Tim Ferriss „The 4 hour Chef“ und Metalernen – eine Methode, um alles zu lernen

In Tim Ferriss‘ Buch The 4 hour Chef geht es um das sogenannte Metalernen. Metalernen ist das häufig geforderte Lernen des Lernen, was wir in der Schule nicht lernen würden. Tim Ferriss hat diese Methode erfolgreich vermarktet. Allein der Trailer zu einem Buch 1,3 Millionen Klicks auf Youtube.

Worum geht es in dem Buch?

Zunächst ist das Buch ein Buch über das Kochen. Der Koch-Legastheniker Ferriss hat sich hierbei vorgenommen, nicht nur das Kochen zu vermitteln. Er will das Lernen über dieses Medium des Kochenlernens erklären. Leitfrage ist: Wie schaffen wir es Dinge schnell zu erlernen?

Was ist unter schnellem Lernen zu verstehen?

In folgendem Video behauptet Ferriss beispielsweise, dass man jede Fähigkeit in 6 Monaten erlernen kann, so dass man zu den Top 5 Prozent der jeweiligen Disziplin gehören würde.

Vielleicht ist dies für einfache Fähigkeiten möglich, aber ich würde Ferriss dazu herausfordern, dies für Schach zu erreichen.

Ferriss hat hierzu einige Sendungen konzipiert, die seinen Erfolg unter Beweis stellen sollen. In jeweils wenigen Tagen versucht er darin, eine komplexe Fähigkeit zu erlernen.

Die einzelnen Shows hingegen zeigen, dass er im Details eben nicht in die einzelnen Fähigkeiten sehr schnell eintauchen kann. Die Sendung zum Tagalog lässt einen Teilweise vor Fremdscham erröten. Die einzelnen Schnitte können nicht verbergen, dass er die Sprache nicht in Ansätzen beherrscht:

Tim Ferriss hat eine eindeutige Karriere hinter sich, um dieses Lernprinzip  zu vertreten:

– Kickboxweltmeister in 1999
– Halbfinale in der Tangoweltmeisterschaft (nach einem halben Jahr Praxis)
– Verschiedene Beteiligungen und Entwicklung von Internetstartups
– Ein Jahreseinkommen von 400.000 Dollar mit einer 4 Stunden Arbeitswoche
– New York Bestsellerliste Nr. 1 mit the 4-hour-work-week und the-4-hour-body

Die Erolge sind fragwürdig.

Hier ist ein Auszug aus Tim Ferriss TV-Sendung, in der er innerhalb von 5 Tagen versucht zu erlernen, wofür andere Jahre brauchen:

Hier der Weltrekord, den Tim Ferriss im Tango aufgestellt hat (obwohl mich das nicht so sehr beeindruckt hat)

Hier ist die Zusammenfassung seiner Ideen:

Für alle, die nun auf das Buch neugierig sind, hier ein paar Auszüge, die Tim Ferriss vorab auf seinem Blog veröffentlicht hat:

Front Matter:  (PDF, blog post)
Introduction:  (PDF, blog post)
Meta-Learning:  (PDF, blog post)
The Domestic:  (PDF, blog post)
The Wild:  (PDF, blog post)
The Scientist:  (PDF, blog post)
The Professional:  (PDF, blog post)

Nun ich werde mir das Buch zulegen und darüber über Weihnachten berichten.

Was vielleicht noch nebenbei zu erwähnen wäre: Tim Ferriss ist der erste Autor, der unabhängig von den Verlagen nur bei Amazon unter Vertrag ist. Dies hat dazu geführt, dass die traditionellen Buchverlage nun sein Buch boykottieren, was ihm möglicherweise den Effekt bei der New-York-Bestseller-Liste auf Platz 1 ein zu kommen, verhagelt. Tim Ferriss hat nun aber einige Maßnahmen auf seinem Blog veröffentlicht, um die Werbetrommel zu rühren. Wenn ihr 4000 Bücher kauft, dann könnt ihr euch Vorträge von Tim Ferriss zu eurer Lieblingszeit in der USA oder in Kanada aussuchen. Nebenbei gibt es aber auch andere Dinge, die nicht ganz so teuer sind. Schaut einfach mal rein: Tim Ferriss Blog.

Was ist meine abschließende Gesamtbetrachtung?

Tim Ferriss‘ Meta-lernen soll ohne Drogen funktionieren. Wie ich schon in anderen Beiträgen beschrieben, kann beispielsweise Ritalin nicht der Weg sein. Anmerkungen zum Lernen generell.

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Norman Schultz

(Titelbild: Yousuf Karsh [Public domain], via Wikimedia Commons).

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Intelligenzsteigerung mit Lumosity – Ein Programm für den Alltag um schlauer zu werden?

Wie steigern wir also unsere Intelligenz? Am 20. November erscheint ja hierzu Tim Ferriss neues Buch, worin er viele Methoden erklärt, wie wir uns Techniken vor allem durch gute Methodik aneignen. Er hat dazu schon angekündigt, mit einigen Mythen um aufzuräumen wie etwa der 10.000 Stunden Regel, welche besagt, dass es 10.000 Stunden benötigen würde, um Expertenniveau zu erreichen. Tim Ferriss wurde in kürzester Zeit Kickboxchampion, hat bei der Tangoweltmeisterschaft das Halbfinale erreicht (innerhalb eines Jahres Tangotanzen) und darüberhinaus viele Methoden zum Bodybuilding und zur Ernährung entwickelt. (Titelbild: Public Domain. Quelle: Wikimedia)

Albert Einstein violin

Mit kleinen Übungen durch den Alltag. By E. O. Hoppe (1878-1972). Published on LIFE Public domain von Wikimedia Commons

Bevor wir uns aber Tim Ferris in einem anderen Post widmen, geht es heute um Lumosity,einem Programm, das ebenfalls verspricht, die Intelligenz zu steigern. Hierbei geht es vor allem um simple Übungen, die wie kleine Spiele nebenbei im Internet gespielt werden können.

Das Problem mit der Leistung

Leistungsgedanken werden in Deutschland in der Regel argwöhnisch betrachtet. Die Kritik an den Eliten bezieht sich dabei allerdings nicht auf ein unangemessenes Verhalten derer, die ohne produktive Eigenleistung in privilegierte Kreise vorgedrungen sind, sondern auf jedwede Form von Leistung. Wenn einer also davon redet, seine Intelligenz steigern zu wollen, dann dreht sich die Diskussion sogleich um die Tatsache, dass wir derlei Intelligenz ja überhaupt nicht benötigen würden. Hier in Amerika ist dies anders, jeder, der Erfolg hat, hat es von Gottes Gnaden her verdient. Das eine Extrem löst das andere ab. Die Mittellösung ist schlicht und einfach: Leistungsgerechtigkeit.Intelligenzsteigerung ist nun durchaus möglich. Ob dies wünschenswert ist oder nicht, mag jeder für sich selbst entscheiden, ich zumindest habe nichts dagegen, wenn ich ein wenig intelligenter wäre. (An der Bildbeschriftung unten seht ihr übrigens die gegenwärtige Unart sich um das Copyright kümmern zu müssen. Eine praktische Verwendung ist hier so gut wie ausgeschlossen, aber das nur nebenbei).

