Die tausend Tode des besseren Ichs – wie wir an der Grenze zum Morgen zu besseren Gewohnheiten kommen

Unser neu-motiviertes Ich überlebt im Alltag keine fünf Minuten. Es wird so oft getötet und wiedergeboren, dass es für Selbsthass die Grundlage ist. Dabei muss dies nicht sein, wie die Alltagsforschung mit dem Konzept der Tiny Habits jetzt zeigt. (Titelbild: wikicommons: 7mike500) Weiterlesen

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Nie wieder ein Fenster öffnen – Mit den richtigen Pflanzen weniger krank sein und produktiver werden

In diesem Artikel geht es um Pflanzen, die als gute Luftfilter ein ideales Arbeitsklima herstellen. Wer mein unendliches Gelaber zu dem Wie, Warum und Weshalb nicht ertragen kann, der kann hier direkt zu den Informationen um welche Pflanzen es sich handelt. Ansonsten gibt es im Folgenden ein paar Argumente für Zimmerpflanzen und wie ich zu meinen grünen Freunden gekommen bin.

Einmal Luftfilter bitte

Im Saturn haben mir die Verkäufer ja schon so vieles erzählt. Ich wollte mal ein Diktiergerät kaufen und erklärte die Funktionen, worauf der Mitarbeiter mir mit felsenfester Überzeugung versicherte, dass es so etwas nicht geben würde.

Nun, nehmen wir nun mal folgendes Szenario an. Ich gehe zu Saturn und sage, dass ich etwas mit folgenden Eigenschaften haben möchte:

1) Es soll für ein gutes Raumklima sorgen und Schadstoffe aus der Luft filtern

2) kostensparend arbeiten möglichst in der Energieklasse A+++

3) pflegeleicht sein und auch nicht so schnell kaputt gehen

4) und, alles in allem vielleicht für unter 100 Euro zu haben sein und sich am besten vermehren

Grib skov

Für mehr grüne Lunge

Nun, tatsächlich ich bin jetzt unter die Sauerstoffproduzenten gegangen und lasse mir in meinem Zimmer gesunde Luft einfach wachsen. Es geht um Hauspflanzen, die die Luft säubern. Ich selbst habe mir kürzlich Pflanzen gekauft und haben das Sauerstofflevel in meinem Kabuff derart erhöht, dass ich schon seit fünf Tagen kein Fenster mehr geöffnet habe und es womöglich auch nie wieder muss. Ich sage nur: Fukushima soll kommen! Und nachdem wir den Waldbestand in den letzten 10 Jahren um 1,5 Millionen Quadratmeter kostensparend reduziert haben (eine Fläche größer als Deutschland), ist es wohl an der Zeit, sich ein eigenes Klima zu bauen.

Sansevieria trifasciata Closeup 2448px

Bogenhanf gibt nachts Sauerstoff

Aber Ernst bei Seite: Pflanzen verbessern das Raumklima und die richtigen Pflanzen filtern giftige Stoffe und geben jede Menge Sauerstoff selbst bei schlechten Lichtbedingungen. Doch nicht nur das, einige tun das selbst nachts.

Warum ich das aber hier bespreche? Nun, es verbessert unsere Lebensqualität und so letztlich auch unsere Arbeitsleistung. Dies sei, so heißt es auf allen Seiten, die ich dazu lese, wissenschaftlich belegt. Nur die Quelle zu den „wissenschaftlichen“ Studien nennen sie leider recht selten, daher reicht uns an dieser Stelle heute mal ein bisschen Plausibilität: Da frische Luft mehr Sauerstoff bedeutet und unser Gehirn Sauerstoff mag, muss das gut sein. Es heißt zudem, dass die Innenluft 2 bis 5 mal schlechter als draußen ist, so dass wir draußen prinzipiell besser arbeiten. Warum also nicht das Draußen nach Innen holen?

Nun bleibt die Frage, ob es Pflanzen gibt, die unsere folgenden Kriterien tatsächlich erfüllen:

  1. Möglichst pflegeleicht, weil wir ohnehin wenig Zeit haben und sie uns auch aus Effizienzgründen anschaffen
  2. Die Pflanze sollte selbst bei schlechten Lichtbedingungen Sauerstoff produzieren, wenn möglich gar nachts
  3. Die Pflanze sollte Giftstoffe filtern.
  4. Sie sollte relativ günstig sein.
Bei dieser Kombination würde uns jeder Saturnmitarbeiter auslachen, denn so etwas gibt es schließlich nicht. Ich meine, wenn Diktiergeräte technisch nicht möglich sind, dann müssen Pflanzen wohl ein Wunder Gottes sein. Aber entgegen aller Erwartung, Pflanzen können tatsächlich Sauerstoff produzieren und das nicht einmal, wie viele denken, in minimalen Mengen.
 
Übrigens habe ich tatsächlich lange Zeit gedacht, dass Pflanzen in der Regel nur zu dekorativen Zwecken am Fenster stehen oder dass Pflanzen bei einigen von uns soziale Qualitäten für Besucher vortäuschen sollen. Klar, wir haben uns schließlich aus Herzenswärme entschieden einer armen Adoptiv-pflanze ein Zuhause zu geben. Ich dachte auch, dass andere von der beherzteren Natur gerne jemanden zum Reden haben, jemand, der nicht widerspricht und sie auch nicht auslacht, wenn sie mal wieder weinen, weil Flipper gestorben ist. Ungeachtet dieser Tatsachen: doch es gibt einige Pflanzen, die richtig Sauerstoff produzieren und um meiner Rumrederei ein Ende zu machen um diese geht es hier:

Pflanzen, die Saures geben (also stofflich meine ich)

Haha, ich weiß, schlechter Witz. Nun es liegt nicht am Sauerstoffmangel, seitdem ich fünf der folgenden Pflanzen hier zu stehen habe, ist die Luft in meinem Zimmer tatsächlich wesentlich frischer. Bevor wir aber zu den Fakten kommen, hier mal ein Video aus der Abgasnation Indien, wo die Pflanzen nun in Büroräume zu Wellnesscenter umfunktionieren.

Also die Daten mal zusammengefasst. Es geht um die: 1) Areca Palm, 2) Mother-in-Law’s Plant (Bogenhanf), und 3) die Money Plant (ich glaube dabei handelt es sich um die „Efeutute„)

Sansevieria trifasciata Laurentii pm 4

6 mal Bogenhanf und ihr müsst nie wieder ein Fenster öffnen

Nach dem Video zu urteilen werden ungefähr 6 bis 8 dieser Gefährten pro Person benötigt (zu anderen Daten kommen wir weiter unten). In dem vorgestellten Bürogebäude sind es daher 1200 solcher Pflanzen auf 300 Leute. Als Resultat der Pflanzen geht der Blutsauerstoff mit einer Wahrscheinlichkeit von 43 Prozent um ein Prozent nach oben, wenn man sich mehr als 10 Stunden in dem Gebäude aufhält. Wenn ich es im Weiteren richtig richtig verstanden habe, gab es zudem 52 Prozent weniger Augenreizungen, 43 Prozent weniger Kopfschmerzen und 9 Prozent weniger Asthma. Aber kommen wir mal zu den Pflanzen im Einzelnen.

In anderen Quellen heißt es zudem, dass der Anblick von Pflanzen die Kreativität um 20 Prozent steigern könne (Quelle). Zudem tragen Pflanzen der Erhöhung der Luftfeuchtigkeit bei, was die Staubkonzentration in der Luft vermindert und die Schleimhäute feuchter hält, so dass Krankheiten seltener sind.

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Einer der besten Sauerstoffliferanten, die Arecepalme

Die besten Pflanzenfilter

1) Die Arekapalme 

entfernt Toluen und Xylen. Nun, ich weiß zwar nicht, was diese Stoffe bedeuten, aber ich möchte sie gerne nicht in meinem Zimmer haben. Darüber hinaus wandelt die Pflanze signifikante Mengen an CO2 in Sauerstoff um. Vier schulterhohe Pflanzen würden Sauerstoff für einen ganzen Tag produzieren. Das gute, die Arekapalme verträgt kein direktes Sonnenlicht, das heißt ihr könnt der Palme auch ruhig ein schattiges Plätzchen zuweisen.

2) Die Efeutute

Die Efeutute (epipremnum aureus) erreicht einen CO2-Abbau von 75% und baut dabei auch Benzol (90 Prozent innerhalb von 24 Stunden) und Formaldehyd ab (einige Stoffe, die sich gerne in Büroräumen sammeln und auch aus einigen Klebstoffen ausdünsten) (Quelle).  

3) Bogenhanf

Bogenhanf (Sansevieria) produziert vor allem nachts frischen Sauerstoff. Zudem ist die Pflege äußerst leicht und seltenes Gießen tut dieser Pflanze einen Gefallen. Sie mag es vernachlässigt zu werden (dies gilt übrigens auch für die anderen Pflanzen). Wem es allerdings um die psychisch stabilste Pflanze dieses Planeten der kann sich mit der so genannten Idiotenpalme begegnen, denn selbst Idioten können sie nicht umbringen. Es handelt sich um die:

Chlorophytum comosum

Grünlilien sind unkaputtbar

4) Grünlilie

Die klassische Grünlilie (Chlorophytum Elatum) reduziert nach Studien den Kohlenstoffdioxidgehalt um 96 Prozent (Ich vermute, dass sich ähnlich der NASA-Studie hierzu um einen Raum mit erhöhter Konzentration handelt (Quelle). Im Film „Gravity“ glaube ich übrigens diese Idiotenpalmen auf der chinesischen Raumstation entdeckt zu haben.

In anderen Quellen heißt es:

„Die Grünlilie, eine beliebte Ampelpflanze, schafft es beispielsweise, den Formaldehydgehalt einer geschlossenen Kammer (der 10mal höher als in normaler Wohnraumluft war) innerhalb von 24 Stunden um 86 Prozent zu reduzieren.“

Die Grünlilie ist meine favourisierte Pflanze. Sehr einfach im Umgang und wirkt unglaublich auf das Raumklima.Wer darüber hinaus noch viel Sauerstoff in seine Umgebung pumpen will, der könnte zusätzlich noch Sprossen anbauen: Buchweizen, Sonneblumen und Erbsen sollen hierbei sehr effizient sein. Insgesamt müssen wir aber wohl sagen, dass eine Vielzahl von Pflanzen unterschiedlich vorbeugt, als Anfängerpflanzen sind allerdings Grünlilie, Bogenhanf und Efeutute sicher unschlagbar.

Wieviele Pflanzen brauchen wir nun für ein optimales Klima?

Die Nasa empfiehlt circa 15-18 Pflanzen bei 1800 Squarefoot. Das müssten umgerechnet ungefähr 170 Quadratmeter sein. Nehmen wir also eine normale Singelbude von sagen wir 30 Quadratmetern, so sollten 3 – 4 dieser Pflanzen

Epipremnum aureum vine

Reduziert viele giftige Stoffe, die Efeutute

ihren Platz finden. Ihr müsst also nicht alles überfrachten. Wenn ihr allerdings noch bessere Effekte wünscht, so kann eine weitere Begrünung nicht schaden.

Alles in allem muss nun niemand etwas überstürzen. Ich habe begonnen, ein paar dieser Pflanzen zu kaufen und züchte nun verschiedene Ableger, das spart ein wenig Geld und es macht Spaß. Ich hatte lange Zeit keine Pflanzen, weil ich viel umgezogen bin, immer in verschiedenen Städten studierte und viel reiste, nun da ich in Pittsburgh ein langfristiges Stipendium habe, finde ich, dass es sich lohnt damit zu beginnen. Falls ich dann wieder nach Deutschland ziehe, so habe ich auch gute Abschiedsgeschenke. Als Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk eignen sich die Grünlilien (wie wohl auch die anderen Pflanzen). Gerade mit einer beigefügten Notiz über die verschiedenen Funktion könnte sich so mancher Bürohocker freuen. 

Snake plant

Auch Schwiegermutterzunge genannt, Bogenhanf

Weitere Informationen

Tabelle einiger Pflanzen, die giftige Substanzen filtern: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_air-filtering_soil_and_plants

Die NASA Clean Air Study, die angefertigt wurde, um die Reinigung von Weltraumstationen zu untersuchen. Neben der Absorption von Carbondioxide und Sauerstoffproduktion (Oxygen), eliminieren diese Pflanzen BenzeneFormaldehyde und Trichloroethylene.

Die Top 10 der NASA-Studie:

Infoblatt von „Gesundes Österreich“ mit einigen Gründen, was für Pflanzen im Haus und Büro spricht

Hier sind einige Links zu Amazon (Affiliate Links). Ich habe mal ein paar nachgeschlagen, die es günstig gibt. Ich habe meine Pflanzen auch über Amazon ersteigert, allerdings von der amerikanischen amazon Seite. Ich habe mir 2 Grünlilien besorgt, die wirklich wundersam wachsen, einen Bogenhanf, eine Efeutute und noch einen Philodendron. Die Qualität war gut im Vergleich zum Preis und ich sehe das auch als Investment in viele Ableger, denn die Pflanzen wachsen sehr schnell.

Nun da sind ein paar günstige, also auch größere dabei, je nach Wunsch. Ich selbst habe mir eher kleinere um die 10 Euro geholt und werde über Weihnachten anfangen umzutopfen und erste Aleger produzieren. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen.

Dr. Norman Schultz

Pittsburgh

Titelbildnachweis: Ireen Trummer (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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Das Internet als sozialer Verstärker beim Lernen

Zusammenfassung: In diesem Artikel geht es um soziales Lernen und wie dieses sich im Internet besser realisieren lässt als an den Universitäten. Wenn die Universitäten nicht reagieren, werden sie von alternativen Lehrkonzepten verdrängt werden. Ich zeige daher, dass es darauf ankommt, das Internet als sozialen Verstärker des Lernens zu nutzen.

Da nächste Woche die Weltmeisterschaft zwischen dem 23-Jahre jungen Carlsen und dem amtierenden Weltmeister, dem 21 Jahre älteren Anand beginnt, gab es in der Zeit ein Interview mit Anand. Interessant war hieran Folgendes: Auf die Frage, ob die Schachwelt anders als vor 20 Jahren sei, als Anand begann zu spielen, antwortete Anand klar:

VishyAnand09

Schachweltmeister Anand

Vollkommen anders. Schon wegen der Computer-Revolution. Der Ansatz ändert sich ständig.“ (http://www.zeit.de/sport/2013-10/viswanathan-anand-interview-schachwm/seite-2)

In allen Phasen des Spiels verdränge demnach der Computer traditionelle Konzepte, so Anand. Dass Computer hierfür verantwortlich wären, können wir daran sehen dass „so viele starke Spieler aus Ländern ohne Schachtradition“ kämen. Anand fügt hinzu:

„Computer eröffnen den Zugang zum Spiel. Sie liefern die Informationen und erleichtern das Lernen. Was das Internet bewirkt, sieht man besten an der Zahl junger Spieler in den Top Ten.“

 Jene Computerrevolution, die Anand hier anspricht, zeigt, dass Computer oder das Internet einen wesentlichen Beitrag zum Lernen leisten können. Es sind nicht nur neue Medien, die in der Form der „digitalen Demenz“ uns nur neue Formen des Vergessens und der Prokrastination bescheren (Spitzer, Manfred: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, Affiliate Link). Auf der anderen Seite kommt es auch darauf an, die Vorteile dieser neuen Technik sichtbar zu machen und dies ist häufig schwieriger.

Es ist unklar, was die Computer-Revolution eigentlich in welcher Weise beeinflusst und daher muss die „Computer-Revolution“ im Lernen auch nicht zwangsläufig bei den Universitäten ankommen. Ich deutete ja schon vielfach an, dass unsere Bildungsinstitutionen unter Bildungsvorwand eher Disziplinierungsanstalten sind und daher kein Interesse an Bildung haben. Kapitalistische Verhältnisse bedürfen eher disziplinierter als gebildeter Bürger. Aus diesem Grund dürfen Professoren auch immer noch ihre Studenten mit Vorlesungen langweilen, wo Studenten vor allem Disziplin lernen. Zwar gibt es neue Konzepte des Lernens, aber aufgrund der institutionellen Prägung geht es vielleicht nicht wirklich darum besser zu unterrichten oder gar zu bilden. Universitäten bekommen daher Konkurrenz von alternativen Lernformen, die sich eventuell nicht mit den Disziplinierungsverfahren der Institutionen vereinbaren lassen.

