorischer Imperativ setzt auf eine lückenlose Verbindung zwischen Mikro und Makroebene

Ich bezweifle daher übrigens im Fall der Self-Tracker, auch wenn sie in neoliberale Tendenzen einzuordnen wären, dass das Kantische Universalisierungsgebot greift, nämlich dass wir jederzeit eine Maxime des Handelns bilden müssen, die zugleich auch als Regel für ein allgemeines Gesetz gelten kann. Wenn Self-Tracker für Neoliberalisierung verantwortlich wären, dann müssten sie nach dem kategorischen Imperativ auf diese Handlungsweisen verzichten. Ich lehne aber den kategorischen Imperativ in Bezug auf die Quantify-Yourself-Bewegung aus drei Gründen ab:

1) Es ist unklar, inwiefern die Einzelhandlungen hier das Aggregat der Neoliberalisierung ergeben sollen (wie oben diskutiert). Das heißt wir können keine Universalisierung durchführen.

2) Es ist unklar, inwiefern die Quantify-Yourself-Bewegung im Aggregat einen positiven Beitrag für unsere Gesellschaft leistet, nämlich dadurch dass sie auf statistisches Wissen zurückgreift (wie oben diskutiert). Das heißt eine Universalisierung ist wiederum schwer

3) Es ist denkbar, dass Quantify-Yourself positive wie auch negative Konsequenzen hat, die nicht im Machtbereich des Individuums liegen, sondern an den Makrohebeln der Gesellschaft justiert werden müssen. Mit „Makrohebeln“ meine ich Politik und dieser dritte Punkt spricht gegen eine universelle Anwendung des Kategorischen Imperativs, weil eine Verknüpfung zwischen Mikro und Makroebene kausal nicht möglich ist.

Unsere Gesellschaft ist immer motiviert, besser zu sein als sie ist, aber auch Ausgleichsressorts zu schaffen. Deswegen sind die folgenden Aussagen des heise-Aritkels auch dramatisch falsch in Bezug auf die Quantify-Yourself-Bewegung:

„Vielleicht lebt es sich ja gut, mit einem Kilometerzähler im Kopf und der Objektivierung von Lebensbezügen durch mechanische Aufzeichnung von Daten.Ich möchte jedoch weiterhin Pausen machen, wann ich möchte, mein Auto selbst steuern und in einem Flugzeug sitzen, das von einem Menschen pilotiert wird, anstatt von einer Maschine. Zumindest möchte ich erst einmal mit eigenen Augen sehen, wie sich Kevin Kelly tatsächlich in ein Flugzeug setzt, das ausschließlich von einem Autopiloten gesteuert wird.“

Diese Pausen vom Arbeitsalltag sind auch weiterhin gestattet und jeder, der sich der Quantify-Yourself-Bewegung anschließt, hat zugleich das Ziel aus der Effizienz heraus, diese Freiräume zu gewinnen. Könnte es so zum Beispiel sein, dass Self-Tracker eine positivere Glücksbillanz haben, weil sie mit ihrer Freizeit effizienter umgehen? Die quantifizierende Glücksforschung wäre hier zum Beispiel angebracht und nicht haltlose Mutmaßungen. Und um auf Plausibilität zurückzugreifen: Ist es nicht intelligent, Arbeit im Autopilot durchzuführen, um dann die Freizeit für sich zu haben?

Zweitens, die Tatsache , dass wir Flugzeuge besteigen können, geht bereits auf eine solche Quantifizierungsleistung unserer Gesellschaften zurück, nämlich auf die ersten Schritt der Arbeitsteilung, die schließlich jene komparativen Vorteile erbracht haben. Industrialisierung, die die Annehmlichkeiten des Luftfahrtverkehrs bereitstellt, ist nicht in den Hängematten entstanden.

Drittens, in Taiwan fahren die Menschen schon ganz gemächlich mit führerlosen Bahnen und die meisten Piloten setzen automatische Landemanöver ein. Hier nun meine Frage, wenn nachgewiesen werden kann (und zwar mit Daten), dass computergesteuerter Verkehr sicherer ist, wäre es dann nicht sinnvoll diesen zu bevorzugen?

Der Artikel ist interessant, das bezweifle ich nicht. Wer sich allerdings ein besseres Bild von den Einzelinteressen der Self-Tracker machen will, der sei auf folgenden Podcast verwiesen. Ein sehr informatives Gespräch. Johannes Kleske, Florian Schumacher und Christian Grasse sprechen dort über ihre persönlichen Tracking- und Bodyhacking-Erfahrungen.

Und wer danach noch nicht genug hat. Ein ebenso interessantes Gespräch mit Innenperspektive.

Ich hoffe, der Artikel war informativ und interessant, ein bisschen übe ich ja hier daran. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen. Ansonsten wäre weiterempfehlen ganz nett.

Norman Schultz

Neubrandenburg Juni 2014

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