Scientists montage

Weltverschwörung der Eliten - Was planen sie als nächstes? By Archidamos III MAN Napoli Inv6156.jpg‬: Marie-Lan Nguyen ‪Aristotle Altemps Inv8575.jpg‬: Jastrow ‪Possible Self-Portrait of Leonardo da Vinci.jpg‬: OldakQuill ‪Galileo.arp.300pix.jpg‬: Justus Sustermans ‪Jan Verkolje - Antonie van Leeuwenhoek.jpg‬: Jan Verkolje (I) ‪Sir Isaac Newton (1643-1727).jpg‬: Sir Godfrey Kneller ‪Hutton James portrait Raeburn.jpg‬: Henry Raeburn ‪Antoine lavoisier.jpg‬: Matanya ‪John Dalton by Charles Turner.jpg‬: Charles Turner ‪Charles Darwin 01.jpg‬: J. Cameron ‪Gregor Mendel.png‬: NIH ‪Louis Pasteur, foto av Félix Nadar.jpg‬: Nadar ‪James Clerk Maxwell.png‬: G. J. Stodart ‪Henri Poincare.jpg‬: unknown ‪Sigmund Freud LIFE.jp‬g: Max Halberstadt ‪Tesla3.jpg‬: Napoleon Sarony ‪Marie Curie c1920.png‬: Christie's ‪Ernest Rutherford.jpg‬: unknown ‪Albert Einstein Head.jpg‬: Oren Jack Turner ‪Niels Bohr.jpg‬: AB Lagrelius & Westphal ‪Schrodinger.jpg‬: Nobel foundation ‪Enrico Fermi 1943-49.jpg‬: Department of Energy. Office of Public Affairs ‪Robert Oppenheimer 1946.jpg‬: Ed Westcott (U.S. Government photographer) ‪Alan Turing photo.jpg‬: 2 Richard Feynman Nobel.jpg‬: The Nobel Foundation ‪E. O. Wilson sitting, October 16, 2007.jpg‬: Ragesoss ‪Jane Goodall GM.JPG‬: Floatjon ‪Stephen Hawking.StarChild.jpg‬: NASA CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) Wikimedia Commons"

Intelligenz ist steigerbar

Dennoch das Supergehirn ernährt sich nicht vom Sitzfleisch. Es zeigt sich zunehmend, dass Intelligenz auch das Resultat konstanter Leistung ist. Hieß es lange, dass Intelligenz durch Gott oder die Gene gegeben wäre, so hat sich dieses Bild in den Wissenschaften nun gewandelt. Es zeigt sich durch mehr und mehr Studien, dass vor allem intellektuelle Anstrengung das Gehirn trainiert.

Jedoch auch die kleinen Übungen verrichten ihren Beitrag. Tatsächlich können wir mit kleinen Aufmerksamkeitsübungen über kleine Berge kommen und so eine gewisse Ausdauerintelligenz entwickeln. Die Internetanwendung „Lumosity“ macht sich diesen Umstand nun zu Nutze. Natürlich haben Eliteprofessoren von Camebridge und Harvard sich zum zusammengehockt und ein Programm entwickelt, dass uns im Alltag hilft unsere intellektuelle Leistung durch kleine Spiele zu verbessern. Vor allem durch eine kontinuierliche Aufzeichnung der eigenen Leistung soll hier Motivation geschaffen werden.

Ich habe das Programm einen Monat genutzt und konnte mich ins 99 Perzentil der Nutzergemeinde steigern. Es hat mich 15 Euro im Monat gekostet, wäre aber mit einem Jahresabo auf nur 6 Euro gekommen. Insofern halte ich es für sehr sinnvoll. Vor allem, wenn ich ein Smartphone hätte, wäre es wohl nützlich in den vielen Momenten, da ich einfach nur sinnlos warte.

Mein Profil bei Lumosity

Ich kann das Programm durchaus empfehlen und kann sogar sagen, dass es mir mit einem wenig Ehrgeiz auch viel Spaß machte, meine tägliche Verbesserung zu beobachten. Zudem weiß ich nun, wo meine Schwächen liegen. Ich möchte auch hinzufügen, dass ich mich zwar für das Partnerprogramm angemeldet hatte, aber leider den Zuschlag nicht bekam, daher ist dieser Hinweis auf Lumosity tatsächlich ohne direkten Nutzen für mich.

Kritik an Lumosity

Scientist

Ein böser Wissenschaftler forscht. Intelligenz macht böse. By Marretao22 (Own work) Public domain vie Wikicommons

Die einzelnen Programmteile von Lumosity könnten durchaus noch Verbesserungen unterzogen werden, da ich nicht jedes Spiel auf die Dauer als sinnvoll empfinde und einiges verbesserter Leistung durchaus auch auf Gewöhnungseffekte zurückzuführen ist. Dies aber scheint nach Aussage der Programmerfinder auch Sinn der Sache zu sein. Gerade die kleinen Aufgaben bilden wichtige Bausteine, um dann bei komplexeren Aufgaben, wo Intelligenz gefragt ist, zu bestehen. Es heißt, dass dies gerade die Neuerung in der Intelligenzforschung wäre, dass uns die kleineren Aufgaben, insofern sie abwechslungsreich wären, zu besseren Intelligenzleistungen bringen würden.

Ich werde in weiteren Posts mehr über dieses Programm berichten, wenn ihr auf dem Laufenden bleiben wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed ist natürlich auch vorhanden sowie eine schöne Pinterestwall zum Thema Lernen.

Norman Schultz.

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Echtes Schnelllesen – Mehr als 1000 Wörter pro Minute lesen

Es war immer mein Traum Wissen in mich hinein zu pumpen. Bücher erschienen mir hier wie externe Wissensspeicher, die nur meinem Gehirn zugeführt werden mussten. In unserer Kultur herrscht die Vorstellung vor, dass Bücher eine Art emotionaler, nürnberger Trichter seien, ich aber glaube, dass Bücher selbst uns keineswegs schlauer mache. Heute weiß ich, dass eher die Verarbeitung und die Umkehrung in Produktivität entscheidend sind. Daher ist es auch nicht unbedingt entscheidend Masse zu verwerten.