Das Internet und die Universität

Wenn es es nun aber tatsächlich um die Zukunft des Lernen geht, dann ist es wohl gerade das Internet, welches interaktives Lernen ermöglicht. Hier aber reagieren Autoritätsregime behäbig. Um ganz genau zu sein: Professoren müssen umdenken, wenn sie noch besser unterrichten wollen. In der Regel genießen sie allerdings ihren Machtstatus. In anderen Worten, nachdem man viele Jahre verdammt war, nur zuzuhören, foltern man nun mit quälenden Monologen zurück. Doch die Konkurrenz des Internets schlägt hier zu. So können wir zum Beispiel davon ausgehen, dass das Internet jetzt schon wesentlich bessere Vorlesungen bietet als der Durchschnittsprofessor (ein Beispiel ist hier mit Sicherheit Christian Spannagel, der mit unterhaltsamen Vorlesungen zur Mathematik vor allem neue Techniken bei seinen Vorlesungen benutzt und dabei allen anderen Professoren Konkurrenz macht. In den Kommentaren bei Youtube lassen sich dann häufig Kommentare lesen, wieviel besser seine Vorlesungen wären, als die ihrer Professoren). Wie reagieren hierauf also mittelmäßige Professoren?

Hier ein Vortrag von Christian Spannagel zu der Revolution durch digitale Medien. (Leider finde ich seinen Vortrag zur Konzeption neuer Vorlesungen nicht mehr. Wird allerdings nachgeliefert.)

Was ich sagen will: Wenn wir also als Unterrichtende weiter nur auf Vortragen bestehen, dann konkurrieren wir zunehmend mit immer besseren Vorlesungen im Web. Die Universität (vor allem in Amerika, wo es ja um großes Geld geht) muss sich daher verändern oder Lernen findet in Zukunft nicht mehr an den klassischen Institutionen statt. Was kann die Universität also leisten? Nun ich glaube sie kann einen Raum wahrer Interaktion bieten, wo Professoren die Inhalte im Netz für die Studenten systematisieren. Darüber hinaus können die Professoren dann die soziale Interaktion zwischen den Studenten herstellen. Dieses nenne ich in Zukunft „soziale Verstärkung“ des Lernens.

Schauen wir uns nun am Beispiel von Duolingo ein weiteres Beispiel für internetbasiertes Lernen an, was sozial verstärkt wird:

By various (Scan from the original book) [Public domain], via Wikimedia Commons

Auf eine spannende Weltmeisterschaft

2. Wie Duolingo Sprachen lernen verändert

Duolingo ist eine kostenlose Sprachlernsoftware. Leider ist das Angebot momentan nur auf Englisch verfügbar, so dass vor allem Menschen, die bereits Englisch können, etwas davon haben. Dieses aber will Duolingo bald ändern.

Insgesamt bringt es Duolingo (Artikel zu Duolingo hier) bei einer Sprache auf 3.000 Basis Vokabeln, wobei hierbei auch die basalen grammatischen Strukturen gelehrt werden. Es braucht ca. 100 Stunden bis man die Lektionen durchgegangen ist. Bis jetzt haben ca. 100.000 Menschen Duolingo absolviert.

Meine Erfahrungen mit Französisch bei Duolingo sind sehr positiv und ich habe das Gefühl, ich habe in einer Woche mehr gelernt als in einem Jahr Französisch an der Schule. Es ist tatsächlich sehr motivierend, weil man sich mit den Leveln, die man erwirbt mit seinen Freunden vergleicht und dabei vor allem soziale Anreize bekommt (zu den sozialen Anreizen komme ich am Ende noch). Dieses Leveln war vorher vor allem aus Spielen wie World-of-Warcraft bekannt und es wäre nun interessant, alle Lernsoftware des Internets in einen generellen Levelcharakter als persönliches Zeugnis zu überführen. So könnten wir uns alle direkt beobachtbar hochleveln.

Duolingo setzt auf freie Mitarbeit von Autoren

Neuerdings spannt Duolingo ähnlich dem Wikipediamodell Autoren für neue Kurse ein. Jeder, der zweisprachig aufgewachsen ist, kann dabei an einem Kurs mitarbeiten. Dies ist also der Versuch, Lehrbücher der Sprachen zu erstellen und diese der gesamten Welt in allen Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Lehrbücher bei Wikipedia

Die Idee ist nicht neu. Die Frage ist, ob dies funktioniert. Es gibt ja schon seit längerem den Versuch bei Wikipedia Lehrbücher zu erstellen. Hier hapert es allerdings an der Mitarbeit. Da so ein Buch womöglich doch längere Schreibwege benötigt als ein gewöhnlicher Wikipediaartikel und nicht ohne Weiteres schnell beendet werden kann, braucht es mehr Arbeit und Zielstrebigkeit der Autoren. Dies gelingt allerdings nur selten. In der deutschen Version von Wikibooks wurden so zwar bereits 677 Bücher mit 20.447 Buchkapiteln gestartet, 69 Bücher wurden aber nur als fertig markiert (Stand: Juli 2013 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikibooks). Ein Blick in die Kategorie „Philosophie“ verrät dann aber, dass diese Lehrbücher noch sehr dürftig sind: https://de.wikibooks.org/wiki/Regal:Philosophie. Das Modell setzt sich meines Erachtens bei Wikipedia nicht durch, aber ich habe auch nicht viele Lehrbücher in ihrer Qualität versucht zu bewerten.

Was also ist der Anreiz bei Duolingo für die Autoren Sprachkurse zu erstellen?

Bei Duolingo geht es darum, diese Lehrbücher kostenlos zu erstellen, die Objektive heißt::

„Our objective is to teach the world languages for free, so we also expect others to collaborate for free,“ („Unser Ziel ist es, der Welt Sprachen kostenlos zu unterrichten, daher erwarten wir andere frei zu kollaborieren.“

Im Moment finanziert sich Duolingo durch die 18 Millionen Dollar Startkapital, aber auch durch Übersetzungen, die mittels Duolingo von Nutzern erstellt werden. Hier können Nutzer Artikel aus dem Internet vorschlagen und diese dann in Fragmenten je nach Lust und Laune übersetzen. Im Gegenzug erhalten sie, Anerkennung für ihr Profil, welches sie zum Lernen überhaupt motiviert.

Dies ist wohl auch das zukünftige Geschäftsmodell von Duolingo, die Übersetzungsarbeit vieler dadurch zu belohnen, dass die freiwilligen Arbeiter etwas lernen und Anerkennung bekommen, während Duolingo freie und gute Übersetzungen, erstellt durch Schwarmintelligenz, auf dem Markt anbieten kann.

Da also Duolingo auf das kostenlose Mitwirken zielt, sei der Anreiz daher, dass die Schöpfer der neuen Kurse eine Nennung erhalten, also soziale Verstärkung ihres Lernens. Reicht dies allerdings aus? Der Gründer Von Ahn berichtet, dass ihn täglich tausende E-mails von Menschen erreichen, die bereit sind, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Das heißt, „Ja“.

Duolingo und interaktive Arbeit

Mittlerweile gibt es viele Schulen weltweit, die Duolingo nutzen und 30.000 Studenten folgen dieser Methode. Würde ich Sprachen unterrichten, so wäre es wohl auch ein Requirement bei mir. Die Studenten könnten dann einen bestimmten Levelgrad erreichen, um die entsprechende Benotung zu erhalten und müssten keine Tests schreiben. Natürlich könnten sie schummeln, aber das ist mir eigentlich egal, da die Noten bei den Arbeitgebern ohnehin einen geringeren Ausschlag geben, beschummeln sich Studenten selbst. Ich gebe ihnen die Möglichkeit etwas systematisch zu lernen. Kurz: Noten sind mir egal und ich gebe sie nur aus administrativen Zwängen.

Zwischen 60,000 und 70,000 Menschen registrieren sich derweil täglich bei Duolingo. Mittlerweile gibt es bereits 10 Millionen Nutzer. Ein Zeichen, dass die Verschiebung unserer klassischen Lernmodelle weiter voranschreitet und damit womöglich Sprachkurse überflüssig macht, wenn diese nicht reagieren.  Die Frage ist also, wie werden sich unsere Ausbildungswege mit diesen neuen Lernformen verändern? Ich könnte mir beispielsweise ein ähnliches System für Mathematik vorstellen.

3. Soziales Lernen

Bei der folgenden Infografik geht es um gute und schlechte Eigenschaften, die sehr gute Lerner haben. Besonders interessant ist dabei der Punkt, welche Auswirkungen das Setzen von Zielen hat, wenn die Probanden dieses ihren Freunden erzählen.

The Habits of Smart People
Source: Online-PhD-Programs.org

Studenten erreichen also ein Ziel eher, wenn sie es mit ihren Freunden teilen. Genau diesen Aspekt sehe ich im sozialen Lernen bei Duolingo und im Schach über das Internet erreicht. Also nochmal: 43% der Studenten erreichten ihr Ziel einfach so, 63% der Studenten, die ihr Ziel aufschrieben, erreichten dieses und 76% erreichten es, wenn sie es mit Freunden teilten. Ich bin relativ froh, dass Kiril Stankow (Dirigent) uns nun zweimal wöchentlich über unsere Ziele austauschen und diese festhalten. Eigentlich sollte mir die Universität dazu Gelegenheit geben, aber dies tut diese nicht.

4. Probleme beim Arbeiten mit dem Internet zum zerhackten Arbeiten

Kritik soll nochmal nachgeschoben sein. Es schließlich auch einige, die dies das Internet als sehr problematisch erachten. Angeblich verbrauchen amerikanische Arbeitnehmer 28 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Surfen im Internet und privaten Mails. Am wenigsten würde daher Arbeit noch mit Arbeit verbracht werden. Bei RescueTime (ein Programm, das ich empfehlen kann und das besser als die NSA das private Surfverhalten überwacht und am Ende der Woche einen Lagebericht schickt) heißt es, dass ein amerikanischer Angestellter 50 mal seine E-mails checkt, 77 Kurznachrichten verschickt und auch gerne mal auf seinen Lieblingsseiten (40) seine Zeit verbringt. Angeblich betrage der Schaden demnach:rund 650 Milliarden Dollar im Jahr. (Quelle: Denkreich)

Bei Denkreich heißt es:

„Nach der Patchwork-Familie kommt jetzt Patchwork-Arbeit. Medina bringt es auf den Punkt: „Wer unterbrochen wird (oder sich selbst unterbricht) braucht 50 Prozent länger für eine Aufgabe und macht 50 Prozent mehr Fehler.“

Nun, die Frage ist also, ob das Internet das Land der unbegrenzten Prokrastination führt oder ob wir im Internet Trainer finden, die uns an unsere Höchstleistungen bringen.Wie in meinem Artikel angekündigt, werde ich das Internet auch weiterhin nutzen, um meine Lernziele öffentlich zu machen und damit sozial zu verstärken:

Ihr findet mich hier: http://www.duolingo.com/Fibonaccie,

Ich beginne ab sofort einen Lernblog für Blues am Klavier: http://learning-the-blues.blogspot.com/, meine Klavierfertigkeiten gibt es hier. Einen Blog zum Schach hier und meine philosophischen Studien (denn ich bin ja Philosoph), die allerdings reichlich uninteressant sein dürften, gibt es hier.

Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine “gewaltig interessante” Pinterestwall zum Thema Lernen. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben oder einen konstruktiven (!) Kommentar hinterlassen.

Norman Schultz

Pittsburgh

Titelbildnachweis: By User:Nina Silaeva (личная работа) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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Wer war der intelligenteste Mensch der Welt, was ist Intelligenz und können wir sie steigern?

Zur Intelligenzsteigerung heißt es, dass selbst das Universum als gigantisches Gehirn  in eins genommen, hätte dann noch immer eine Grenze (Quelle: Artikel über die intellgentesten Menschen der Welt). In diesem Artikel geht es nicht um die Grenze des Universums aber um die äußere Grenze der menschlichen Intelligenz und eine etwaige Intelligenzsteigerung. Dabei schauen wir einerseits auf die intelligentesten Menschen ALLER ZEITEN, aber kümmern uns auch um die weniger ironische Frage, warum Menschen, die doch auf ihre Intelligenz so stolz sind, gleichzeitig so dumm sein können. (Titelbildnachweis: Public domain)

Katarrhaktes ouroboros

Das Universum,als gigantisches Gehirn. Was ist die Grenze der Intelligenz? (By Katarrhaktes (www.katarrhaktes.com CC-BY-3.0 Wikimedia Commons

Jawohl wir sind dumm und glauben doch die Welt sei wie die Aufgabe eines Intelligenztest leicht „berechenbar“. Doch vielleicht ist die Welt nicht lösbar. Vielleicht ist die Welt nicht durch ein geheimes Zahlenband verbunden. Bevor wir also zur Intelligenzsteigerung kommen stellen wir zunächst die Frage: Wohin reicht also überhaupt unsere Intelligenz?

Wer sich schon einmal in einen Intelligenztest vertieft hat, der bemerkt schnell, dass die Aufgaben eigentlich sehr einfach sind (Wer das noch nicht hat, ich habe hier ein paar Intelligenztests  zusammengestellt wie auch eine etwas genauere Auswertung von einigen Intelligenztests vorgenommen. Weitere sollen noch folgen). Das Paradoxe ist nun: Selbst bei einfahcen Intelligenztests scheitern wir mit unserer Intelligenz und die Welt ist wesentlich komplexer.

Fuchs.margin (MMW10F50 f6r) detail

Wenn ein Fuchs in ein Buch hineinschaut, kann dann ein Gelehrter herausblicken? By Master of Catherine of Cleves, Public domain,

Warum wir so blöd sind
Wir scheitern in Intelligenztests und bemerken oftmals später die verblüffende Einfachheit der gestellten Aufgaben. Um dies zu demonstrieren hier ein Beispiel:

„Versuchen Sie die folgende Frage zu beantworten, bevor Sie weiterlesen. Jack schaut Anne an, aber Anne schaut George an. Jack ist verheiratet, aber George nicht. Schaut eine verheiratete Person eine unverheiratete an?“

a) Ja      b) Nein    c) Kann nicht entschieden werden

Über 80 Prozent der Menschen beantworten diese Frage falsch. Falls Ihre Antwort war, dass die Frage nicht entschieden werden kann, gehören Sie zu auch zu ihnen. (Wie ich.) Die korrekte Antwort ist: Ja, eine verheiratete Person schaut eine unverheiratete an. http://giordano-bruno-stiftung.ch/blog/warum-kluge-menschen-dumme-dinge-tun/

Obwohl die Aufgabe meisterbar ist, ist es uns in irgendeiner Weise unangenehm logisch zu denken. Wir sparen Energie und fahren unsere Kapazitäten nicht hoch. Wir haben ein Denkorgan, aber intelligent sind wir deswegen noch lange nicht. Wir müssen also lernen, im Richtigen Moment unsere Kapazitäten zu nutzen.

Keulemans common fox

Fuchsintelligenz By Mivart, St. George Jackson, 1827-1900 Public domain, via Wikimedia Commons

Doch halt, selbst wenn wir dies tun, könnte es sein, dass Menschen von Natur aus dumm sind und wir eigentlich nicht unsere Intelligenz messen, sondern nur Potentiale zwischen den Menschen, nämlich ihre Dummheit. Das heißt, wir geben den Wert für die Intelligenz immer nur relativ zur Durchschnittsblödheit an.

Nun aber genug mit dem Menschheitsbashing. Kommen wir zur Frage: Was testen denn nun Intelligenztests?

Was Intelligenztests messen – Zum Problem der Mustererfassung

Was testen Intelligenztests? Nun Intelligenztests messen, was Intelligenztests messen. So kommentieren es zumeist Menschen, die ihr Ressentiment nicht zügeln können. Sie haben einen Argwohn auf Menschen, die besser sind und machen die Ergebnisse von Intelligenztests schlecht. Im Bild-Intelligenztest (der wahrlich nur von Bildlesern gemacht werden sollte) kommentiert dann zum Beispiel ein Nutzer:

Ich habe mein Vermögen ohne Abi und Studium gemacht. Bin ich jetzt blöder als ein Professor? Ist mir eigentlich wurscht. Lieber ein reicher Blöder als ein armer Akademiker. Es lebe der gesunde Menschenverstand. (Quelle: Bild)

Ganz kurz: Ja, der Herr ist blöder als ein Professor. Was der Kommentar aber demonstriert, ist dass unsere Gesellschaft wie eine Lotterie funktioniert und dies mag gar für akademische Bereiche gelten. In der Regel interessieren uns nicht die Intelligenten, sondern die Erfolgreichen. Erfolgreich ist aber nur jemand, der sich durchsetzt und nicht unbedingt jemand, der intelligent ist. Unter Umständen bekommen die Erfolgreichen ihren Erfolg auch durch das Geburtsglück zugesprochen. Wir müssen schon in einer ersten Welt geboren sein, um aufsteigen zu dürfen oder besser gesagt, die Klasse halten zu dürfen.

Univers flammarion 1888 nach Fabris

Der Griff nach der Wirklichkeit, By Sergio Fabris (Own work), CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons

Aber nochmal: Was testen dann Intelligenztests, wenn sie keine Aussage über Erfolg machen? Die Antwort ist schlicht: Intelligenztests testen die Fähigkeit Muster zu erkennen.

Ist es uns aber eine Hilfe Muster zu erkennen? Offenbar nicht, denn es führt nicht unbedingt zum Erfolg oder es ist keine notwendige Voraussetzung für Erfolgt. Somit stellt sich die Frage: Ist die Welt vielleicht so komplex, dass es keine Muster gibt und diese Muster nur eine Vorstellung unseres begrenzten Verstandes sind? Wenn dies der Fall ist, dann würde es keinen Sinn ergeben, Muster zu erforschen, Muster in der Natur zu suchen. Hiermit wäre begründet, warum intelligente Menschen nicht notwendig erfolgreich sind. Das vollendete Wissen wäre dann schlicht eine Kopie der Welt und kein Muster, das Zusammenhänge erklärt.

Doch wir können auch den entgegengesetzten Fall annehmen: Die Welt ist vielleicht in ihren kleinsten Teile nicht qualitativ verschieden. Das heißt, es gibt vielleicht Dinge, die überall gleich sind, so dass sich die Welt doch als das Quantative, als Zahlband finden lässt. Dann wäre die Welt doch in allen ihren Teilen essentiell eine Welt und genau hier wäre Intelligenz angemessen. Es gäbe etwas, das die Welt essentiell zusammenhalten würde und somit wäre die Welt mit der Intelligenz, nämlich in Mustern erfassbar. Dann aber hieße es, dass Welterkennende vielleicht nicht unbedingt an Erfolg interessiert sind und genau hier lebt der gesunde Menschenverstand.

Home in Relation to Everything

Das wohlgeordnete, weil wohlverstandene Universum By Roland Winkler, Leibnitz Institution of Astrophysics, Potsdam CC-BY-SA-3.0, via wikicommons

Zum Problem der Komplexität

Um das Problem der Komplexität der Muster zu illustrieren, vergleichen wir es mit einem Schachspiel: Ich könnte anfangen alle Eröffnungen und Weisen des Schachspiels zu systematisieren, allerdings würde ich bald so viel aufgeschrieben haben, dass ich Probleme hätte diese Liste zu überblicken. Ich hätte eine unglaublich lange Liste an Zügen und mein Gegner müsste lange warten, bis ich ich meinen Zug finde (da kann ich auch gleich selber denken).

Wir wissen im Grund nicht viel über das Schachspiel, aber vielleicht ist das Schachspiel gar so komplex, dass jede Regel eine Ausnahme in sich wäre? Hätte ich dann eine Liste aller Eröffnungszüge, dann wäre ich ebenso verloren vor dieser Liste wie vor dem Schachbrett. Ich müsste genauso lange wie vor dem Schachbrett den richtigen Zug, so den richtigen Zug in dieser Liste suchen.

Aber halt vielleicht gibt es Muster im Schachspiel. Dann kommt es letztlich darauf an, Muster zu suchen und auch Muster für Muster zu finden.

Wir können daher schließen: Intelligenz heißt womöglich, Muster zu erfassen und dies ist unsere Hoffnung auf Erkenntnis. Bisher sind wir damit ganz gut durch die Menschheitsgeschichte gefahren und auch wenn wir nicht wissen, was die Welt im innersten zusammenhält, so können wir uns hin und wieder an der Schönheit von gelegentlich auftretenden Muster ergötzen. Die Hoffnung ist, dass das gesammelte Wissen der Menschheit nicht aus Fakten besteht, sondern aus der Kenntnis von Mustern.

Wenn dies alles nun gilt, dann sollte es möglich sein nach diesem Intelligenzbegriff die intelligentesten Menschen aller Zeiten zu bestimmen. Dann wäre nämlich der intelligenteste Mensch aller Zeiten jemand, der darin besonders gut war, Muster zu erkennen. Hierbei geht es allerdings nicht um die simplen Muster von Intelligenztests, sondern um reichlich komplexere Muster.

Wer war also der intelligenteste Mensch aller Zeiten?

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 007

Voila, der intelligenteste Mensch aller Zeiten, na, wenn man da als Deutscher nicht mal stolz sein darf (by Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Public Domain))

Richtig, der Bildungsbürger springt von seinem Bürostuhl und ruft: „Dit war der Joethe!“ Nun nach historischer Forschung, wobei eben jene Erfolge in der Mustererkennung einbezogen worden sind, sei es der gute, alte Goethe gewesen, der dank der Tatsache, dass er auf allen Hochzeiten tanzte, glatt mit einem IQ von 210 nach Hause ging. Goethe, ja er hat den Zwischenkieferknochen entdeckt, einen Farbkreis gemalt und in seiner Freizeit Gedichte geschrieben. Wir lernen, wer sich universal überall einmischt hat gute Chancen in der Geschichte eine Nummer zu bekommen. Schauen wir uns aber die Tabelle der intelligentesten Alleskönner an:

Historische Person Intelligenzquotient… Flynn-Effekt
Goethe 210 188
Leibniz 205 183
Grotius 200 178
Pascal 195 173
Sarpi 195 173
Arnauld 190 168
Berkeley 190 168
Laplace 190 168
Melanchthon 190 168
Newton 190 168
Schelling 190 168
Voltaire 190 168
Comte 185 163
Galileo 185 163
Humboldt, A. 185 163
da Vinci 180 158
Descartes 180 158
Dickens 180 158
Hume 180 158
Liebig 180 158
Michelangelo 180 158
Mill, J.S. 180 158
Milton 180 158
Calvin 175 153
Humboldt W. 175 153
Kant 175 153
Kepler 175 153
Spinoza 175 153
Dumas, A. 170 148
Faraday 170 148
Fichte 170 148

Quelle: http://www.die-besten-nennen.de/sites/texte/text3.htm#Liste 2 bei dem zweiten Wert handelt es sich um die Korrektur nach dem Flynneffekt

Goethe.elefant.schaedel2

Hier versteckt sich irgendwo der Zwischenkieferknochen (by Johann David Schubert Public domain Wikimedia Commons

Zugegeben womöglich hätte Goethe überhaupt nicht diesen Höchstwert in einem standardisierten Test erreicht. Anders als wir den tatsächlichen IQ messen, handelt es sich doch hier um die Beimischung von Leistung in die Wertung. Aber ungeachtet dessen, können wir ablesen: Wer sich den gesamten Tag mit Mustern beschäftigt, der ist irgendwann auf Muster geeicht. Diese Prinzip gilt natürlich für alle Beschäftigungen, die wir erlernen wollen. Das heißt, wenn wir etwas lernen wollen, dann müssen wir nach Mustern suchen.+

In diesem Sinne habe ich für mich eine neue Tagesaufgabe gebastelt: Es geht darum Muster zu erkennen und diese einmal am Tag aufzuschreiben, solange bis Mustererkennung ein tägliches Geschäft ist und sich die Intelligenz wie beim juten Joethe steigert.

Dies ist ein weiter Weg, denn was heißt es nun, ein Genie in der Mustererkennung zu sein?Vergleichen wir daher abschließend die Intelligenz der Supermenschen mit unserer. Wie machen wir das? Nehmen wir den Abstand von einem geistig Behinderten (das mag politisch inkorrekt formuliert sein und ich bitte dies zu entschuldigen) zum Durchschnittsabiturienten (der ist ja in der Regel schwer alkoholgeschädigt und damit auch nicht der Hellste), so haben wir schon ein Maß. Dies sollten ungefähr 40 Punkte von 70 zu 110 sein. Jetzt denken wir mal über die 85 Punkte Abstand zu Goethe nach. Gut oder? Für Goethe sind wir schwer geistig behindert. Schaut Goethe in die Welt und erkennt er all ihre Muster, so schaut Goethe auch auf uns und dann schauen wir ziemlich dumm aus der Wäsche.

Goethe, Farbenkreis zur Symbolisierung des menschlichen Geistes- und Seelenlebens, 1809

Wer nen Farbkreis malen kann, der kann doch nicht doof sein (By Luestling at de.wikipedia Public domainWikimedia Commons

Zusammenfassung

Wir haben uns also bewusst gemacht, dass wir ganz schön dumm sind. Nach dieser ermutigenden Lektion haben wir den Grundstein gelegt, um zu verstehen, was Intelligenz sein könnte. Wir haben festgestellt, dass es um Mustererkennung geht. Wir haben uns demnach einer historischen Liste an Persönlichkeiten gewidmet, die diesen Umstand berücksichtigt. Wenn es also um eine allgemeine Intelligenzsteigerung gehen soll, so müssen wir im Mindesten lernen, Muster zu erkennen. Wie können wir dies schlussendlich erreichen? Nun darum geht es unter anderem auch in meinem Blog, deswegen könnt ihr diesen gerne abonnieren. Ein Patentrezept habe ich natürlich nicht, aber im Großen und Ganzen geht es in diesem Blog um die Fragen, der Intelligenz sowie um das Lernen.

Einen Hinweis zum Erlenen der Mustererkennung gibt jedoch eine Kurzanalyse des Physikers Feynman, was ich demnächst auf meinem popularphilosophischen Blog „Entgrenzen“ vorstellen werde. Ansonsten werde ich in den nächsten Tagen, noch ein paar Daten zu den intelligentesten, lebenden Menschen bereit stellen (die sind ganz witzig).

In diesem Sinne wäre es nett, wenn ihr mir Feedback gebt, um genauer zu verstehen, worauf ich mein Augenmerk eigentlich noch richten muss. Wenn ihr mir weiter folgen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine “gewaltig interessante” Pinterestwall zum Thema Lernen. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben, wenn ihr mal gemeinsame Projekte im Sinn habt.

Norman Schultz

Pittsburgh 2013

Auf das wir dann alle, irgendwann wie ein Dr. Faustus über das innerste Muster der Welt nachgrübeln
Jean Paul Laurens - Dr. Fausto
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Süddeutsche IQ Test unzuverlässig – Überlegungen zum Intelligenz steigern

Zum Thema „Intelligenz steigern“ durchforste ich ja im Moment diverse IQ-Tests im Internet. Hierbei bin ich natürlich auch nicht um den IQ-Test der Süddeutschen herum gekommen. Obwohl dieser Test, doch einige interessante Aufgaben vorgibt, erscheint am Ende das Ergebnis doch sehr fragwürdig. Wie an meinem Ergebnis zu sehen ist, habe ich in vier Bereichen jeweils einen Fehler und in zwei Bereichen keinen Fehler gemacht. Diese Leistung beläuft sich dann auf einen IQ von 130, was ca. 2 Prozent der Spitzengruppe entsprechen sollte.

Das heißt, ich bin knapp am Mensa-Kriterium vorgeschrammt, da der Test mit einer Standardabweichung von 16 verfährt. Standardabweichung 16 heißt hier unter anderem, dass der Test mit zwei Standardabweichungen vom Durchschnittswert eine Hochbegabung „diagnostiziert“. Bei einem Durchschnitt von 100 ist der Wert also 132. Aufgrund der verschieden verwendeten Standardabweichungen lässt sich im Übrigen auch erklären, warum die Amerikaner zumeist andere und zwar viel höhere IQs angeben. Es lohnt sich in diesen Fällen die Standardabweichung zu erfragen. Was heißt es nun zum Beispiel, dass Sharon Stone einen IQ von 154 ihr eigen nennt oder Madonna sich mit lockeren 140 schmückt? Ohne das Wissen über die Standardabweichungen bringt dies nicht viel. Und derweil ist wohl auch bekannt, dass Stone eher ein Fake als eine Intelligenzbestie ist. 

Aber nicht nur das. Zu dem ganzen IQ-Labyrinth kommt, dass einige Werte angeben, die im Kindesalter bestimmt worden sind, wobei dann der Wert aber entsprechend nach oben korrigiert wird. So kommt es zum Beispiel vor allem in Großbritianien sehr häufig vor, dass Mensa dreijährige Kleinkinder in den Club der geistig Schönen aufnimmt, die angeblich einen IQ von 159 oder gar 162 hätten. In den entsprechenden Redaktionen von immerhin Spiegel und Stern wundert sich allerdings niemand über diese Ergebnisse und liefert diese einfach an uns ohne kritische Rückfragen.

So ist es wohl auch im Fall von Marylin Vos Savant zu erklären, dass der Test, den sie mit angeblich 10 Jahren abgelegt hatte, so extrapoliert wurde, dass sie vier Jahre im Guinessbuch als intelligentester Mensch der Welt stehen konnte. Doch die angeblichen 225 Punkte kamen nur zu Stande, weil Vos Savant bei der Berechnung reichlich geschummelt hatte. Und seien wir ehrlich, warum sollte die Leistung einer Dreijährigen, die einen Test von vielleicht 130 IQ-Punkten ablegt, mit einem Erwachsenen auf dem Niveau von 220 vergleichbar sein?

Gleich aber nun welche Standardabweichung der Test der Süddeutschen verwendet, auch gleich welches Alter der Test berücksichtig, die Zuverlässigkeit des Tests ist wie bei so vielen Internettests stark anzuzweifeln. Und wenn selbst Matthias Moel, Mitglied bei Mensa bezweifelt, dass Mensa Mitglieder alle Aufgaben richtig lösen würden, dann ist der Test wohl eher nicht ernst zu nehmen. Kommen wir daher zu den Fehlerquellen

Fehlerquellen des IQ-Tests der Süddeutschen

1. Schlechter Range, nur vier Fehler entscheiden über Genie oder nicht Genie Die vier Fehler, die ich gemacht habe, müssten sich ja in diesem Test auf den Bereich bis 150 verteilen, das heißt, hätte ich zum Beispiel zwei Fehler weniger gemacht, wäre ich bei 140. Dass dies tatsächlich der Fall ist, erscheint mir im Hinblick auf das schludrige Testdesign wahrscheinlich. Da es sich bei mir tatsächlich um minimale Fehler handelte, wäre ich also fast in den Geniestatus geadelt worden. Zugleich fragt sich daher aber auch, welche Abstürze zusätzliche minimale Rechenfehler gebracht hätten. Wie schnell wäre ich also an einer 130 vorbeigeschrammt und im Tal der Geistverlassenen gelandet? Berücksichtigen wir diese Überlegungen, so ist die Messgenauigkeit des Süddeutschen IQ-Tests doch stark vom Zufall abhängig. Nun will ich keinesfalls behaupten, dass ich einen höheren IQ verdient hätte, allerdings führt dieses Ergebnis schlicht in die Irre und dürfte andere durchweg frustrieren, insofern sie eigentlich in die Hochebene des Mensa-Vereins gehören. Selbst wenn die Skalierung im Hinblick auf die Standardabweichung stimmen sollte, so sollte doch ein solcher Test einen weiteren Range haben. Von 80 Aufgaben sollte bereits die Beantwortung von mindestens 80 Prozent den Bereich ab 130 abdecken, um bis zu dem Bereich 150 überhaupt noch eine Skalierung zu ermöglichen. Ich kenne gar Tests, wo eine Beantwortung von knapp 50 Prozent dafür ausreichen. Daher ist momentan die Wahrscheinlichkeit, dass der Test IQ-Freaks ebenso leicht durch simple Fehlklicks oder kleinere Rechenfehler in falsche Bereiche eingemisst.

2. Keine Steigerung des Schwierigkeitsgrades

Hinzu kommt nun auch, dass sich der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben nicht sonderlich unterscheidet. Der Test misst meines Erachtens eher Genauigkeit und Geschwindigkeit. Obwohl diese Kriterien nicht zu vernachlässigen sind, müsste der Test schlicht Fragen aufbringen, die andere Schwierigkeitsgrade ausweisen und dafür einen weiteren Range erlauben. So macht auch James Flynn darauf aufmerksam, dass ein guter Intelligenztest eben jenen Anstieg der Schwierigkeitsgrade aufweisen muss. Würden wir zum Beispiel alle messen, wie gut wir uns die Schuhe binden können, würden wir womöglich alle recht ähnliche Werte aufweisen. Genau hier befindet sich also die Grenze des Tests: Die Zahlenreihen sind beispielsweise stets nach gleichem Prinzip gebaut, wobei es immer nur darum geht eine Reihe von wechselnden Operationen zu wiederholen. Die Logikaufgaben folgen simplen Ausschlussverfahren und der Sudokutest gibt geübten Sudokuspielern einen klaren Vorteil. Die immer gleichen Prinzipien, sprechen jedenfalls nicht für Fragen der Intelligenz, sondern stehen für Übung.