Lonely Reader - A5

Philosophie und die Grenzen des Lesens (CC_Foto von h.koppdelaney)

Dennoch gibt es hin und wieder Aufgabenbereiche, die quantitativ abgearbeitet werden müssen, weil vor allem weltfremde Lehrer und Universitätsprofessoren einfach nur ein enormes Lesepensum abverlangen. Jeder hat in diesem Zusammenhang bestimmt schon von den Qualitäten des dynamischen Lesens gehört, wonach es möglich sein soll, ganze Buchkolosse in wenigen Stunden durchzupflügen. Dieser Artikel dient als Einführung in die Welt der Schnellleser (Titelbild: Carl Spitzweg [Public domain], via Wikimedia Commons).

Es gibt tatsächlich unglaubliche Lesegeschwindigkeiten, die zudem nicht nur Veranlagung sind, sondern die wir tatsächlich erlernen können. Wikipedia referenziert hier zum Beispiel Sean Adam aus den vereinigten Staaten, der mit einem Lesegeschwindigkeitsweltrekord von 3850 Wörter pro Minute gelistet wird. Dies bedeutet grob geschätzt 14 Seiten pro Minute. Ein 300- seitiges Buch ließe sich so in weniger als 30 Minuten lesen. Der Witz an der Sache sei sogar, dass wenn jemand diese Technik beherrscht, er den Inhalt sogar besser aufnehmen könne, da das Gehirn sich von der Langeweile des langsamen Lesens nicht ablenken müsse. Zudem würden auch die Augen durch weniger Bewegung geschont.

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Früh übt sich, wenn man nicht nur Bilder schaut

Probleme beim Schnelllesen

Seit meinem 16. Lebensjahr beschäftige ich mich neben der Philosophie nun mit diesen Techniken des Schnelllesens, weil ich eben auch lange Zeit auf den Nürnberger Trichter hoffte. Wie gesagt, ich wollte vor allem viele Inhalte schnell, nachhaltig aufnehmen und lernen. Zum Schnelllesetraining verwendete ich viele Bücher, die damals auf dem Markt waren, die ich allerdings allesamt nicht empfehlen kann. Es gibt meines Erachtens kein gutes Buch zu diesem Thema. Nach Aussage von Peter Rösler, selbst Experte im Schnelllesen, käme es eher auf ein individuell eingestelltes Training an. Die meisten Wunderbücher taugen dabei wenig: „entweder das Buch taugt nicht zur Lesebeschleunigung, oder das Buch basiert auf dem verfehlten Hoch-Üben“ Eine Erfahrung, die ich durchaus bestätigen kann. Die meisten Bücher setzen auf zwei Ansätze: Zum einen auf die Verringerung der Subvokalisation (das heißt der Effekt, dass unser Kehlkopf automatisch mitschwingt, wenn wir an ein Wort nur denken); zum anderen auf die Verhinderung von Regressionen (das heißt, dem beständigen Zurückspringen im Text, wenn wir etwas nicht verstanden haben). Zumeist sind diese Ansätze dann mit einer dünnen Theorie unterfüttert, wo am Ende mehr Versprechungen als Resultate übrig bleiben. Die theoretische Erklärung selbst ist umstritten. Zwar macht es Sinn für diese beiden Parameter zu argumentieren, nur aber weil es plausibel ist, heißt das etwa nicht, dass wir einen Text auch schneller lesen würden. Experimente haben nach meinen Recherchen diese beiden Hypothesen nicht eindeutig belegen können.

Fotothek df roe-neg 0000130 001 Portrait eines Mannes beim Lesen

Wieviele Bücher kann man in einem Leben sinnvoll lesen?

Was ich allerdings mit dem Lesetraining erreichen konnte, waren Lesetemposteigerungen um das 2- bis 3-fache, was dann zu Lesegeschwindigkeiten von maximal 900 Wörtern pro Minute führte. Ich übte an guten Suhrkamp Büchern und schaffte vielleicht 3 Seiten pro Minute, was ungefähr dieser Lesegeschwindigkeit entsprach. Von philosophischen Büchern die „Wissenschaft der Logik“ des Philosophen Hegel war allerdings nicht zu träumen. Um ganz ehrlich zu sein, dort quäle ich mich noch heute in 10 Minuten-Sitzungen über nur eine Seite. Die ersehnten 10.000 Wörter pro Minute, die Techniken wie das Photo-Reading versprachen, blieben aus. Es wäre auch zu schön gewesen, das Buch „Kritik der reinen Vernunft“ des PhilosophenKant in 30 Minuten zu vernaschen. Das Schnelllesen funktionierte in diesem Sinne nur für Bücher mit sehr einfachem Stoff und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich die Inhalte wirklich durchdachte, auch wenn ich sie sehr schnell aufnahm.

Die Grenzen des Schnelllesens und die Grenzen des Lernens

Den Text nur noch optisch aufnehmen, bedeutet eine Schallmauer zu durchbrechen und Texte wie ein Bild zu verarbeiten. Einer liest dann mit dem „Schwingfinger“, seine Augen versuchen nicht Sätze von Anfang bis Ende zu lesen, sondern in einer Bewusstseinseinheit aus Seitenelementen zusammenzusetzen, aber mehr als oberflächliches Lesen kommt beim autodidaktisch erworbenen Schnelllesen nicht heraus. Einer irrt mit seinen Augen über Worttürmchen, die beständig breiter werden. Er versucht dabei seine Blickwinkel zu weiten, aber was kommt dabei heraus? Nicht viel außer, dass einer sich selbst verwirrt.

Carl Spitzweg 017 (Der arme Poet)

Mehr als Lesen braucht es nicht.

Nichts desto trotz sind derlei Lesetrainings gerade bei Persönlichkeitsmanagern beliebt. Die Pseudowissenschaftsszene der Persönlichkeitsentfaltung verkauft dabei vor allem ein Versprechen. Ohnehin glauben ja Manager an ihren eigenen Erfolg als unabhängig von der Gesellschaft, warum also auch nicht an anderen Unfug? Die die Szene protzt dabei mit Begriffen: Dynamisches Lesen, Photographisches Lesen, Speed-Reading, Photreading, Scan-Reading (30 – 90.000 WpM !) und Alpha-Wellen-Lesen. Je tiefer ich in die Szene der dubiosen Bücher vordrang, desto verquaster wurden die Begriffe. Ich bin mir sicher, wäre ich diesen Pfaden gefolgt, so würde ich heute nicht Philosophsein (was schon genügend verrückt ist), sondern in irgendeinem weltfremden Sex-Kloster in Swaziland sitzen und über Inschriften in Grashalmen meditieren.