3. Eventuelle Messfehler?

Wie sich auch schon in einigen Forendiskussionen über den Süddeutschen-IQ-Test zeigt (wo sich übrigens irgendwie nur 140 IQler tummeln), ist der Test der Süddeutschen nicht zuverlässig. Viele vergleichen dabei andere Ergebnisse mit dem Test und kommen zu enormen Abweichungen. Dies mag durch verschiedene Faktoren begünstigt sein: Zum Ersten weiß ich nicht genau, ob der Test eigens geeicht worden ist oder ob er im Hinblick auf die bisherigen Testteilnehmer bestimmt wird. Sollte dieses der Fall sein, so muss davon ausgegangen werden, dass eher die intelligentere Klientel den IQ-Test getestet hat, so dass eine Verzerrung nach unten stattfindet. Das heißt, wenn im Durchschnitt, die Teilnehmer IQ-Kanonen von 110 sind, dann ist die 110 das neue 100. Hinzukommt, dass somit auch eine Mehrfachabsolvierung des Tests durch die Teilnehmer im Internet keine Seltenheit ist, um zum Beispiel eventuellen Abweichungen zu verfolgen und die Skalierung zu verstehen. Der Test wird also durch mehr Teilnehmer keineswegs reliabler, sondern immer ungenauer.

Persönliche Notiz und Intelligenz steigern

Zu meinen bisherigen Testungen muss ich hinzufügen, dass ich immer einen Bereich von 125 – 135 erreicht habe (Das gilt in einigen IQ-Kreisen wie zum Beispiel der Tripple Nine Society noch als ziemlich blöd). Als ich eine Klasse in der Schule dankenswerter Weise wiederholen durfte, wurde dieses amtlich wie eine Krankheit bescheinigt. Ich sollte also eigentlich zufrieden mit dem Test sein, doch für eine Mensa-Aufnahme, die ich gerne anstreben möchte, sollte es für mich sehr knapp werden. Allerdings haben Kiril (Dirigent in Tübingen) und ich beschlossen uns langfristig darauf vorzubereiten. Intelligenz zu steigern stellt sich im Hinblick solcher Tests nicht als das Problem heraus. Der sogenannte G-Faktor, wie auch der Psychologe Flynn diese Ansicht vertritt, lässt sich durchaus trainieren.

Intelligenzsteigerung notwendig?

Es ist fragwürdig wie wir allerdings eine solche Intelligenzsteigerung bewerten sollen, vielleicht üben wir dabei vor allem solche Tests gut zu absolvieren. Rick Rosner zum Beispiel, der momentan auf Platz 2 mit einem IQ von 192 rangiert, gibt selbst an teilweise 20 Stunden Intelligenztests zu absolvieren, um wieder Platz 1 einzunehmen. Wenn ich mir dann von dieser Liste die geistigen Resultate anderer IQ-Heroen anschaue, dann komme ich schon ins Grübeln. Ich glaube, dass wir bei der Intelligenzsteigerung im Hinblick auf IQ-Tests ab einem bestimmten Punkt nur noch das Lösen dieser Aufgaben trainieren. Ich kann natürlich dabei nicht leugnen, dass mir das permanente Lösen solcher Aufgaben viel Freude bereitet, wobei mir im Doktorstudium eher wenige solcher Denkleistungen abverlangt werden, dennoch mag ab einem bestimmten Punkt dieses Spiel wie das Bauen von Intelligenzsandburgen sein und hat abgesehen vom künstlerischen Wert des Rätselns selbst wenig mit unserer Gesellschaft gemein. So ist zum Beispiel bemerkenswert, das Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman auf der High School einen IQ von 125 erreichte (Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Overachiever).[3] Selbst ein Physikgenie braucht also nur die Grundausstattung. Dabei heißt es ja auch so schön, bei bestimmten Reisezielen sei es beinah egal, ob wir mit einem Ferrari oder einem VW fahren, denn in der wirklichen Welt sei nur die Kontinuität des Denkens wichtig.

Nachdem also Feynman den Nobelpreis gewann, bot ihm Mensa dann doch eine Mitgliedschaft an. Feynman lehnte das Angebot des Hochbegabtenvereins ab, schließlich hatte er das Aufnahmekriterium von mindestens 2 Standardabweichungen nicht erreicht. 

Weitere IQ-Tests

Wer weiter IQ-Tests trainieren möchte (und Denken kann ja zur Abwechslung nicht schlecht sein) so sind hier noch ein paar zu finden.

IQ-Test.dk

Einen meines Erachtens ganz guten IQ-Test liefert http://www.iqtest.de/test.php, wobei die Aufgabenschwierigkeiten schon stark steigen und die Lösungen nicht veröffentlicht werden. Zudem wurde dieser Test angeblich an 250.000 Personen geeicht. Zugegeben das hört sich eigentlich sehr teuer an und hört sich aus diesem Grund wieder nach einer unangenehmen Interneteichung an. Genauere Angaben sind hierzu allerdings nicht zu finden und mir erscheint der Test plausibel. Hier mein Ergebnis:

 

 

IQ-Out

Dieser Test ist wohl vom Schwierigkeitsgrad her am schwersten. Angeblich solle dieser auch in hohe Bereiche gut hineinmessen und wurde so erstellt, dass er kulturneutral sei. Ich muss zugeben, dass ich diesen Test zusammen mit Kiril viel geübt habe, um folgendes Ergebnis zu erzielen. Auch hier dachten die Testingenieure wohl, dass eine internetbasierte Auswertung den tatsächlichen IQ abbilden würde, allerdings haben sich die Autoren vertan, denn allein der Fakt, dass Kiril und ich diesen Test mindestens 20 mal gemacht haben, zeigt, dass wohl auch andere den Test nicht nur einmal machten und ihre Ergebnisse konstant gesteigert haben. Ich erachte den Test gar als gutes Training, dass man sich ab und an mal gönnen sollte. Verschiebungen sind daher zu erwarten. Und nochmal: IQ-Tests, die aufgrund des Internets geeicht werden, sind daher nicht zuverlässig. Wer bei diesem Internettest allerdings auf Anhieb einen IQ von 150 erreicht, darf sich wohl als Genie feiern, denn der Test ist meines Erachtens wirklich schwierig.

  Mich würde mal interessieren, was ihr so auf Anhieb erreicht, ich war wohl irgendwie bei 120, was nicht dolle ist.

Intelligenz bei Bild

So und wer nun noch einen Test für Blöde machen will, wo der IQ eher sich nach unten verzerrt, weil es eher von IQ-Kanonen um die 90 absolviert wird, der kann auch gerne bei der Bildzeitung reinschnuppern. Wer dort gut ist, kriegt dann auch die der IQ-Erwartung entsprechende Messgenauigkeit. Mir sagte der Test nämlich: „Sie sind wirklich schlau.“ Donnerwetter, das hätte ich nicht gedacht.

 

Ich hoffe der Artikel regte zum Nachdenken und Trainieren an und hat einige interessante Informationen zusammengetragen, wenn ja dann bitte teilen oder kommentieren. Mich würden ja mal die Ergebnisse, die ihr erzielt interessieren. Ansonsten werde ich die nächsten Tage noch einen anderen Artikel auf meinem anderen Blog zum Thema Intelligenzquotient und den intelligentesten Menschen der Welt zusammen stellen. Added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine “gewaltig interessante” Pinterestwall zum Thema Lernen. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben, wenn ihr mal gemeinsame Projekte im Sinn habt. Norman Schultz Pittsburgh 2013

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Zur transhumanistischen Gehirneroberung – Warum Schulen kein Wissen, sondern Gehorchen lehren

In rumänischen Klassenzimmern wachte das magische Auge Big Brothers und plötzlich fielen 50 Prozent der Schüler durch das Abitur. Ein Schummlerschurkenstaat von dem Obama die E-mails checken muss? Da fühlten wir uns doch bei dem angeblichen Schummelvolk der Rumänen, die mit einer Bettelmafia deutsche Städte betrügen, gleich überlegen, doch schon hieß es, dass bei den Deutschen gar vier von fünf Studenten schummeln. (Titelbildnachweis: Viktor Angerer [Public domain], via Wikimedia Commons)

Weil wir nun die menschliche Natur so gut kannten, glaubten wir, dass das Schummeln nicht nur zu den Rumänen oder zu uns Deutschen gehöre, sondern eben zur menschlichen Natur. Doch der naturalistischen Biolehrer-Attitüde ließ sich ein Experiment aus Oxford entgegensetzen: Dort hatten Probanden die Chance 15 Euro im Telefoninterview zu gewinnen, wenn sie bei sich im stillen Kämmerlein Zahl werfen würden. Nach Angabe der Forscher schummelte kaum jemand bei diesem unkontrollierbaren Münzwurf

Aus diesem Grund müssen wir das Phänomen des Schummelns wohl eher durch die Sozialstruktur der Schule erklären als durch die menschliche Natur.

Georges de La Tour - Cheater with the Ace of Diamonds - WGA12334

Der Reiz des Schummelns - Bild de La Tour Public Domain

Der miese Schummler im Umkreis der Heldengeschichten und sein Wunsch nach Biographie

Seitdem Politiker ihren Doktorhut nehmen müssen, machen wir den neuen Schurken im Staat aus: Der Schummler ist ein Saboteur, der Anschläge auf unsere Lebenslaufverwaltung durchführt. Der Ertrag dieses „Kriminellen“ ist nicht mehr das direkte Produkt. Er will keine Nahrung, keine Lust, kein reales Prestigeobjekt. Ihn interessiert auch nicht das indirekte Produkt, ein abstraktes Zahlungsmittel. Das Ziel des Schummlers ist das Zahlungsmittel für das Zahlungsmittel: Biographie. Dieser doch komplizierte, ethische Wunsch ein geordnetes, gutes Leben vor anderen zu beweisen, deutet darauf, dass der Schummler eher Resultat sozialer Umstände als Natur des real existierenden Bösen ist. Gerade in unseren Sozialstrukturen überhöhen wir Biografien, die wir dann in Buchhandlungen wie die Geschichten von antiken Heroen ergattern. Zumeist geht es in diesen Biografien um den Ethos: Arbeit und Zeit, die sich zu einem unverrückbaren Fels der Leistung zusammenballen. Der Schummler erliegt dem Zwang, moderne Heldengeschichten nachzuschreiben. Er will zwar ethisch, aber das ohne Kosten sein.

Lew Cody The Beloved Cheater 1 Film Daily 1919

Die richtige Biografie: Public domain

Notiz zu Biographien: Mit der Kunst des Weglassens schreiben diese ihr Leben. Bedeutungsloses, die beständige Wiederholung unserer drögen Existenz im Alltag, fällt unter den Tisch. Die Stunden des einsamen Übens, die Grundlage für jede Fähigkeit sind, verschwinden hinter den Grenzleistungen stilisierter Biografien. Biografien versammeln so die Spitzen eines Lebens und sind dadurch außergewöhnlich. Es heißt, alles Überflüssige herauszudestillieren und nur die Brillanz des genialen Momentes in den Vordergrund zu rücken.

Den Schummler zwingt diese verzerrte Perspektive nach der Abkürzung zu suchen und konkret an dem Leben, das ein Buch werden soll, mitzuwirken. Im Abitur schreibt er dann an seiner bisher einzigen Wegmarke im Lebenslauf. 19 Jahre seines Lebens passierte nichts Nennenswertes. Nach der Schule aber soll sich die Biografie wenigstens einmal verwandeln. Dieser Moment ist der Moment des Autors.

Die Schule und ihr Parasit

Der Schummler aber hat sein Heim in der Schule. Dort haust er als Parasit in einer Erziehungsanstalten, die eigentlich genau das Gegenteil seiner Art hervorbringen sollen: Eine ungeschönte, authentische Biografie, ein ethisches Individuum. Bei diesen Biographiepoolen der legitimen Selektion handelt es sich um Makler von linearen Lebensläufen. Gekonnte Selektion, die suggeriert, dass die Leistung in der Schule des Einzelnen über den schnörkellosen Lebensweg entscheidet, wo angeblich die Blümchen und Ethiken am Wegesrand wachsen. Die Zertifikate sollen daher unverkäufliche Statussymbole sein, die gegen kein Geld der Welt, sondern nur durch den Respekt vor der Institution erworben werden dürfen. Nur der Wille zur Leistung in solchen Institutionen rechtfertigt den späteren Aufstieg im Sozialsystem, rechtfertigt den Fels einer Biografie, die mit der ersten großen Reifeleistung für das System beginnen soll.

Schulen und Universitäten sollen so angeblich die Bildung des Menschen bewirken, als würden sie aus dem rohen Stein des menschlichen Wusts an Erlebnissen die Statue des richtigen Lebens herausschlagen. Sie sollen den Keim von Lebensläufen bilden, Lebensläufen, die sich der Reifung und Selbstentfaltung des Gehirns verschrieben haben. Es sind Gehirnprägewerke für postmoderne Leistungsbefürworter, wobei die Leistung darin besteht, das Gehirn gemäß bestimmter Vorgaben verändern und entfalten zu wollen.

Decreased Brain Volume from Lead Exposure

Die Eroberung des Gehirns, Bild: By Cecil KM, Brubaker CJ, Adler CM, Dietrich KN, Altaye M, et al. CC-BY-3.0 Wikimedia

Mit dem produktiven Schuldruck des Eins-Komma-Abis säen wir dann diese Biografiesamen in die Gesellschaft. Angesichts aber dieser Zielstellung des Gehirnprägens haben unsere Anstalten vielleicht weniger mit Bildung, als vielmehr mit der Prägekraft für Leistungsbürger zu tun. Schulen sind womöglich eher die Zulassungsstellen für Teilnehmer im Verkehrssystem anerkannter Biografien. Wenn nun Schulen, so wie es überall angeprangert wird, daher weniger mit Wissen zu tun haben, dann ist es auch an der Zeit diese restlichen Funktionen genauer zu bestimmen. Vielleicht überschätzen wir den Wert der Bildung und unterschätzen den Wert der Geradlinigkeit für unser System. Vielleicht soll Schule so im Verborgenen unseres funktionierenden Systems eine Zulassungsstelle für Biografien sein, die sich mit diesem System wie Zahnräder verzahnen lassen. Denn so ist es doch in unserer Biographie-Gesellschaft: Es treffen sich nicht mehr zwei Menschen, sondern divers Zertifizierte, die sich auf dieser Grundlage ihre Leistungsbereitschaft abkaufen, und dies ohne die Leistung des anderen kennen zu müssen.

Der versteckte Lehrplan tat für dieses Vertrauen in die Zertifikate sein Übriges. Das Stillsitzen, das Schweigen, das Stillen des Lebenstriebes, die Unterdrückung des Ausbruchs, die Erniedrigung vor den Regeln, die Regelbefürwortung, für all das bekommen wir unser Zertifikat und erlangen unsere Glaubwürdigkeit vor anderen. Wir werden berechenbar. Doch leisten wir?

Schulleister bringen keine tatsächlichen Leistungen mit nach Hause. Einziges Produkt sind sie selbst als Unterdrückte, gradlinige Biografien. Sie sollen als wohlstrukturierte Leistungsbürger die Schule verlassen. Ohne jegliches Interesse am Stoff sind sie kapitalistisch uninteressiert, jederzeit bereit, das Gehirn auf neue Aufgaben einzustellen.

Wir müssen also die Frage stellen, was wir tatsächlich in den Institutionen erwerben. Wie ist es zum Beispiel möglich, dass sich Menschen als Arzt durchschummeln, die niemals eine Universität besucht haben oder Piloten werden, obwohl sie keine Ausbildung besitzen? Es erscheint im Hinblick darauf eher so, dass die eigentliche Tätigkeit schneller erworben werden kann, als unsere Institutionen es uns vorgaukeln. Stattdessen verwenden Bildungsinstitutionen eher einen bedeutenden Teil ihres Unterrichts auf die Disziplinierungsverfahren.

Was ist Leistung in der Schule?

Was leisten wir also wirklich in Schulen? Schon ein Blick auf die tatsächlich erbrachte Leistung macht deutlich, dass Schulen wenig mit Arbeit gemein haben. Schüler haben wohl noch niemals in einer Klassenarbeit tatsächliches Wissen hervorgebracht. Da die Abiturarbeiten ein paar Jahrzehnte archiviert und dann heimlich ohne Pomp der Müllverbrennung übergeben werden, lässt sich darauf schließen, dass wir hier nicht die Schätze der Menschheit verschwenden. Es hat den Anschein als würden wir das Abitur nur nicht gleich verbrennen, weil sich der miese Schummler unter unserem Menschengeschlecht herumtreibt und wir uns die Macht der Kontrolle bewahren. Vielleicht aber archivieren wir auch die schulische Leistungen, um uns selbst die Idee zu heucheln, dass der Großteil unserer Schulleistung kein Müll gewesen wäre. Erst wenn wir Arbeiten sogleich verbrennen, erkennen wir, dass sie wertlos waren. Wer also ist für die Aufbewahrung von Abiturarbeiten?