Das Kurioseste der Schnellleseversprechen war wohl Alpha-Wellen-Reading. Dieses war der abgehobenen Idee aufgesessen, dass unser Gehirn schließlich jeden Moment in einer Eins-zu-Eins-Kopie speichere. Der Undercover-Agent „Unterbewusstsein“, der uns stets begleitet und insgeheim wie in einer Verschwörung gegen unser Bewusstsein die Strippen zieht, sollte im Alpha-Wellen-Modus des Gehirns aktiviert werden, damit dann das geheime Wissen in uns selbst zugänglich werden würde.

Bundesarchiv Bild 183-1990-0122-009, Dresden, Russisch-Brot- Herstellung

Wie aus Materie Gedanken werden

In der Regel sind derartige Bücher nur der Einstieg in die Hoffnung auf Persönlichkeitsentfaltung. Wer tiefer in diese Persönlichkeitsmanagementtheorie hinabstieg, konnte auch erfahren, dass das gesamte Weltwissen in einer geheimen Meditationsebene gespeichert wäre, die nur zugänglich gemacht werden musste. Eine innere Bewusstseinssperre sollte nur entriegelt sein, um den Weg zur grenzenlosen Genialität freizugeben. Wer glaubt schließlich nicht insgeheim, dass in ihm hinter einer noch nicht entdeckten Grenze ein Genie verborgen sei? Dieser Riegel vor dem inneren Geist würde nur geöffnet werden müssen und der Einfall des Lichts in die Unterwelt des Unterbewusstseins würde unser selbst zum Guten wenden.

Die Szene der Bewusstseinssteigerung

Wohl ist es jener Mangel an Bildung über Wissenschaftlichkeit, der die Menschen in diese Kreise hinabstößt. Scientology entwickelte schließlich auch ein abgehalfteter Science-Fiction Autor, der mit einer Mischung aus schlechter Philosophie, Religion und Psychologie eine Religion aufbaute. Ron Hubbard war wohl einer der ersten, die das Interesse nach Selbststeigerung, das eigentlich der Philosophie und Religion als Überzeugung zu Grunde lag, entsprechend kommerzialisieren konnte, indem er eine Religion daraus machte.

Einst war ich in der Scientologyzentrale in Hamburg und hatte auf eine komplexe Gehirnwäsche gehofft. Ich wollte sehen, wie dies geht, mehr als Unfug konnten sie mir aber nicht erzählen. Auch die transzendentale Meditation verfährt ähnlich. David Lynch, der mir mit fuchtelnden Armbewegungen sein erleuchtetes Gehirn vorstellte, konnte mich auch nicht überzeugen. „The whole brain enlightened“ betonte er als er von angeblichen PET-Scans transzendental Meditierender sprach. Doch seine Methode der transzendentalen Meditation hat wohl ähnlich nur mit Wunschdenken zu tun. Den meisten dieser Anhänger würde ein grundständiges Studium der Philosophie mit dem Schwerpunkt auf Wissenschaftstheorie nicht schaden.

Bundesarchiv Bild 183-58117-0011, Jugendliche beim Lesen

Die innere Welt ist interessanter als das Außen

Aber halt! Vielleicht gehe ich zu weit, denn trotz aller abschreckenden Beispiele glaube ich dennoch an die Techniken des Schnelllesens. Doch wo beginnt es mit der Seriösität? Den viel nüchterneren Ausdruck „Schnelllesen“ ist eher zu vertrauen. In der Organisation um das „Echte Schnelllesen“ vereinen sich dann auch viele Wissenschaftler und Professoren. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, denn die deutschen Schnelllesegurus, die Michelmanns, geben bei ihrer eigenen Technik selbst  Lesegeschwindigkeiten von 10.000 Wörter Wörtern pro Minute an. Da kommt einem doch schnell die Frage in den Sinn, warum sie dann nicht den Weltschnellleserekord halten. Gibt es echtes Schnelllesen? Wer nun hofft in einen Kurs investieren zu können, den  muss ich enttäuschen, der Kurs ist sehr teuer und die Erfolgsquote sehr gering und die Preise hierfür sind astronomisch.

Doch es gibt Beweise. Der Autist Kim Peak kann mit beispielsweise jedem Auge jeweils eine Buchseite lesen und erinnert sich an ca. 99 Prozent des Gelesenen im Wortlaut. Es gibt diese Möglichkeiten also, die Frage ist allerdings, ob sie jedem zugänglich sind.

Ihr könnt auch meine anderen Artikel zum Thema Lesen nachschauen:

Vielen Dank an alle, die bis hierher gekommen sind. Wenn ihr in Zukunft mehr Beiträge lesen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Über weiterführende Links oder Kommentare freue ich mich natürlich sehr. Im Anschluss noch ein Video über Kim Peak
Norman Schultz
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Prechts neue Sendung und der Skandal „Schule“ – Verblödung war schon immer blöd

Sonntag löste nun Richard David Precht den Modephilosophen Sloterdijk ab und beerdigte damit seine Sendung „Das philosophische Quartett“ endgültig. Mit eitlem Namen „Precht“ musste die Sendung einschlagen, damit die Nachrufe auf DEN deutschen Medienphilosophen (zumindest steigt sein Name in Amerika auch gerade wie ein kleines Sternchen auf) nicht zu laut werden, zudem verspricht der Name Einnahmen, die mit trockeneren Titeln nicht erreicht worden wären. Entsprechend nahm sich der Philosoph für die Heimchen vom Herd den Lieblingsfeind aller Bildungsverlierer vor. Da kann der Bildungsprolet am Sonntag Abend nochmal die Flasche Wein öffnen und nickend ganz spätromantisch den Frust einer kommenden Arbeitswoche vorverdauen (nebenbei vielleicht noch stolz auf seine Büchersammlung sein). Die Front jedes Bildungshalbstarken mit Allgmeinbildungsfetischismus sollte eigentlich eine gemeinsame Front mit diesem Blog sein. Mit Prechts Volksdemagogie aber offenbarte sich weniges, womit ich in diesem Blog einhergehen könnte. Dass Schule sich verändern muss, ist klar und eine Forderung, die in dem Begriff „Bildung“ selbst steckt. Nach welchen Kriterien aber Bildung reformiert werden muss, auf dieses analytische Feld ließen sich sowohl Precht als auch der Neurobiologe Hüther als Gesprächspartner nicht ein. Stattdessen gab es Kriegspropaganda mit seichten Argumenten, die grobschlächtig den Untergang unserer Zivilisation prophezeiten: „Entweder wird es unsere Gesellschaft in 10 Jahren nicht mehr geben oder es wird die Schule nicht mehr geben.“ (Titelbildnachweis: Bundesarchiv, Bild 102-11307 / CC-BY-SA [CC-BY-SA-3.0-de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons)

Precht der Philosoph der Herzen, den auch noch die Hausfrau bzw. der philosophisch-interessierte Hausmann in seiner Küchenzeile versteht, wenn das Öko-Steak schon in der Pfanne bruzelt, brillierte dabei süffisant mit vorgefertigten Floskeln „Ist Bildung das, was übrig bleibt, wenn wir alles vergessen, was wir in der Schule gelernt haben?“ Mit Saubsaugervertreterattitüde verkauft uns Precht geschickt ein Produkt, das allemal besser ist, was wir bisher in den Schulen hatten (Über jenen Staubsaugervertreter macht sich auch die FAZ her).