Am Hans-Grüninger-Gymnasium in Markgröningen ist man daher konsequenter. Dort ziehen die Schüler seit 1975 in einem Trauermarsch durch die Straßen, um die wertlosen Resultate ihrer Schulzeit zu verbrennen. Dieses sind Trauermärsche für verpasste Chancen. Man hat erkannt, dass die sinnlose Materialanhäufung zu großen Teilen Beschäftigungstherapie innerhalb eines Selektionsverfahrens war. Im Selektionsverfahren ging es niemals um das stoffliche, man selbst war nur der Rohstoff um den Verbrennungsmotor einer größeren Maschine.

Biographische Notiz: Tatsächlich platzen auch meine Schränke aus allen Nähten, weil ich immer wieder dem Wahn unterliege, dass sich das angesammelte Wissen aus der Studienzeit, irgendwie doch noch verwerten lassen müsste. Ich weiß sogar noch, wie ich beim Studium Hefter aus der sechsten Klasse aufhob, weil ich ja doch nochmal die Fledermaus studieren würde wollen. So wie sie unsere Biolehrerin Frau Weser und dann Frau Füssel damals unterrichtete (Wikipedia machte uns Archivaren einen Strich durch die Rechnung). Doch ich weiß immer noch nicht, was Korbblütler und Polypen sind. Die ganzen Kategorien der Tiere und Pflanzen, sie rauschten wie eine Autobahnlandschaft an mir vorbei und ich bestand Bio mit einer vier.

Aus dem Gesagten lässt sich schließen: Es ist wohl eher so, dass viele zu erfüllende Arbeiten in der Schule sinnloser Verwaltungsballast sind und damit meine ich nicht die tatsächliche Verwaltung, sondern das, was Schüler an Stoff bewältigen. Vielleicht sollen wir bei dem gesammelten Müll nur Herren einer Aktenlage werden, vielleicht sollen wir nur lernen, wie wir archivieren, wobei die Inhalte beinahe arbiträr nichts Wirkliches zu unseren Lebensplänen und Lebensläufen beitragen. Wenn die Kultusminister mit allem Ernst Lehrpläne verhandeln, so merken sie vielleicht nicht, wie lächerlich die Vorschläge der Stofffülle sind, da sie nur den Stoff verhandeln, den wir letztlich in den Müll des Abiturs transkribieren. Sie verhandeln, was wir schließlich nach Jahren der Lagerung verbrennen. Wo findet das wirkliche Lernen statt? Was macht es schließlich, dass ich vier plus vier unauslöschlich in meinem Gehirn gespeichert habe? Und wo können wir wirklich etwas leisten? All das fragen wir nicht, Schulen sind daher nur an der Oberfläche relevant, tatsächlich aber befinden wir uns in einer Disziplinierungsanstalt.

Fragen

Was haben wir wirklich gelernt? Listen wir auf: Das Einmaleins, Schreiben (Gutes Schreiben in 13 Jahren?), eine Fremdsprache (?). Fragen wir, wer hat uns das A beigebracht: War es der Lehrer, dessen Mund sich immer wieder formte, wenn dieses geheimnisvolle Schriftzeichen auftauchte? Oder war es vielleicht nur der Moment, als wir einsahen, einer Regel folgen zu müssen? Vielleicht lernen wir nicht den Stoff, sondern das Gehorchen.

Wir lernen zu gehorchen

So wie das Vorschulkind von seinen Eltern noch nicht weiß, dass es auf Fragen antworten muss, so lernt es zu antworten, wenn man es fragt. Jahrtausende jedoch lebten Menschen ohne das Machtspiel der Fragen. Die Schule hat es perfektioniert. Ich frage, du antwortest. Ich rede, du hörst zu.

Und so mag sich vielleicht kein Lehrer eingestehen, dass all die Vorbereitung am heimischen Schreibtisch, dass all seine Lebensleistung vielleicht schlicht verpufft und er nur Diener einer anderen Leistungsmoral war, dass er nur ein Machtspiel instituierte und das wirklich Gelernte viel geringer war, als er es sich immer wünschte. So wie der Sklaventreiber Sklaven treibt; doch er treibt nicht nur Sklaven, sondern er baut an einer Pyramide; doch er baut nicht nur eine Pyramide, sondern in allem instituiert er eine andere Macht. Die Sklaven arbeiten nicht nur, sie bauen nicht nur eine Pyramide, sie bestätigen die gesellschaftliche Macht, genauso hält der Lehrer nur die Peitsche eines angeblich stofflich überlegenen Wissens; genauso baut er an einer anderen Pyramide, einer Biographie, doch genauso bringt seine Wissenspeitsche eine ganz andere Gesellschaft hervor. All seine Versuche Wissen zu vermitteln sind letztlich auch die Züge einer höheren Disziplinierung. Sein angebliches Wissen ist Macht.

Einblick in meine gegenwärtige Beschäftigung: Unter der Peitsche lerne ich derzeit für die „Incomprehensive Exams“, ohne in irgendein Wissen zu produzieren. Wenn wir ohne Sinn und Verstand 15 Bücher der Philosophiegeschichte für einen 6-stündigen Test beherrschen sollen, dann wühle ich es wie den intellektuellen Dreck der Jahrhunderte in mich hinein. Da sind keine qualitativen Gedanken, die ich denke, sondern ich sortiere wie ein Leichenfledderer die Skelette der Vergangenheit. Hier sortiert einer Philosophien und reiht sie ohne Sinn und Verstand auf. So als würde der wirkliche Gedanke zwischen zwei Buchdeckeln gepresst sein und nicht in unserer Leistung des Denkens bestehen. Und so ist es mit den vernunftbegabten Individuen, die sich irgendwie aus dem Dreck der Verwaltungsaufgaben herauswühlen müssen und sich dann doch die Zeit zum Denken aus einer anderen Zeit heraus nehmen sollen. Wir schuften, aber wirkliche Arbeit verrichten wir nicht. Wir sind besinnungslos im eigentlichen Apparat der Gesellschaft.

Doch es ist nicht ganz richtig. Mittlerweile hebe ich die sinnlosen Mitschriften auf. Sie sind noch nicht gleich Müll. Damit ich meine Verwaltungsarbeiten schnell den Studenten im Unterricht „übergeben“ kann, schreibe ich ordentlicher. Ein Beamter unterrichtet seinen Weg, nur damit einige Studenten es vielleicht aufheben und wir dieses „Übergebene“ durch alle Zeiten übergeben. Eine Stafette der sinnlos leuchtenden Gehirne, die sich einbilden, sie hätten Wissen erreicht, wenn andere es wiederholen.

Was also weisen Schulen nach?

Nun die Ausdrucksweise ist drastisch, aber die Tests der Schule entbehren nicht einer gewissen Sinnlosigkeit in Bezug auf ihr Resultat. Sind sie daher sinnvoll? Ein wichtiges Ziel ist wohl der Nachweis höherer Anpassbarkeit, Selektion. Was Tiere unter realen Bedingungen erproben, haben wir in die Verwaltung unserer Schüler und Studenten gezwungen. Dass Menschen sich einfinden, so dass Kameras ihre unerlaubten Blicke einfangen können, ist daher Resultat einer Anpassungsforderung. Der Überlebensstress der Natur heißt nun Prüfungsangst. Vor 500 Jahren war es wohl noch in vielen Gegenden Deutschlands unvorstellbar, sich in einem Klassenzimmer einzufinden, wo der Geist nun nichts anderes macht, als als sich selbst als anderen hervorzubringen. Heute aber sind wir schockiert, dass ein angepasster Leistungsbürger mit 0,7 Abi das Medizinstudium nicht beginnen darf? Wir haben die Rechte der Lernenden als fluides Ich-Gewebe gestärkt. Wir besitzen nun charakterlose Wissensstaubsauger, aber wir wissen nicht, was Wissen eigentlich ist. Aber auch bei der Frage, was Wissen sei verraten sich die meisten Bildungsbürger.

Bildung müsse nutzlos sein

In diesen Diskurs um die strikten Systeme mischt sich sogleich der Wahn, dass Bildung nutzlos sein müsse. Einige Bildungsbürger prangern die Nützlichkeit eines Systems an, denn so heißt es, nur der Unnutz würde Wissen langfristig hervorbringen. Sie wollen also den Unnutz aus Nützlichkeit. Auch all diese Bildungsreformer fallen daher auf die Versprechen unserer Gesellschaft herein. Wenn dann an den reformierten Schulen Wissen unterrichtet wird, dass tatsächlich eine längere Halbwertszeit hat, weil es nutzlos ist, dann sind sie sich nicht bewusst, dass vielleicht auch die Resultate dieser Projekte schlichtweg verbrannt werden können. Wissen aber in unserer Bildung ist doch schon nutzlos.

Vitruvian

Zum Transhumanismus, die Vermessung des Menschen: Leonardo da Vinci Public domain


Auch sie also fesseln den Schüler auf die Streckbank, die bald mit dem Neurenhancing die Strukturen aller Menschlichkeit zerreisen kann. Das Wissen ist ein unmenschlicher Imperativ, den Menschen selbst zu überwinden. Eine Bildungsgesellschaft ist eine Gesellschaft, die unglücklich mit sich selbst ist und mit Optimismus auf eine bessere Zukunft lauert.

Die Ökonomie des veränderten Menschen

Nachdem die Staaten also die Zöglinge in militärische Riten gepresst hatten, hat die Ökonomie übernommen und den Menschen nicht nur einmal  verändert. Längst prägen wir nicht mehr den Soldaten oder den maschinentauglichen Proletarier. Der Anspruch sei heute lebenslanges Lernen, als lebenslange Strapazierung des menschlichen Ich-Gewebes mit Wissen. Wir haben lebenslang bekommen. Wir wissen, dass wir immer mehr wissen sollen. Das Ich bestimmt sich hier unter dem Imperativ ein Anderer zu sein. Dieser Imperativ ist eine geistige Todeszelle für die Naivität, die wir gewesen sein werden. Unsere Gegenwart akzeptiert dabei die Neuroplastizität des Gehirns nicht nur, sondern erklärt sie zum Prinzip. Eine Überlebensfunktion, die Anpassbarkeit auf veränderte Umweltbedingungen, die Fähigkeit sein Gehirn anzupassen, gerät zum wesentlichen Lebensmittel. Wir haben keine Ruhe mehr, sondern sind beständig unter Wissensstress, weil sich alles angeblich verändert.
Anpassbarkeit ist nicht mehr die Vorbereitung auf den Ernstfall der Ausrottung, sondern der andauernde Notfall im Durchschnittsalltag. Anpassbarkeit ist nicht mehr Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen, sondern permanent Reaktion auf sich selbst. Sich selbst Negieren ist daher zur Fingerübung des Reflektierten geworden. Wir lernen niemand zu sein.
Negationsreflexion als zentrale Beziehungseigenschaft
Der Stress dieser beständiger Selbstnegation lässt dass „Wir“ traditioneller, sozialer Strukturen bröckeln. Die Familie zerbricht in Fernbeziehung von Lernnomaden. Was in den einsamen Großstädten verbleibt sind auf Sexualität stimulierte Lustmenschen, die sich stetig auch noch bis in die letzte Pore ausprobieren müssen. Experimentierleidenschaft gehört daher auch zum Ich der Lüste, das an der Folter zum Neuroplastiker gewachsen ist. Die Lust kann nur noch Fixstern in einer veränderlichen Zeit sein. Sex verspricht uns in unserer Zeit die letzte Wahrheit. In den Abgrund der Reflexion aber stürzen wir postmodern ohne Wahrheitskern, bestimmt im Geflecht beständiger Veränderbarkeit. 

Für diesen Willen zur Nachgiebigkeit bieten wir unseren Willen auf. Wie Schilfgras biegen wir uns und wollen doch letztlich ein anderes Gehirn haben; ein anderer sein. Die Selbstverletzungsriten der Moderne richten sich nicht mehr nur auf ausgeleierte Ohrläppchen, komplett tätowierte Körper oder geritzte Oberarme, sondern auf ausgeleierte Gehirne. Menschen, die ohne Würde nur noch Leistungsmoral leben. Der Leistungsverweigerer ist dabei ein anderer Ich-Kern, dem wir ein Herr von Sozialpädagogen entgegen stellen. Sie sind Integrationshelfer für eine doch angeblich positive Wissensökonomie.

Keine Seinsfrage bestimmt das Lernen, sondern der Anpassungsdruck bestimmt den Stil einer Gehirneroberung. Alles in allem ist es vielleicht nicht die Aussicht auf kurzfristige Erfolge, die den Schummler drängt, sondern paradoxer Weise sein Wille nachzuweisen, dass er sich in ein System der Veränderung hineinverändert hat, wobei er unentdeckt doch ein egoistisches Ich bleiben möchte. Schummler sind Bewunderer des eigenen Selbst, und wollen doch das Ich, das sie nicht sein können. Zugleich wollen sie das Ich, das sie nicht sein dürfen. Der Schummler steht zwischen der Front des Selbst und dem gesellschaftlichen Druck aus dem wertlosen Stück Kohle, dass er noch ist, einen Diamanten zu pressen.

Ausblick

Das Schleifen des Diamanten hat noch überhaupt nicht begonnen und wird im Zuge der „Neuroenhancing-Technologie“ der nächsten Jahrzehnte beginnen. Alles ist Vorbereitung auf den Transhumanismus.

Was wir wirklich lernen?

Nun stellt sich die Frage, ob unsere Systeme, wenn sie denn nur zum dynamischen Selbsterhalt beitragen, wirkliches Lernen in den Mittelpunkt stellen. Wir glauben schließlich, dass unsere Schul- und Universtitätssysteme nur eine einzige Aufgabe hätten, Wissen zu vermitteln. Doch angesichts der Tatsache, dass wir kaum wissen, wie wir Wissen erwerben, sind Schulen und Universitäten vielleicht nicht für diese noble Aufgabe ausgelegt. Stattdessen sind die ehemaligen Militärschmieden immer noch Prüfverfahren dafür, wie lange wir bereit sind, uns einem Ziel der Veränderung zu verschreiben. Wie stark willst du dich brechen lassen? Es geht um die großangelegte Gehirneroberung, die diese doch mit dem Ausgang aus der Unmündigkeit, mit der Freiheit des Lernenden bestraft. Dass wir uns innerlich verändern ist nahezu unbestreitbar, doch die langen Wege um ein Einmaleins oder ein Codierverfahren wie das Alphabet zu erwerben, zeigen, dass wir nicht genau wissen, wie Lernen funktioniert, noch dass wir wissen, welche Bedeutung über das System hinaus dieses Lernen haben könnte. Unser mangelndes Wissen über den Wissenserwerb zeigt somit, dass sich die Machtsrukturen des Wissenserwerbes auch aus anderen Gründen reproduzieren. Wir brauchen sie, um Lebensphasen des langsamen Lernens doch mit dem Nachweis der Veränderbarkeit zu füllen und die Gehirneroberung überhaupt in Einklang mit unseren gesellschaftlichen Zielen zu bringen. Wir brauchen die Wissensdemagogie auch, um anpassungswillige Individuen nicht zu schulen, sondern sie ohne Kenntnis zu selektieren. An der Spitze unserer Gesellschaft stehen dann die Wissenden, die sich durch die Schule geackert haben, und weil sie sich jahrelang quälten, befürworten sie diesen Apparat.

LeNain-Tricheurs-Reims

Was also tun mit den Schummlern? Georges de La Tour Public domain

Die ökonomische Presse eines unsichtbaren Leviathans belädt uns mit Riten der Leistung. Unser lokaler Wissensdrang, den wir bei Kindern so gerne konditionieren, ist schon längst Durchblutungsprinzip eines größeren, undurchschaubaren Organismus geworden. Für uns bleibt nur die Frage, ob wir optimistisch diesen Wissensdrang annehmen oder ihn als Wissenszwang erleben. Doch auch der Zwang sich über die Sinnlosigkeit unserer Schul- und Universitätssysteme aufzuplustern, gehört in das Schema jenes zersausten Veränderungswillen einer modernen Menschheit.

Noch bestrafen wir den Schummler und schließen ihn aus dem Zyklus des Lernens aus. Es heißt nun, dass die durchgefallenen Schummler in Rumänien selbst im nächsten Jahr ihr Abitur nicht wiederholen dürften (http://www.spiegel.de/schulspiegel/schulmisere-in-rumaenien-jeder-zweite-rasselte-durch-abi-pruefung-a-772265.html). Der Schummler hingegen ist nur Ausdruck eines Systems, dass es auf Gehrinveränderung anlegt. In Zukunft wird dieser Schummler durch Neuro-Enhancing eine neue Chance in unserer Gesellschaft bekommen, weil wir die Struktur unserer Veränderungsdiktatur nicht durchdringen. Die Schule will die neue Tour-de-France werden, wobei das Doping durch die neusten Implantate ersetzt werden wird.

Stattdessen aber müssten wir uns fragen, wie wir wirklich lernen und was dieses Lernen für uns bedeutet, denn diese Menschheit hat es noch nicht zu ethischen Würden gebracht. Bei bewusstem Lernen geht es daher nicht um die postmoderne Anpassung an alle arbiträren Hintergründe des Lebenslaufes, sondern um die Würde des Menschen im Sein, vielleicht gar nur um das Sein vor dem wir unsere Übungen durchführen. Dann aber ist die Schule nicht der Startschuss für eine „vernünftige“ Biographie, sondern die Vorbereitung für das unstillbare Hintergrundrauschen einer anderen Macht in uns. Die Philosophie ist damit die letzte Station vor der Einsicht, dass alles Lernen doch dem Sein gehört und nicht den Eroberern der Gehirne.

Momentan aber verzweifeln wir noch an der Undurchsichtigkeit unserer Bestimmung, so wie ich keine Lösung präsentiere, so ist es vielleicht zunächst das schwerste den Zweifel zu lernen.

Ich hoffe der Artikel regte zum Nachdenken an und hat einige interessante Informationen zusammengetragen, wenn ja dann bitte teilen oder kommentieren. Außerdem added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine “gewaltig interessante” Pinterestwall zum Thema Lernen. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben, wenn ihr mal gemeinsame Projekte im Sinn habt.

Links

Über überdisziplinierende Eltern: 37 Grad Reportage

Norman Schultz

Duquesne University

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Zensuren sind Strafen – Warum Bildung ohne Zensuren besser funktioniert, Ergebnisse aus der Neuroforschung

In diesem Text geht es um die Frage nach dem Strafen in unserer Bildung. Ich vertrete ähnlich wie der Neuroforscher Manfred Spitzer die These, dass unser Gehirn nicht anders kann, als zu lernen und daher erachte ich Strafen als nutzlos. Es geht darüberhinaus auch darum zwei Ergebnisse der empirischen Forschung aufzugreifen, damit es hierbei nicht allein bei Plausibilitätserwägungen bleibt. Einerseits geht es hierbei um die Studien, zur Vergrößerung des Mandelkernes im Gehrin und zur Verkleinerung des Hippocampus durch Strafen (nachgewiesen durch Professor Dannilov und interpretiert durch Spitzer); zum Anderen geht es darum die Folgen von Anreizen (Belohnungen, welche ich als negatives Strafen fasse) nach einer  Studie der FED zu interpretieren. Abschließend möchte ich aufzeigen, dass ich zwar ich nicht gegen Monitoring der Leistungen von Schülern bin, beide Studienergebnisse aber als empirische Hinweise verstehe, sich gegen eine Bildung des Strafens zu entscheiden und damit auch eine Bildung durch Zensuren in Frage stellen. (Titelbildnachweis: By Shuppiluliuma at en.wikipedia [Public domain], from Wikimedia Commons)

Bürgerkinder zur Biedermeierzeit (um 1820)

Wie soll unsere Schule aussehen? (Bildnachweis: By German History in Documents and Images (GHDI) http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/index.cfm CC-BY-SA-2.5

Zum Strafen in der Bildung

Bei netzwerkB hatte ich bereits in einem Beitrag auf die langfristigen Folgen durch Strafen für das Gehirn verwiesen. Wenn systematische Gewalt durch Strafen in der Kindheit erfolgt, vergrößere sich nach Dannilov vor allem der Mandelkern, das Zentrum für Angst, und der Hippocampus  verkleinert sich (nach Spitzer ist der Hippocampus Zentrum für langfristige Lerninhalte, die für Kreativität zuständig sind, aber zu diesen Nachweisen weiter unten mehr). Hierbei spielt es keine Rolle, ob Strafen gerechtfertigt sind oder nicht, sie erzeugen immer Ängste und Druck.

Es kommt nun darauf an, diese Hinweise der empirischen Forschung aufzugreifen und die Konsequenz des Strafens in unserem Lehrsystem aufzuweisen. Im selben Maße wie ich bereits bei netzwerkB zu einer Erziehung ohne Strafen aufgefordert habe, gilt es auch in der Bildung diese Herausforderung anzugehen. Im Folgenden argumentiere ich dafür vor allem, weil Forscher wie Manfred Spitzer die immense Bedeutung der Emotionalität beim Lernen bereits nachgewiesen haben und zugleich verdeutlichen, wie wenig Lernen unter Druck nützt. Lernen ist demgemäß besonders erfolgreich, wenn es in Freiräumen geschieht.

Cangue punishment

Strafen sind Relikt vergangener Zeiten (Bild Public Domain: John Thomson)

Das Tier bestrafen, dass nicht nicht lernen kann

Ungleich der komplexen Frage, ob Strafen tatsächlich den Menschen verbessern, ob Strafe denn wirklich sein muss, zögern wir heute kaum (auch wenn sich unser Strafen nicht mehr durch körperliche Züchtigung vollzieht) allerlei Handlungen zu strafen. Als erste Handlung bei Fehlverhalten fällt uns nicht etwa das klärende Gespräch, das heißt der vernunftorientierte Diskurs ein, sondern die Regulierung durch Strafen erscheint sofort als das adäquate Mittel, um zu reagieren und einen gewünschten Regulierungszustand zu erreichen. Anstatt also den Menschen als das Tier zu nehmen, das „nicht nicht lernen kann“ (Habermas, J.: Wahrheit und Rechtfertigung. Frankfurt am Main 1999) und Abweichung von konstruierten Regeln als normal zu erachten, so glauben wir, wir müssten den Menschen zum Lernen unter Androhung von Strafe zwingen. Wir vergessen dabei: Unser Gehirn will lernen! Ganz im Gegenzug aber basieren unsere Institutionen vorrangig auf regulierter Auseinandersetzung mit Inhalten und wenig auf der freiheitlichen Beschäftigung mit Themen. Bildung ist kein Freiraum, sondern erschafft Druck. Dabei aber gerät das gewünschte Resultat unter die Räder, nämlich kreative Köpfe zu genieren und nicht Routinearbeiter. Das heißt: Schulen und Universitäten  fördern Routinewissen, aber wenig Kreativität. Diese Behauptung jedoch ist nicht nur eine Plausibilitätserwägung. Manfred Spitzer liefert Belege aus der Neuroforschung. 

Manfred Spitzers Argumente, warum Strafen nicht zu Kreativität führen

Wie Wale an das Wasser und Vögel an die Luft, so argumentiert der Neuroforscher Spitzer, sei unser Gehirn optimal an das Lernen angepasst. Entsprechend legt Spitzer auch dar, wie wenig Strafen letztlich zu den Bildungszielen führen, die wir erreichen wollen. Das Gehirn ist bereits auf das Lernen ausgerichtet, Strafen aber beschleunigen hier selten, sondern führen zu entgegengesetzten Resultaten. Hierfür beruft sich Spitzer auf eben jenen Mechanismus, den schon Dannlowski (Erwähnung im netzwerkB-Artikel) bezüglich der Vergrößerung des Mandelkerns und der Verringerung des Hippocampus in seiner Studie anführte. Spitzer schreibt unter Berufung auf ähnliche Ergebnisse:

„So konnten wir nachweisen, dass der emotionale Kontext, in dem die Einspeicherung von neutralem Material geschieht, nicht nur einen Einfluss auf die spätere Erinnerungsleistung hat – wird mit Spaß gelernt, bleibt mehr hängen –, sondern auch beeinflusst, wo das Material gespeichert wird. Erfolgreiches Einspeichern in einem positiven emotionalen Kontext geschieht im Hippokampus, wohingegen das Einspeichern in einem negativen emotionalen Kontext im Mandelkern erfolgt. (http://cms.ifa.de/index.php?id=spitzer)“

Der Mandelkern ist das Areal, das Ängste „verwaltet“. Gelerntes Wissen dort, dient nicht der Kreativität, sondern ist behilflich bei Vermeidungsstrategien, Abwehrstrategien, die wir schlichtweg als Routine erworben haben. Daher ist bei Betroffenen von frühkindlicher Gewalt dieser Mandelkern auch vergrößert. Im Klartext heißt dies, lerne ich etwas in positivem Umfeld, so kann ich es später für meine Kreativität nutzen, lerne ich hingegen etwas unter Druck und Zwang, so lerne ich maximal Inhalte, die der Vermeidung dienen. Spitzer führt daher weiter aus:

Er [der Mandelkern] trägt dazu bei, dass wir unangenehme Erlebnisse sehr rasch lernen und in Zukunft vermeiden. Wird bei Ratten der Mandelkern beidseits operativ zerstört, kann die Ratte zwar noch lernen, sich in einem Irrgarten zurechtzufinden – dafür benutzt sie ihren Hippokampus –, nicht jedoch, sich vor etwas zu fürchten. Zum Fürchten-lernen braucht man den Mandelkern, bei der Ratte und auch beim Menschen. Ohne Mandelkern kann ein Mensch zwar noch neue Fakten wie etwa die Eigenschaften eines lauten Tons lernen, nicht aber die Angst vor dem Ton. Ohne Hippokampus hingegen ist es umgekehrt, man lernt die Angst, aber nicht die Fakten. Fehlt beides, lernt man gar nichts.  (http://cms.ifa.de/index.php?id=spitzer)

Angst führe schließlich dazu, dass wir zwar Routinen besser vollziehen, das heißt Regeln besser befolgen, nicht aber kreative Probleme angehen und lösen. Das heißt: Strafen führt zum Erwerb von Routinewissen. Da aber immer mehr Routinearbeiten maschinell erledigt werden, Kreativität aber ist schließlich die Eigenschaft, ist für moderne Gesellschaften Kreativität von Bedeutung. Und dies erwarten wir vor allem von der Universität zu fördern. Die moderne Universität müsste sich also weitgehend dieser Mechanismen, die auf Druck basieren, entledigen.

Warum Zensuren Strafen sind

Eine Förderung der allgemeinen Kreativität ist allerdings noch ein weiter Weg, wenn wir beispielsweise bedenken, dass Zensuren als Belohnung eben nichts anderes als Strafen mit negativen Vorzeichen sind. Positive Anreize haben schließlich stets den Nachteil, dass sie Ängste aufbauen, die Belohnung nicht zu erreichen. Dass dies nicht nur eine versponnene Idee ist, die wiederum nur auf Plausibiltät beruht, beweisen die häufig replizierten Studien einer ursprünglich von der FED (Federal Reserve Bank) gesponserten Studie. Dies ist bemerkenswert, da die Ergebnisse den Grundintention des Kapitalismus widersprechen. In der Studie der FED untersuchte man also den Einfluss von Belohnungen (also von negativen Strafen) auf den Lernprozess mit folgendem Ergebnis:

“As long as the task involved only mechanical skill, bonuses worked as they would be expected: the higher the pay, the better the performance. But once the task called for “even rudimentary cognitive skill,” a larger reward “led to poorer perfomance.” (D.Ariely, U. Gneezy, G. Lowenstein, & N.Mazar, Federal Reserve Bank of Boston Working Paper No. 05-11, July 2005; NY Times, 20. Nov. 08)

So lange also der negative Druck der Belohnung im Raum stand, fielen Ergebnisse der Probanden signifikant schlechter aus. In einer Replikation der Studie in Indien, wo die Belohnung ein gesamtes Monatsgehalt betrug, lieferte gerade die Gruppe mit dieser bedeutend hohen Belohnung, die schlechtesten Ergebnisse. Belohnung sind demnach Strafen, da sie den Druck des Verfehlens aufbauen. Wer den Anforderungen nicht gerecht wird, bekommt keine Belohnung, was letztlich Bestrafung für Geleistetes bedeutet. Dieser Mechanismus lässt sich meines Erachtens auf Zensuren übertragen.

Auf den Gedanken, dass Zensuren womöglich nicht nur Monitoring gewährleisten, sondern eben negative Konsequenzen haben, auf diesen Gedanken sind unsere institutionellen Systeme nicht eingestellt. Zensuren, so denken wir, geben einen Leistungsanreiz und bis zum Aufkommen von Wikipedia glaubte niemand, dass Qualität ohne externe Anreize möglich wäre. Es wird noch ein weiter Weg sein, Schulen zu entwickeln, die einerseits das Monitoring der Schüler als Rückmeldung ihrer Leistungen nicht vernachlässigen, gleichzeitig aber auf Zensuren verzichten können (ein weitere Artikel von mir, worin ich argumentiere Noten durch internes Monitoring zu ersetzen, findet sich hier: Leistungsfähige Alternative zu Zensuren).

Wie funktioniert Lernen nach Spitzers Modell

Kommen wir von der Soziologie zurück zur Neuroforschung, kommen wir zurück zu Spitzer. Aus neurobiologischer Sicht argumentiert Spitzer nämlich, dass jegliches Lernen aufgrund der Stärke neuronaler Verbindungen entschieden wird. Strafen beschleunigen hier nichts, sondern entscheiden nur, wo etwas gespeichert werde. Lernen geschehe demnach vor allem dann, wenn das Gehirn positive Erfahrungen mache (http://cms.ifa.de/index.php?id=spitzer). Aufgrund dieser Annahmen konnte Spitzer schließlich in einer kleineren Studie nachweisen, dass der wichtigste Faktor beim Lernen eine positive Lernumgebung ist. Darüber hinaus, so konnte Spitzer auch zeigen, gehe es um generierendes Lernen. In der folgenden Sendung demonstriert er diese Forschungsergebnisse:

Spitzer gibt also zu bedenken, dass wir nicht mit Strafen vorankommen, sondern die Lernumgebung entscheidet. Wenn aber eine Lernumgebung nicht unter Androhung von Strafen funktioniert, dann muss sich diese Lernumgebung auf Freiheit gründen. Diese Freiheit bedeutet, sich gegebenen Lernzielen selbst zu verpflichten und damit eben auch das Zu-Erlernende selbst zu genieren. Wer Lernen will, der will das Lernende nicht nur hören, sondern es vollständig umschließen und wissen. Diese vernünftige Selbstgesetzgebung sollte dabei gerade an den Universitäten nicht zum Erliegen kommen. Regeln des Lernens dürfen dabei nicht vorgegeben werden, sondern sollten (wie eigentlich auch in Demokratien üblich) gerade durch die Lernenden nach Universalisierungsmaximen erstellt werden. Das heißt, nicht der Lehrer gibt vor, sondern richtet sich, wie ein gekonnter Improvisator nach den Bedürfnissen der Studenten.

Ausblick zu Habermas‘ Modell der freiheitlichen Generierung von Regeln

An dieser Stelle liegt es nahe endlich die Habermassche Diskurstheorie für die Universität und den Unterricht fruchtbar zu machen. Regeln würden dann nicht in endlosen Vorlesungen vorgebetet werden, sondern aktiv generiert werden. Was ich hiermit also vorschlage und ich entschuldige mich bei allen Lesern für die Theorielast, die hier aufkommt, und ich will es auch nur ganz kurz halten, wir müssten Habermas Universalisierungsgebot für Gesetze eben auch im Unterricht zur Geltung bringen. Das heißt, Studenten und Schüler müssten endlich angehalten werden, Lernziele selbst zu formulieren und dies im Diskurs nach einem Prinzip zu universalisieren. Diese Einbindung aller Anwesenden als Gleichberechtigte bedeutet schließlich sie in ihrer Freiheit als Lernende Ernst zu nehmen. Regeln sind dann nicht in Form von Strafen hervorgebracht, sondern in der Form von freiheitlicher Selbstverpflichtung. Regeln sind dann auch nicht als geltende Regeln vorgefertigt, sondern werden validiert und damit gültig. Dieses mag Zeit kosten, schafft aber das Umfeld, um nicht Routinearbeiten erledigen zu lassen, sondern Kreativität zu fördern. Diese Kreativität kann nur jenseits der Androhung von Strafen zu voller Entfaltung kommen.