Philosophie im modernen Rahmen

Nun wenn Philosophen in den Medien antreten, so können sie heute nicht mehr nur mit Gedanken brillieren, das Ambiente muss stimmen. Das Intro der Sendung machte daher schon von Anfang an klar, was Philosophie im Fernsehen bedeutet: Schwulstige Amelie-Musik und hippe Kamerafahrten wie eine hypermoderne Roboterstimme verraten uns, dass es jetzt so richtig los geht: „Connection established“ (Ich glaube übrigens das erste, was wir in der Zukunft abschaffen, sind Roboterstimmen). Da blüht dem Waldorf-Pädagogen auf der Couch das Herz. 

The Sounds of Earth Record Cover - GPN-2000-001978

Wir haben Wissen aus der Vergangenheit ins All geschossen! By NASA/JPL Public domain, via Wikimedia Commons

Kommen wir aber zum Inhalt, den jeder Schüler in seiner Abiturarbeit runterleiern könnte: Unser Land steht vor den düsteren Horizonten der totalen Verdummung. Intellektuell drohen wir vollkommen auszulaufen. Die Schule verblödet uns immer mehr, denn Precht stellt bauernschlau fest: „Wir aber überhäufen sie [die Kinder natürlich] mit Wissen, das aus der Vergangenheit stammt.“ Böses Wissen aus der Vergangenheit, das klingt irgendwie als wären die Leute aus der Vergangenheit noch blöder als wir gewesen. Wissen aus der Vergangenheit, das kann ja schonmal nichts gutes sein. Was stellt der Herr Precht sich aber vor? Dass wir Kinder im Unterricht heute über die neuesten Sexualpraktiken unterrichten, die es etwa nicht schon seit Anbeginn der Menschheit gab? Klar, wie anders sollte etwa ein Durchschnittsjugendlicher noch verstehen, was Britney Spears so treibt (aber halt, die ist ja schon aus meiner Vergangenheit und womöglich weiß ich überhaupt nicht, was bei der Generation „Generation“ heute so los ist.) Ich habe ehrlich gesagt, nicht die geringste Ahnung, welches Wissen aus der Vergangenheit Precht meint und auch nicht, was Precht zu ändern gedenkt. Womöglich sollten wir die Vergangenheit lieber auf Facebook verbreitern und durch Twitter channeln, wenn dann schließlich die Schulklingel durch ein „Connection established“ und ein „Connection aborted“ abgelöst wird, hätten wir es geschafft.

Ich gebe zu, ich mache mich unnötig lustig, aber gerade hierin liegt der Hauptmangel der Sendung. Anstatt mit wirklichen Alternativen zu argumentieren, überhaupt die gegenwärtige Situation zu würdigen und differenziert zu analysieren, bleibt alles im Vagen und selbst Nachweise für die Katastrophe vor unserer Haustür bleiben aus. Ich glaube derweil nicht, das Deutschland sich aus Blöden zusammensetzt, glaube aber, dass wir das bisherige Erfolgsmodell der Schule weiter reformieren müssen, um es noch erfolgreicher zu machen. Um dies aber nicht auch im Vagen zu lassen, diskutieren wir konkret die Kritik von Hüther und Precht.

Kinder leiden nach Precht an Schulen. Bis zu ihrem Abitur haben sie „100.000 Stunden Unterricht erlebt, erduldet erlitten“. Das wichtigste Potenzial, die Lust am Lernen, hätten sie dabei nicht bekommen. Im Gegensatz dazu bestehe Schule aus „Bulemielernen“. Für Precht bedeutet dies: Reinfressen und sich in der Klausur übergeben, wobei der Nährwert gering bleibe. Gerade weil so die Kinder das Gelernte nicht mehr mit Bedeutung füllen könnten, würden Fünf Prozent die Schule ohne einen Abschluss verlassen. HartzIV ist dann nach Auffassung von Precht vorrangig eine Entschädigung für nicht gewährte Chancengleichheit.

Statt feinerer Analysen gibt es Graswurzelrevolutionsparolen im Biene Maja TV. Precht spricht teilweise als moderiere er die Sendung mit der Maus, aber zum Inhalt: Im Gegensatz zu Precht glaube ich nämlich nicht, dass Kinder durch Schulen in den fürchterlichen HartzIV-Sumpf getrieben werden. Ich glaube eher, dass Misserfolge im Bildungssektor durch die dramatischen Zahlen des Kindesmissbrauchs zu erklären sind, [http://netzwerkb.org/2012/04/04/jeder-achte-ist-betroffen], so dass viele vielleicht nicht einmal an die Gesellschaft glauben. Wer von zu Hause Minderwertigkeit eingeimpft bekommt, kann in einer Schule eben nicht ohne Weiteres bestehen. Vielleicht gibt es hier soziale Momente, in denen auch Lehrer einfach nur machtlos sind. Gerade Hüther als Neurobiologe hätte dieses wissen können. Seine Arbeiten verweisen gerade auf die verschiedenen, resultierenden Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen. Eine differenzierte Analyse bleibt aus, denn die Parole wirkt.