Der Mensch "kann nicht nicht lernen" (Habermas)

Zusammenfassung

Belohnungen verringern die Kreativität. Dies wurde in der Studie der FED nachgewiesen. Auf der anderen Seite führt allgemeines Strafen, wenn es in Form systematischer Gewalt erfolgt, dazu, dass sich der Mandelkern vergrößert und der Hippocampus verkleinert. Ich muss hierbei anmerken, dass ich die Studienergebnisse von Dannilov zu stark interpretieren mag. Dennoch auch Spitzer legt eine solche Interpretation vor, wenn er auf die Wichtigkeit der Emotionalität beim Lernen und die Speicherung von Gelernten im Mandelkern oder im Hippocampus verweist. Beide Ergebnisse bringen uns dazu, nach einer Alternative nach Strafen im Bildungssystem zu suchen. Eine Untersuchung der Habermasschen Diskurstheorie als Theorie der freiheitlichen Entwicklung von Regeln durch die Betroffenen nach einem gerechten Verfahren wäre dabei naheliegend.

Linkverweise

Kritik Spitzer

Der angeblich weltfremde Neuroforscher Spitzer wird hier im Gespräch mit einer Fachdidaktikerin attackiert. Hauptargument dieser ist, dass die Ergebnisse der Neuroforschung schon seit Jahren in der Fachdidaktik bekannt sind. Hierbei möchte ich allerdings anmerken, dass gerade die Neuroforscher, die Plausibilitätsargumente durch empirische Belege ergänzt. Hier muss sich die Fachdidaktik nicht wehren. Problem war bisher, dass die Fachdidaktik sich eher auf Plausibilität als auf Studien berief.

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Vielen Dank Norman Schultz.

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Ist photographisches Lesen möglich? Zu den Grenzen des Schnelllesens (Teil2)

Im letzten Beitrag hatte ich mich ja zu den dubiosen Kehrseiten und Grenzen des Schnelllesens geäußert. Diesen verquasten Theorien von Menschen im Selbststeigerungswahn fehlt die Skepsis der Philosophie. Mit dieser würde nicht viel übrig bleiben von den meisten Heilsversprechen der Speedreader und Mental Coaches. Obwohl ich aber auch aus Erfahrung den meisten Schnellleseversprechen skeptisch gegenüber stehe, stellt sich mir dennoch die Frage, ob es im Gehirn Hebel gibt, die einfach umgestellt, alte Grenzen des Geistes überwinden lassen. Ist es möglich sein Gehirn zu tunen oder wie einen Muskel zu trainieren? (Artikelbild: By angela bonas (feito por mim) [Public domain], via Wikimedia Commons)

Lesen

Lesen mit voller Konzentration. So macht Lesen skeptisch und langsam! By Mirdsson2 (Own work) CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 via Wikimedia Commons

Nun im Bereich des Schnelllesens gibt es zumindest Menschen, die zu außergewöhnlichen Leistungen in der Lage sind. Der Verdacht liegt nah, dass nicht nur Kim Peak, sondern tendenziell auch andere Menschen in der Lage sind, Lesegeschwindigkeiten von über 1000 Wörtern pro Minute zu erreichen. Dies bedeutet ein 300 Seitiges Buch in ungefähr eineinhalb Stunden zu lesen. So wie eine philosophischeGrundeinstellung oder das Klavierspiel durch Übung möglich sind, sollten doch andere Grenzleistungen möglich sein. Klären wir also mal zum Schnelllesen ein paar Fragen

Kann mit Schnelllesetechniken auch ein philosophisch schweres Buch vernascht werden?

Mit einer Geschwindigkeit von 10.000 Wörtern pro Minute kann dieses nicht möglich sein, es sei denn derjenige besitzt hinzukommend zur Lesegeschwindigkeit noch ein außergewöhnliches Maß an Intelligenz. Der reine Lesevorgang bedeutet ja nicht, dass wir damit schon verstanden hätten. Wohl aber stellt die meiste Belletristik mit ihrer Redundanz, das heißt der beständigen Wiederholung derselben Gedanken eine Unterforderung dar, so dass es vorstellbar ist, diese mit hoher Geschwindigkeit aufzunehmen. Bei der Philosophie hingegen bedarf es eines Höchstmaßes an genauem Überlegen als auch der entsprechend philosophischen Wertung der Gedanken. Das reine Lesen eines philosophischen Werkes ist daher keine Vermehrung von Wissen, sondern Zeitverschwendung.

An dieser Stelle kann sogleich auch mit dem Mythos aufgeräumt werden, das Wissen eine bloße Aufnahme von Daten wäre. Gut, das ist den meisten hier schon bekannt, es kommt philosophisch betrachtet allerdings auch darauf an, einen Gegenbegriff in Bezug auf das Ganze zu entwickeln. Ein moderner Wissensbegriff wurde von dem Linguisten Gerd Antos aus Halle entwickelt. Für alle die dieser Wissensbegriff in seiner groben Konzeption interessiert, habe ich Ausführungen dazu auf meinem Philosophieblog „Fahrenheit“ hinterlegt.

Lesser Ury Im Cafe Bauer 1898

Lesen bei voller Konzentration. Lesser Ury Public domain, via Wikimedia Commons

Es sei hier soviel gesagt, dass ihr mit viel Lesen meines Erachtens nicht intelligenter oder weiser werdet. Die Verknüpfung des Gelesenen zu eigenen Texten ist für mich hingegen das entscheidende Kriterium. Hierbei steht vor allem das Thema des Selbstgenerierens im Vordergrund.

Aus diesen Verständnisdefiziten ist das Schnelllesen wohl nur für Menschen geeignet, die sich schnell Überblicke verschaffen müssen. Das schnelle Lesen kann wohl helfen, überflüssige Literatur schnell zu selektieren. Hier aber kommen wir eher zum Thema Leseeffizienz.

Wie schnell kann ich lesen?

Die Lesegeschwindigkeiten müssten genauer in einem Range angeben werden. Mein Range beträgt derzeit 30-1000 Wörter pro Minute. Bei philosophischer Literatur lese ich extrem langsam, obwohl es zumeist auch sehr lohnend ist. Bei nicht-philosophischer Literatur hingegen, wo ich den Bereich von 1000 Wörtern pro Minute vordringe, hätte ich mir die Lektüre zumeist auch sparen können. Dies ist aber vielfältig von meinen Interessen abhängig. Für einen Germanistikstudenten mit Schwerpunkt auf Deutsche Literatur kann es sehr sinnvoll sein, sich bestimmte einfache Literatur schnell reinzuziehen.

Wie teuer sind Seminare zum echten Schnelllesen?

Nach etwas älteren Recherchen entsinne ich mich auf einen Preis von 12.000 Euro für verschiedene Trainingstreffen und telefonisches Coaching über einen Zeitraum von 6 Monaten. Ich erzähle dies allerdings nur aus der Erinnerung. Für Autodidakten lautet die schlechte Nachricht, dass sie Grenzen über 1000 Wörtern pro Minute nicht erreichen werden, da eine ganz andere Art zu lesen erlernt werden muss. So geben auch die Michelmanns (Experten in diesem Bereich) einen qualitativen Sprung von 1000 WpM zu 6000 WpM an. Bis 1000 Wörter pro Minute könnt ihr euch mit den alten Techniken maximal steigern. Für Geschwindigkeiten von 4000 Wörtern pro Minute ist allerdings eine ganz andere Technik nötig. Der Lernprozess ist sehr aufwändig, da ihr erstmal Text lest, aber nichts versteht. Der Trainer achtet dann darauf, ob ihr alle Bewegungen richtig durchführt, die Augen werden beispielsweise mit speziellen Videokameras abgefilmt. Es kommt darauf an, zunächst nur die Bewegungen zu verinnerlichen und dies über einen langen Zeitraum.

Bei einer kleinen Stichprobe deren Auswertung ich entdecken konnte, betrug die Erfolgsquote allerdings auch nur um die 15%. Das heißt, es ist eine hohe Risikoinvestition mit einer fragwürdigen Gewinnausschüttung. Vielleicht kauft ihr euch daher lieber einen Kleinwagen, um eure Zeit bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu sparen?

Zweitägige Seminare mit mehreren Teilnehmern zum simplen Geschwindigkeitssteigern kosten ca. 100 Euro. Diese Techniken könnt ihr allerdings auch autodidaktisch erwerben, was für viele immerhin noch eine 2 bis 4-fache Steigerung und somit Zeitersparnis bedeutet. Habt ihr früher ein Buch in einer Stunde gelesen, so könnt ihr es dann in 15 Minuten. Zudem nehmt ihr die Inhalte besser und nachhaltiger auf. Wie gesagt für komplexe Stoffe gilt aber vor allem langsames und verstehendes Lesen.

Wo finde ich echtes Schnelllesen?

Lasst euch von den Seiten im Internet nicht verwirren, die wollen euch nur etwas verkaufen. Auf den Seiten diverser Schnelllesetrainer heißt es da:

„Es ist, als ob mein Gehirn seinen Turbolader eingeschaltet hat – und das nicht nur beim Lesen! Ich kann jedem nur empfehlen, eins der Seminare mitzumachen! Man lernt mit Leichtigkeit und viel Spaß – eben gehirngerecht.“

Die Michelmanns sind wohl die erfahrensten Trainer im Schnelllesen, allerdings möchte ich mich auch nicht für diese Seite verbürgen. Darüberhinaus ist die Seite der Deutschen Gesellschaft für Schnelllesen wohl eine erste Anlaufstelle.

Was bringt Schnelllesen für anspruchsvolle Projekte wie Philosophie?

Eine Philosophie des Schnelllesens kann es in der Philosophie selbst nicht geben. Die Lesegeschwindigkeit ist hier nicht steigerbar, sondern immer abhängig von der Geschwindigkeit des Verstehens. Während wir von Belletristik oder simpler technischer Literatur in der Regel selbst noch mit Geschwindigkeiten von 20.000 Wörtern pro Minute unterfordert wären, so überfordert eine Seite des Philosophen Kant den Verstand auf Jahre hinaus. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass wir in der Philosophie nicht hier oder dort über ein Problem sprechen, sondern das Ganze in seinen Grenzen versuchen zu denken. Schnelllesen mag uns dabei helfen, sinnvolle von sinnloser Literatur schnell zu trennen, die Grenze dieser Unterscheidung legt aber das Denken mit seiner Zielorientierung auf die Vernunft fest und dies ist die Geschwindigkeit der Philosophie. Die Philosophie ist damit die Konstante, zu der sich all unser Denken in seiner möglichen Geschwindigkeit verhält.

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Vielen Dank Norman Schultz.

 

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Links: Emotionales Lernen, der Neuroforscher Manfred Spitzer, Mindfuckmovies und Vergessen zu Zeiten des Internets

In diesem Artikel will ich nur ein paar Themen verlinken, die ich in Zukunft weiter ausarbeiten will. Hier also ein paar Links zur Verknüpfung von Lernen und Emotion, zum gesenkten Standard der Zensuren in Sachsen-Anhalt, zum Bulimielernen, ein paar Mindfuckmovies, sowie noch ein Link zu einer Studie, wie das Internet unsere Merkfähigkeit beeinflusst. Titelbildnachweis: By nattu [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Aus einer Diskussion mit Andreas Giermaier ist die Frage entsprungen, inwiefern wir positive Emotionen brauchen, um zu lernen. Anstatt nur mit Plausibilität zu argumentieren, zeigt Manfred Spitzer anhand einer Studie, dass Lernende mit positiven Emotionen tatsächlich mehr aufnehmen. Dies Argumentation halte ich für wirklich fundiert.

Die Frage ist nun, ob sich diese Ergebnisse auf alle Lernmodelle übertragen lassen. Ist dies nur war für Erinnerung oder lernen wir auch Tanzen, Rechnen und Klavier besser, wenn wir positiv motiviert sind? Eine weitere Frage ist, wie effizient der Professor positive Laune verbreiten kann. Bei Comedians wie Mario Barth fühlen wir uns schließlich auch wohl, aber wie steht es mit dem Verhältnis von Witzen und Inhalten?

Zensuren, Bullemielernen und Bildungsreform

In Sachsen-Anhalt dürfen nun die Schüler mit 40 Prozent ihr Bestehen feiern. Das Land senkt den Anspruch für eine 4 von 51 Prozent auf eben diese Kennziffer.

So weit so gut! Das Problem sind allerdings nicht die Fragen nach gesenkten Zensurenstandards, sondern die Motivation zum individualorientierten Lernen. Es geht nicht darum, Wissen für Klausuren zu lernen, sondern tatsächlich um eine Lebensorientierung. Da Lehrer aber zumeist nur an der Vermittlung von Inhalten, selbst diese aber kaum angewendet haben, steht zumeist nur die Inhaltsreproduktion im Mittelpunkt.

Bored

Langeweile hilft selten beim Lernen. By GRPH3B18 (Own work) CC-BY-SA-3.0

Häufig gebrauchen wir nun in diesem Zusammenhang den Begriff des Bulimielernens, was beschreiben soll, wie wir kurzfristig Informationen tanken, um sie dann möglichst in der Klausur zu reproduzieren. Gerade für kreative Arbeiter erscheint dies wie eine Qual. Spitzer stellte daher bereits in seinem Beitrag dar, wie wichtig im Gegensatz das „generative Lernen“ ist, das heißt ein Modus, in dem wir vor allem das Wissen produzieren. Es geht somit nicht um das kurzfristige Lernen, sondern um die langfristige Produktion von Wissen. Die Frage ist nun, wie wir dieses umsetzen. Ein guter Beitrag zu den modernen Anforderungen findet sich hier: http://www.freitag.de/autoren/geld-und-glueck/das-ende-des-bulimischen-lernens

In dem Artikel heißt es, dass die nötigen Methodenbaukästen aus dem Pädagogiklabor nur so rumliegen. Derzeit ermangle es nur an dem Personal, was sich der pädagogischen Front auch öffne.

Mindfuckmovies

Wer sich langweilt, aber dennoch keine Kraft zur Aktivität hat, dem seien Filme empfohlen, bei denen sich der Geist ausruht und doch überrascht wird. Die sogenannten Mindfuckmovies sind schwer zu finden. Eine Liste allerdings gibt es hier: http://www.listal.com/list/mindfuck-xiceser

Mein Favorit ist natürlich Inception, wo die Sphären der Realität übereinandergelagert werden und Wissen unklarer ist als in der Matrix:

Die Reise in unser Selbst war schon immer weiter als die Reise zu den Sternen.

PET-image

Unser Gehirn braucht Tätigkeit und nicht Passivität By Jens Langner (http://www.jens-langner.de/) (Own work) Public domain

Schwächt das Internet unser Gedächtnis?

Nach Aussage von Betsy Sparrow werde wir intelligenter und intelligenter, so dass Intelligenztests stets neu normiert werden müssen. Dass wir uns heute also weniger Dinge merken, muss nicht bedeuten, dass wir dümmer werden. Nach Aussage von Sparrow merken wir uns jedoch eher, wo wir Informationen finden, als dass wir sie auswendig lernen, wenn der Speicherort zugänglich ist. Dies zeigt nun ein Experiment, das in diesem Zusammenhang durchgeführt wurde.

Lässt das Internet uns also doch dümmer werden? Die Frage ist ja auch, wie weit die direkte Kenntnis aus dem Gedächtnis unsere Geschwindigkeit erhöht, Probleme zu lösen. Wer alles erst nachschlägt ist doch langsamer oder?

Betsy Sparrow aber mahnt, dass wir nicht sofort das Internet verteufeln sollen. Es muss beispielsweise nicht bedeuten, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne geringer geworden ist, sondern es kann sein, dass uns das Internet diese geringe Aufmerksamkeitsspanne besonders bewusst macht oder dass wir eine spezielle Fähigkeit nutzen, die wir entdecken, nämlich effizient Aufmerksamkeit zu verwenden. Im Falle des Lernens erscheint es, dass wir das Internet symbiotisch nutzen. Wir merken uns weniger und sind eher kreativ. Sparrow stellt auch fest, dass das wirkliche Gedächtnis nicht die einzelne Information, sondern die Vernetzung ist. Die Frage ist daher, für welche Bereiche wir heute noch stupides Wiederholen benötigen. Es scheint eher wir sollten generativ tätig sein.

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Norman Schultz

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Mythos „Lerntypentheorie“ – Gibt es Lerntypen, die vor allem durch Riechen lernen?

In diesem Artikel geht es um einen der größten Mythen in der Lernforschung: Die Lerntypentheorie. Warum vertreten ganze Armeen an Lehrern eine Theorie, die keine empirischen Beweise liefert? Ich argumentiere, dass dies einerseits an der Plausibilität des Arguments liegt (wobei Plausibilität immer nur die Möglichkeit anzeigt, aber niemals die Realität beweist) und dass es andererseits mit einer prinzipiellen Unzufriedenheit mit unserem Schulsystem zusammenhängt, das uns zwingt uns generell anzupassen. Die Rebellion gegen dieses System erfährt ihre Kraft dann aus unserem liberalen Glauben der prinzipiellen Individualität eines jeden von uns. Das heißt, die Lerntypentheorie ist Ausdruck unseres Wunsches nach prinzipieller Individualität.

Schlagwortkatalog

In welche Schublade sortieren wir uns selbst? By Dr. Marcus Gossler (Own work) GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0

Mythos „Lerntypen“

Bemerkenswert am Mythos der Lerntypen ist eigentlich nur, dass es keine Beweise gibt, dass diese Lerntypen existieren. Die meisten Untersuchungen konnten keine spezifischen Lerntypen nach dem Motto, akustischer, visueller oder haptischer Lerntyp feststellen (genauer Quellverweis mit Zitat unten). Getreu unserer Plausibilitätsargumentation aber war das Argument für Lerntypen zumindest ganzen Lehrergenerationen einleuchtend. Ich weiß noch, wie ich in der Schule die dämlichen Merkspielchen, die meinen Lerntyp feststellen sollte, alle mit voller Punktzahl bestand, weil ich schlicht Lerntechniken beherrschte, die auf Assoziation beruhten. Genutzt hat es mir dennoch nichts. Lehrer im Gegenzug vertraten die Lerntypen ohne Konsequenzen. Nach dem gleichen Prinzip wie sie an Lerntypentheorien glaubten, denn es ist ein autoritäres Argument, organisierten sie auch ihren Unterricht. Dies sind vor allem elitäre Kriterien, die irgendwann im Laufe des Leben, zumeist während der Anpassung, um der Lehrerlaufbahn zu genügen, erworben worden sind. Ohne also auf Studien zu vertrauen (überhaupt erscheint mir zu evidenzbasierten Verfahren kaum Wissen da zu sein) planten Lehrer den Unterricht nach Plausibilitätsargumenten. Und da wir in unserer aufgeklärten Postmoderne ja ohnehin keiner Studie trauen dürfen, die wir nicht selbst gefälscht haben, argumentieren diese Lehrer zumeist nur kraft ihrer Autorität. Dies hatte zur Folge, dass auch ein intelligenter Schüler immer unterlegen sein muss, denn die Autorität ist per se schon am anderen Ende des Lernprozesses.

Aus gleichem studienfeindlichen Grund übrigens haben in unserem Glauben Eskimos auch eine Millionen Worte für Schnee, denn es ist ganz klar, dass Eskimos an einsamen Abenden im Iglo über die Modalitäten ihres Leben berichten und die ganze Familie gespannt lauscht, wenn Eskimopapa ein Gedicht über Schnee nach dem anderen rezitiert. Lehrer, dies ist meine Erfahrung aus der Schulzeit, sind besonders anfällig für Plausibilitätsargumente, da sie auf die Autorität des leeren Verstandes hereinfallen, der keinen Praxisbezug hat, der ihnen aber dient, Schüler zu unterdrücken. Verstandesschlüsse sind nicht verkehrt, müssen aber stets durch den Bezug zur empirischen Ebene ergänzt werden. Andernfalls ist unser Verstand leer und wir verstehen nicht, dass der Verstand nur relative Prinzipien im Vergleich zu tatsächlichen Problemen formuliert.

Jean-Baptiste-Camille Corot 037

Irgendwann lernen wir es selsbt mit der Peitsche umzugehen. Jean-Baptiste-Camille Corot Public domain

Die Empirie lehrte uns also bald, dass Eskimos weniger als fünf Wörter für Schnee haben. Die Sozialwissenschaften, die auf dem harten Weg der Statistik verfuhren, fielen nicht auf die Worthülsen der allein belesenen Geisteswissenschaftler herein. Lehrer, nun aber ein Volk der Aberglaubenden, stellten sich im Allgemeinen nicht die Frage nach der Quelle ihrer Erkenntnisse, weil sie deduktiv ohnehin im höheren Beisein der Wahrheit unterrichteten. Sie bekamen eine ungeheure Autorität, die irgendwann jedes ihrer Argumente für valide erklären würde. Offene Horizonte gab es meines Wissens in der Schule kaum.

Nun gut bevor ich aber wieder in mein einseitiges Lehrerbashing verfalle (wobei ich mich immer bei den Lehrern entschuldigen müssen, die sich in die Erkenntnistheorie vorwagen), tragen wir mal ein paar Argumente gegen die Lerntypentheorie zusammen: Ein interessanter Beitrag findet sich hierzu auf „Change – The higher magazine of learning„. Obwohl es nach jenem Artikel keine Beweise für Lerntypentheorien gibt (der entsprechende Quelltext hierzu unten), stellt der Autor hier die Frage nach den Konsequenzen dieses Irrglaubens. Bevor wir aber dazu kommen erläutern wir nochmal die zusammengeklaubte Theorie nach Frederic Vester: Die Lerntypentheorie.

 

Angelo Bronzino 058

Abstraktion ist immer mit Anstrengung verbunden. Bronzino Public domain

Was sind Lerntypen?

In unserem Gutmensch-Toleranz-Gehabe sind wir natürlich schnell überzeugt, dass Menschen ganz verschieden sind. Die Muttermilch impft den Kindern schon ein, dass sie etwas ganz besonderes sind und so sind auch Menschen nicht unter die Allgemeinheit von Lerngesetzen zu zwingen. Dass aber bei den Gedächtnisweltmeisterschaften, alle Teilnehmer ihre Methode einander annähern und die Assoziation dabei im Mittelpunkt steht, bedenkt dabei kaum jemand. Wir sind verschieden! Und so ist auch der gewöhnliche Student von seiner prinzipiellen Individualität überzeugt, so dass bei jeder vorgeschlagenen Lernstrategie die Antwort erfolgt: „Bei mir funktioniert es aber anders.“ Was durchaus sein kann, auf Dauer aber kontraproduktiv für den Studenten wirkt, da er nicht wissen kann, ob das Anders-Sein ein nur subjektiver Eindruck ist und er zu stark auf sein Anders-Sein vertraut. Meiner Erfahrung nach lernen wir alle sehr ähnlich und die Gedächtnisweltmeisterschaften sind hierfür ein Beweis. Lerntypentheorien hingegen schlagen in die Bresche der Individualität. Bist du eher ein visueller oder ein akustischer Typ? Oder lernst du am liebsten, indem du Dinge aus staubtrockenen Büchern lernst und verzichtest du lieber auf spannende Diskussion, wobei soziale Interaktionen involviert wären? Natürlich sind wir alle am liebsten visuelle Lehrer, die am liebsten nach dem Motto der Sesamstraße oder der „Sendung mit der Maus“ ihre Bildung aus Entertainment beziehen. Wir wollen interagieren und tatsächlich halte ich diese Technik immer für die beste, insofern sie Anwendung finden kann.

Hands of God and Adam

Am besten wäre es wohl nur in Aha-Momenten zu lernen… Michelangelo Buonarroti Public domain

Im Grunde aber wehren wir uns gegen ein Schulsystem, dass uns zur Abstraktheit führen will und das Anstrengung von uns abverlangt. Wir wollen am liebsten alle über die Augen, wie über einen Nürnberger Trichter Wissen in uns einströmen lassen. Die meisten Menschen sind daher auch überzeugt, einfach nicht mathebegabt zu sein und müssen prinzipiell etwas anfassen, um zu verstehen. Die nachvollziehbare Abneigung gegen Schule transformieren diese Menschen in eine Abneigung gegen die Abstraktion überhaupt und redefinieren sich einfach als Genies einer anderen Sorte, nicht aber als Menschen, die nicht dazu fähig sind, in die Anstrengung zu gehen. Lerntypen spiegeln daher, meines Erachtens, immer den Erfolg dieser Menschen im jeweiligen Schulsystem wieder. Ich behaupte, wer weniger durch die Schule der Abstraktion gegangen ist (die der Erfolgreiche womöglich schon zu Hause gelehrt bekam), der betrachtet sich eher als visueller Lerner. Menschen mit geringen Erfolgen in Mathe werden sich daher immer passend als visuelle Typen identifizieren und bestenfalls mal im Germanistikstudium oder Sozialpädagogik verenden. Nicht aber weil es ihre wirkliche Begabung unter vielen ist, sondern weil sie sich von aller anderen Anstrengung fernhielten. Um es aber klar zu stellen, ich glaube gemäß dieses Blogs, dass wir alle ein sehr ähnliches Potenzial haben, uns aber sozial vom wirklichen Lernen gegenseitig abhalten (Hierzu mein Artikel, warum wir sozial weniger lernen).

Probleme mit dem sinnlichen Ansatz

Ich frage mich übrigens, ob es Leser auf diesen Blog geschafft haben, die Zu-Erlerndes immer erst mal riechen müssen. Es kann ja sein, dass bei einigen dieser Sinneskanal besonders stark ausgeprägt ist. Aber: Nur weil einer gut riechen kann, heißt dies noch lange nicht, dass dieser ein olfaktorischer Genussmensch ist und eben Mathe für ihn ausgeschlossen ist. Meiner Argumentation sind Begabungen immer eher das Resultat von Training (99 Prozent Transpiration und 1 Prozent Inspiration). 

Biberach Archivschrank des Hospitalarchivs 1617

Es sind noch Schubladen frei… By Photo: Andreas Praefcke (Own work (own photograph)) CC-BY-3.0

Vielmehr ist bemerkenswert, wie die grundsätzliche wissenschaftliche Wende, die wir pragmatische jeden Tag in den Wissenschaften vollziehen, es so wenig in unser Bewusstsein geschafft hat. Wir meinen die Welt umgibt uns mit eindeutig identifizierbaren Objekten, die in Form von Bildern in der Welt rumliegen. Dann werden wir von den Objekten im ganzen gereizt und voila: Da ist er der Tisch vor mir. Es ist allerdings klar, dass zumindest aus psychologischer Sicht, das Gehirn komplexe Sinnesreize (angeblich 30.000 pro Sekunde) verarbeitet und daraus Objekte konstruiert. Der Tisch strömt nicht als Ganzer auf uns ein, sondern setzt sich in Millionen Perspektiven zusammen. Aspektivität wie es Plessner in Anlehnung an Husserl herausschälte. Die Reize werden daher immer schon interpretativ zusammengesetzt und irgendwann sind wir es eben gewöhnt Objekte schnell in der Welt zu identifizieren (Blinde, denen der Sehsinn im hohen Alter zurückgegeben wird, um nur ein Beispiel zu nennen, müssen beispielsweise erst erlernen, ihre räumliche Koordination mit den plötzlichen visuellen Reizen zu verknüpfen. Sie öffnen nicht mit einem Schlag die Augen und auf einmal ist dort der Tisch.)  Der Gegenstand ist daher auf die Interpretation unserer Sinnesreize zugerichtet und wir erfahren kein geistunabhängiges Objekt, sondern ein geistinternes Objekt, das gemäß einem inneren Stellwerk konstruiert wird. In diesem Sinne ist es schon ein Wagnis zu behaupten, dass der Sinnesreiz zugleich auch Wahrnehmung und in diesem Sinne Lernen bedeuten würde. Dies würde selbst den Plausibilitätscharakter der Lerntypentheorie widerlegen. Tatsächlich müssen wir alle Sinnesreize auf einer Perzeptionsebene verarbeiten, das heißt wir müssen aktiv werden und denken (so unbewusst dies auch sein mag). Lernen hat daher etwas mit Objektkonstruktion zu tun und eine gute Erkenntnis der Objektkonstruktion ist abstraktes, assoziatives Denken und hat weniger mit den Sinnen zu tun. Die Frage wäre maximal, ob wir minimale Einheiten aus unserer prinzipiellen Lebenswelt rekonstruieren können. Es erscheint mir allerdings ein naiver Realismus, dies als evidenzbasierte Korrespondenz zu verstehen, so als würden Gedächtnisinhalt und reales Objekt außerhalb des Bewusstseins existieren.

Dürer, Albrecht - Study of Hands - 1506

Es ist nicht falsch mit den Fingern rechnen zu lernen Albrecht Dürer Public domain

Konsequenzen der Lerntypentheorie (argumentiert nach dem Artikel auf Change)

Die Konsequenzen der Lerntypentheorie sind nun Folgende. Weil die Theorie so leicht eingängig ist und doch von der Mehrzahl der Lehrer unterrichtet wird, vertreten in Amerika über 90 Prozent der College-Studenten diese Theorie. Nach Change besteht die Gefahr, dass „visuelle Lerner“ prinzipiell abschalten, wenn es zu abstrakteren Lerninhalten kommt. In den Beurteilungsbögen heißt es daher auch häufig: „Ich bin ein visueller Lerner, daher waren die visuellen Beispiele gut.“ oder „Ich bin mehr ein auditiver Lerner, daher sollte mehr akustischer Inhalt vorkommen.“ Derartige Pseudotheorien verhindern also, dass Studenten und Lehrer einen verfehlten Unterricht korrekt identifizieren und sich so verbessern können.

Dies heißt nun nicht, dass wir nicht auf die verschiedenen Interessen der Studenten und Schüler eingehen sollen, oder dass wir gänzlich verschiedene soziale Hintergründe ignorieren. Es bedeutet aber, dass wir uns bewusst machen müssen, dass es doch eine bestimmte Art gibt, wie wir am besten Lernen. Meines Erachtens besteht diese aus aktiver Assoziation und der Reduktion von Lerninhalten auf Bekanntes. Eine gute Theorie aber haben wir in diesem Bereich noch nicht entwickelt. Was an dieser Stelle dann besonders enervierend ist, ist dass einige Dozenten dann anhand verquaster Theorien einem das Lernen beibringen wollen.

Nun ich hoffe der Artikel war nützlich, wenn ja dann bitte teilen und weiterverbreiten. Eine Diskussion hierzu wäre spannend. Wie viele von uns haben sich nicht schon daran orientiert? Außerdem added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine Pinterestwall zum Thema Lernen. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben, wenn ihr mal gemeinsame Projekte im Sinn habt. Ach und teilen, wäre auch nett, damit ich das hier nicht immer nur für mich schreibe.

Weiterführende Links:

Der wohl beste Artikel zu diesem Problem wurde von Maike Looß schon vor vielen Jahren veröffentlicht. Looß argumentiert sehr genau und hat auch kleinere Studien hierzu durchgeführt. Angesichts der Tatsache, dass mir derlei Forschung seit vielen Jahren bekannt ist, ist es für mich eine pure Qual von Lehrer-Seminar zu Lehrer-Seminar zu laufen und von fehlgebildeten Dozenten diese Lerntypen-Theorie immer wieder aufgetischt zu bekommen. Das schlimmste ist, dass nicht einmal die Gelegenheit besteht, die Theorie zu debattieren. Aus diesem Grund fühle ich mich während meines Studiums zu häufig an eine grausige Schulzeit zurückerinnert.

Weitere Zitate und Quellen zur Lerntypentheorie:

Im folgenden Zitat ist eine zentrale Studie zitiert, worin die Autoren behaupten, dass es keine Beweise bei Untersuchungen bisher gäbe:

„We conclude therefore, that at present, there is no adequate evidence base to justify incorporating learning-styles assessments into general educational practice. Thus, limited education resources would better be devoted to adopting other educational practices that have a strong evidence base, of which there are an increasing number. However, given the lack of methodologically sound studies of learning styles, it would be an error to conclude that all possible versions of learning styles have been tested and found wanting; many have simply not been tested at all. (p. 105) Research Citation: Pashler, H., McDaniel, M., Rohrer, D., & Bjork, R. (2008). Learning styles: Concepts and evidence. Psychological Science in the Public Interest, 9, 105-119.
http://donaldclarkplanb.blogspot.co.uk/2010/02/learning-styles-final-nail-in-coffin.html

Im Weiteren sei  die Lage allerdings zum Verzweifeln. Weltweit sind Lerntypentheorien auf dem Vormarsch:

Allison Rossett:
„Really useful revisiting of the learning styles discussion. Didn’t we do this last year? And maybe the year before too? I am going to teach a doctoral group in a few weeks, and I know that learning styles will come up and that they, a group of Ph.D. candidates in ED, ED with an emphasis in multiculturalism, will be keen on learning styles. What interests me is why. Why have generations of educators glommed on to learning styles when the research is settled or pretty darn so? Seems to me that’s the interesting morsel here.“ http://elearnmag.acm.org/featured.cfm?aid=2070611

Der Autor des gleichen Artikels gibt auch diverse Gründe an, warum sich die Theorie der Lerntypen immer noch so wacker hält. Ihr könnt ruhig mal reinlesen.

Ein recht witziger Artikel, der sich knapp mit der problematischen Implementierung der Learning-Styles im Unterricht auseinandersetzt, lässt sich auf dieser Seite finden: http://kirstyevidence.wordpress.com/2012/11/13/learning-styles-and-other-made-up-stuff/

Wenn ihr zustimmt, bitte teilen, wenn nicht, diskutieren

Norman Schultz.

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