Die Verkennung der sozialen Realität bleibt auch später erhalten: Das konkrete Rezept für die Schule von Precht lautet da nämlich ganz inkonkret: Eingliedriges Schulsystem, Frühförderung im Kindergarten, Coaching. Am Ende würden dann nach Prechts ungeheurer Revolution 80 Prozent Abiturienten in Deutschland entstehen. Doch Moment, Precht verkündet hier wohl eine Revolution, die ohnehin schon im vollen Gange ist. Mittlerweile machen mehr als 50 Prozent der Schüler in NRW ihr Abitur. Dies sind enorme Bildungsschübe in den letzten Jahrzehnten. Die Marke von 80 Prozent werden wir daher wohl auch ohne die glorreichen Ideen des Herrn Precht knacken. Unter weiterer Verkennung (oder sagen wir ohne Ansätze die sozialen Realitäten ernsthaft zu diskutieren) parliert Precht über das „Gift des Bildungsbegriffs als Distinktionsbegriff“. Precht prognostiziert nämlich eine herrische Gegenbewegung der Eltern, die die Gerechtigkeit in unserem System nicht wollen würden. Eliteeltern wollen doch keine Bauernjungen und Mädchenmägde in ihren Klassen! Meines Erachtens versteht Precht hier allerdings nicht die Dynamik sozialer Systeme. Gibt es denn wirklich eine Mehrheit elitärer Eltern, die sich bewusst dafür aussprechen, andere Schichten nicht zu bilden, um selbst zur Bildungselite weiter zu gehören? Precht tut so, als würden elitäre Eltern tagtäglich Intrigen spinnen, um anderen den Bildungszugang zu versauen. Die Realitäten liegen doch aber wohl nicht in bewussten Bewegungen, sondern in den unbewussten Handlungen von Eltern, die ihre Kinder lieber auf eine ordentliche Schule bringen, als sie in einer Schule mit hohem Immigrationshintergrund andere Kinder integrieren zu lassen. Das Problem liegt nicht darin, dass Bildungsbürger sich gegen aufkommende Schichten bewusst wehren, sondern dass sie individuell für IHRE Kinder das Beste entscheiden wollen und hierbei an Sozialstrukturen gebunden sind. Diese Prozesse müssen konkret analysiert werden, anstatt eine Weltverschwörung der Eliteeltern zu vermuten. Dieses erwarte ich von einem derartigen Expertentalk, das zumindest auch die Frage nach Sozialstrukturen aufkommt, wenn es um Entscheidungsprozesse dieser Art geht.

Citizen-Einstein

In Prechts Schule bekommt in Zukunft jeder einen Nobelpreis By Al. Aumuller Public domain, via Wikimedia Commons

Unabhängig von treffenden Sozialanalysen können wir aber auch immer gleich ein paar Begriffe unterscheiden. Hüther stellt daher fest: Bildung sei etwas, was wir nicht in Metaphern messen können, denn Bildung ist etwas was sich ereignet. Bildung könne man schließlich nicht erfolgreich abschließen, sondern Bildung müsse gelingen. Was aber sind die Kriterien für eine gelungene Bildung? Ein neuer Allgemeinbildungsfetischismus, wo Menschen auf der Straße bedeutungsschwanger Goethezitate dreschen und exzessiv Theatervorstellungen wie auch klassische Orchester besuchen, die eben doch irgendwie aus der Vergangenheit kommen? Was genau soll gelungene Bildung sein? Menschen, die nur noch sensibel miteinander umgehen und dafür eben mal verzeihbar nicht das Einmaleins gelernt haben, weil Körpererfahrung und die Neugier dafür doch viel wichtiger war? Ohne Kriterien kann eine solche Diskussion nicht gelingen und soweit ich mit den Herren mitgehe, dass unser System kritisiert werden muss, so lehne ich es doch nicht vollends ab. Ich glaube zwar nicht an Belohnung und Bestrafung, aber Lesen, Schreiben, Rechnen habe ich dann doch irgendwie in der Schule gelernt. Wir haben die Schule doch nicht als vollkommene Blödmänner und Deppen verlassen (oder habe ich das etwa doch, ach ja richtig, so heißt es an anderer Stelle, ich wäre womöglich schon Nobelpreisträger, wenn nur ein anderes System für mich dagewesen wäre). Ich bin daher auch nicht für eine grundlegende Revolutionen, denn es würde teuer werden, wenn wir Precht einfach mal so machen lassen würden (gerade seine Sendungen sind doch eine fortwährenden Unterforderung). Eher bin ich dafür leistungsorientiert zu unterrichten und Erfolge der Schulen schnell abprüfbar zu machen. Dabei kommt es schon ganz richtig nicht mehr darauf an, ein ganz bestimmtes Wissen zu unterrichten, sondern die Schlüsselmethoden aufzusuchen. Es käme darauf an, endlich Philosophie als Erkenntnisdisziplin zu etablieren, woher sich alle Wissenschaften ihre Prinzipien borgen und nicht die Philosophie als Weltanschauungspalaver wie Precht es praktiziert und es wohl auch vor hat, an die Schulen zu bringen.

Bei all der Oberflächlichkeit aber ist der Moment gekommen, dass uns Precht und Hüther über einen Mann der Vergangenheit unterrichten. Bildungskritik muss heute schließlich immer mit einem bisschen Humboldt gepanscht werden: Bildung bedeute also nicht Wissen in Kindern zu stappeln. Kinder wären demnach keine Fässer, die gefüllt werden müssten. Bildung sei Anleitung zur Selbstbildung. Nur wenn ich selbst lernen kann, findet ein Bildungsprozess statt.

Sollten wir an dieser Stelle eigentlich Punkte von Prechts und Hüthers Darlegungen abziehen, weil sie den Begriff „intrinsische Motivation“ nicht gebraucht haben oder lieber ein Bienchen ins Hausaufgabenheft drucken, weil sie gekonnt darauf verzichten? Bildung zur Selbstbildung erscheint mir schließlich als logischer Widerspruch, der zumeist nur auf den ersten Eindruck überzeugend klingt. Wenn Bildung ein Moment ist, dass nur aus sich selbst enstehen kann, dann können wir keine externen Anreize in einem System setzen, denn dann wäre sie extern veranlasst. Intrinsische Motivation daher extern motivieren zu wollen, erscheint mir nur als Parole, wobei es sich in Wirklichkeit nur um extrinsische Motivation handelt. Dann aber sprechen wir von Systemen und nicht von dem unbedingten Ereignis der Selbstgewinnung. Auch übersehen Precht und Hüther, dass Lehrer diese extrinsische Motivation dann durchaus wollen. Wer täglich vor einer Klasse steht, der fragt sich, wie er die Schüler dazu bekommt, lernen zu wollen. Da hilft es leider nicht, wenn Precht und Hüther Lehrer zu Externalisierern intrinsischer eines Was- auch- immer machen oder Lehrer noch schlimmer zu Potenzialentfaltungscoaches umbenennen. Ich verstehe es daher eher so, dass Schule und Universität in bestimmten Fällen, intrinsischen Interessen bestimmter Schüler im Weg stehen, einfach weil sie Zeit rauben. Der größere Anteil der Schüler aber geht mit gewonnener Zeit nach Hause und macht, was die Generation „Generation“ ebenso macht, aber kommt nicht auf die Bildungsspuren von Humboldt. Ich bin der Überzeugung, dass der Bildungsbegriff von Humboldt hier zumeist ein Ideal ist, wir aber ohne Daten wenig gewinnen. Revolutionen sind teuer, warum also nicht die Schritte zur Veränderung aufsuchen, anstatt mal kurz die gesamte Mannschaft über Bord zu werfen und eine neue, aber ungewisse Schule ohne Personal und Konzept zu bauen?

Hüther stellt daher fest: Wir wüssten nicht, wofür wir die Schüler ausbilden wollen, aber Bildung sei doch viel mehr. Klar, dass wenn wir wir schon keinen expliziten Bildungsbegriff haben, wir nun auf die Tränendrüse drücken. Bildung, so romantisiert der Hirnforscher, da gehört doch sowas wie Herzenbildung zu. Und Precht weiß auch sofort: Die Aufklärung war doch schon immer ein Feind des Leibes und so hätten ängstliche Vernünftler Kinder stets nur als Köpfe ohne Emotionen betrachtet. Hüther weiß „Wir behandeln Kinder wie Objekte!“ Stillgesessen und aufgepasst.

Was aber ist die Alternative? Wie 30 Kinder zum Zahlengedächtnis bringen? Etwa durch Ringelpietz mit Anfassen oder Tore beim Fussball zählen lassen? Ich glaube es ist eine monströse Aufgabe, Kindern lesen über Jahre beizubringen. Für motivierendere Methoden brauchen wir konkrete Vorschläge und nicht etwa eine weitere Theorie, die besagt einige Kinder sind eben so visuelle Typen so. Ich glaube nicht, dass Kinder allein mit Motivation, die schwere Technik des Lesens lernen, ich lasse mich aber gerne konkret umstimmen.

Wie dem auch sei: Der emotionale Zeitpunkt ist gekommen, Hüthers Gegenthesen vom begabten Kind einzustreuen. „Jedes Kind ist hochbegabt“. Wir sind schließlich mehr als das analytische Können unserer Gesellschaft. Hüther schwärmt sogleich über Kinder, die ganz viel können. Das eine Kind könne ganz toll mitfühlen, das andere hätte ein ganz sensibles Körpergefühl. Na wenn hier nicht der Baum des Pluralismus durch die Worte von Hüther in höchster Blüte steht. Gegen die Überbleibsel vom Maschinenzeitalter weiß Hüther mit Hirnforscherautorität nämlich ganz genau, das Hirn sei kein Muskel, der trainiert werden könne. Dies sei Hirnmechanik aus dem vorherigen Jahrhundert (die ich hier übrigens in einigen Anteilen vertrete). Man könne nur etwas im Gehirn nachhaltig verändern, so Hüther, wenn es unter die Haut geht. Bildung ist nur das, was durch Emotionen Begeisterung ausgelöst hätte und in diesem Sinne in uns geblieben wäre. Dass es aber durchaus Steigerung durch dröges Üben gibt, unterschlägt Hüther wohl. Auch gibt es durchaus Studien die darlegen, dass Schüler unabhängig von der Laune Wissen gleichermaßen erwerben und es ihnen bei fröhlichen Lehren einfach nur mehr Spaß macht, sich dies aber nicht auf den Lerneffekt auswirkt. Umgekehrt habe ich aber auch nichts gegen emotionales Aha-Lernen einzuwenden. Die Aufgabe dieses spannende Lernen aber gegen das gesammelte Unterhaltungsangebot der Generation „Generation“ permanent aufzubieten, erscheint mir als Ding der Unmöglichkeit, auch wenn es eines meiner Ideale ist.

Gandhi microscope

Bildung ist für alle gut! See page for author Public domain or Public domain, via Wikimedia Commons

Nun der Abend wurde lang und so war die Zeit gekommen, um das allgemeine Zensurenbashing durchzuführen. Potenzialentfaltungscoaches (Wir danken Gott für diese kreative Wortschöpfung) würden im Schüler ein Interesse daran entwickeln, sich selbst einen Stoff anzueignen und hierfür brauche es schließlich keine Noten. In der Wirtschaft, so weiß Hüther, habe sich schon herumgesprochen, dass man sich auf die Noten der Schulen nicht verlassen kann. Eliten müssen daher an den Eliteuniversitäten erstmal in der Bronx unterrichten. Abitur 1,0 sage demnach schon lange nichts mehr über die Performance aus. Perfomancer haben Leidenschaft. Bildung finde schließlich außerhalb der Schule statt.

Ich stimme natürlich damit überein, dass Bildung nicht in einem System stattfinde. Die Aufgabe der Schule ist aber auch nicht, einem verschwobenen Bildungsbegriff gerecht zu werden, der sich in den Zeiten bestimmt. Womöglich ist Bildung so etwas wie der Durchgang des natürlichen Bewusstseins durch die phänomenalen Erscheinungen der Welt, um schließlich beim Grund aller Prinzipien anzugelangen. Womöglich ist hierzu Phänomenologie nötig. Ich bezweifle allerdings, dass Precht sich dieser Bildungsfragen, die sich doch zugleich aus dem 19. Jahrhundert herleiten, wirklich bewusst ist. Für Hüther und Precht ist Bildung ein Begriff, der das bezeichnet, womit sie irgendwie unzufrieden sind. Auch bei der Zensurenkritik des Schulsystems bestechen die Herren daher nicht gerade durch stichhaltige Argumentation. Schlechte Noten sind an den Eliteuniversitäten zumeist noch Ausschlusskriterium, wie aber dann zwischen all den exzellenten Bewerbern entscheiden? Es zeigt sich nämlich sehr deutlich, dass der Schnitt der Abiturienten auch in Deutschland immer höher wird. Die Eliteuniversitäten wie auch immer mehr Unternehmen greifen dann aus diesen Gründen auf Zusatzkriterien zurück, weil sie doch zwischen sehr guten Bewerbern wählen dürfen. Schließlich aber wollen sie auch mit der zusätzlichen Bildung nur messen und haben kein Interesse an einer philosophischen Selbstbewusstseinstheorie der Bildung.

Beim allgemeinen Zensurenbashing fällt Precht da auch der begnadete Menschenfreund ein, der trotz seiner Begabungen nicht Medizin studieren darf (den will natürlich jedes Hospital eigentlich haben). Diese Fälle gibt es natürlich immer (wie viele aber sind es, die das nicht einfach nur vorgeben oder bei denen wir es vermuten? Wo sind die Zahlen, die eine Abschaffung des Numerus Clausus rechtfertigen würden?) Ganz ehrlich wollen wir uns von jemanden behandeln lassen, der in der Schule seine Hausaufgaben verschlampt hat und nicht die Kraft hatte, sich für die Welt der Zahlen zu motivieren. Brauchen wir Chirurgen, die den einen Tag mal motiviert sind und den anderen Tag ihre Disziplin über Bord werfen und schwerwiegende Kunstfehler machen? Ich gebe zu: Wir diskutieren im Plausiblen und Vagen. Wie viele sind es denn, die nachweislich das Zeug zum guten Chirurgen hätten, denen aber die Schule den Weg verbaute? Mit derlei hypothetischen Beispielen kommen wir schlecht voran.

Nach fast einer Stunde Phrasengedresche rückt Hüther an dieser Stelle endlich mal mit einer Gegenposition hervor. Er sei nicht gegen die Abschaffung der Zensuren, was Precht mit verzogener Geste überhört und zum nächsten Thema leitet. Precht versteht nämlich nicht, das Arbeit an der Gesellschaft nicht aus Parolen besteht, die auch noch die Großmutter in einem schönen, gebundenen Buch auf den Nachttisch legen kann, sondern aus Diskursen. Ohne diese Einsicht des fortwährenden Diskurses aber beendet Precht die Sendung, mit seiner Ansicht, dass wir kein Erkenntnisdefizit hätten, sondern ein Umsetzungsdefizit. Nach den mageren Erkenntnissen der Sendung aber sollte jeder mit unserem minderwertigen Abitur dennoch widersprechen können. Schulen werden auch nach der nächsten Reform noch reformiert werden müssen. Reformieren aber besteht aus konkreter Analyse. Irgendwo in der Sendung schaut Precht daher hilflos über seinem Wasserglas in die Welt. Bemerkenswert, dass die Sendung ohne Alkohol auskam. Ich befürchte aber, dass Prechts Vision von einer besseren Schule eher eine betrunkene Version von Schule hervorbringen würde. Ich bin überzeugt, dass abgesehen von der permanenten Unterforderung Prechts Schule zumindest unterhaltsam wäre. Prechts Schule wäre schließlich so etwas wie Drunk History:

Weiterführende Informationen

  • Hüther erwähnt, dass heute erste Trisonomie 21 Kinder ihre Abschlüsse machen – Ich bin für einen ähnlichen Förderansatz auf meinem Blog Entgrenzen, wo ich mich mit dem Phänomen der Behinderung auseinandersetze, denn meiner Auffassung sind wir alle behindert. Die ersten Fälle dieser gebildeten Menschen mit Behinderung bespreche ich dort.
  • Zum Superphilosophen Precht und der Entlassung Peter Sloterdijks habe ich auch einen Artikel auf meinem Blog geschrieben.
  • Auf unserem Blog „www.pusteblumenbaby.de“ haben wir natürlich auch einige Darlegungen zur Erziehung ergänzt.

Vielen Dank an alle, die bis hierher gekommen sind. Wenn ihr in Zukunft mehr Beiträge lesen wollt, dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Über weiterführende Links oder Kommentare freue ich mich natürlich sehr. Norman Schultz.

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Pi auf 100 Stellen lernen, einen Palast bauen und eine Landkarte der Erinnerung anlegen – Die Loci-Methode

Sich wie ein Zahlenbiest die Zahl Pi bis auf 100 Ziffern einprägen…? Dass dieses keine Spezialleistung evolutionär überlegener Über-Gehirne ist, wollen wir mit den nächsten Artikeln beweisen. Jeder kann das und dies gar in wenigen Stunden. Wir schauen uns die dazugehörige Technik an, nicht aber ohne diese auch kritisch zu gewichten. Darüber hinaus haben die Bauarbeiten zu meinem Palast der Erinnerung vielleicht gar eines Landes der Erinnerung begonnen. Auch das werden wir als Thema anschneiden. (Titelbildnachweis: Eine Landkarte des Wissens erstellen: Abraham Ortelius [Public domain], via Wikimedia Commons).

Adolph Menzel - Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci - Google Art Project

Kurz nachdem Menzel uns malte, sagte ich zur allgemeinen Bewunderung die Zahl Pi bis auf 1000 Stellen nach dem Komma auf (Bild:Adolph Menzel: Public Domain; Wikicommons)

Warum das Ganze? In unserer elitären Gesellschaft habe ich beschlossen (und die USA sind nochmal eine Schippe elitärer) Pi auf 100 Stellen auswendig zu lernen. Das nützt mir zwar wenig für ein besseres Leben, doch aber nützt es mir, wenn ich einige Ahnungslose von meinem geistreichen Esprit (wobei der Pleonasmus genauso geistlos wie die Sache selbst ist) überzeugen kann. Auf einer Champagnerparty in Pittsburgh kommt das unter Gelehrten, die gerne den Sinn von Latein verkünden, gut an, wenn einer mal eben stolz wie Bolle auf der Zahl Pi durch den Raum reitet (Studien zeigen ja, dass uns gerade die unverdienten, aber bewunderten Erfolge besonderes Glück bescheren). In Zukunft nennt mich die Welt dann nur noch „Palast des Wissens“.

Es geht also in erster Linie um das sogenannte Loci-System, das Aristoteles noch in ähnlicher Form als „Palast des Wissens“ preiste. Wie also hiermit eine 100-stellige Zahl lernen? Der Trick besteht aus einer Kombination des Master und Loci-Systems. Wobei wir heute zunächst das Loci-System unter die Lupe nehmen, welches uns auch in anderen Bereichen vielfach nutzen kann. Die Frage ist daher auch, ob die Technik mehr als für elitäre Spielchen taugt. Auch aus diesem Grund schauen wir uns an, warum die Technik eigentlich noch so gut wie ungenutzt verstaubt.

Pi - der zweite Band - Ein Buch der Superlative

Pi - Die größte Geschichte aller Zeiten

Warum sind derlei Lernmethoden noch so unbekannt?

Seit meinem 16. Lebensjahr (oder früher) lese ich Bücher zum Thema „Lernen“. Der Klugscheißer in mir interessierte sich vor allem für die eigene späte Geburt: Wie dasjenige lernen, was ohnehin schon an mir verloren gegangen war? Wir leben ja noch gerne mit dem Mythos: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr… Mit wenig wissenschaftstheoretischen Rüstzeug habe ich damals dann bei Bachscher Klassik hypnotische Formeln gereimt, die psychischen Weltbibliothek des Wissens in mir aufgesucht und mittels Scanreading Bücher überflogen (manchmal habe ich hierfür auch den legendären Schwingfinger genutzt). Die Genieversprechen sind vielfältig und allerlei esoterische Literatur macht sich auf dem Markt breit, ergo der Erfolg war gering.

Unter all dem Wust gab es allerdings auch seriöse Literatur, die dann aber meist so trocken wie Wüstenstaub durch meine vom Scanreading überdrehten Gehirnwindungen wehte. Die anderen Techniken versprachen schlicht mehr (hielten aber davon so gut wie nichts). Vielleicht lehnen deshalb viele diese Techniken ab und bleiben bei ihrer Entdeckung der Langsamkeit?

Grundriss Sanssouci 1744

Die Pläne liegen schon bereit (By Site office / Baubüro Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff Public domain

Dennoch nach Jahren intensiver Recherche kommt es mir oftmals vor, als müsste die Welt über diverse Lerntricks bereits gut informiert sein und als müsste die Welt wissen, was funktioniert und was nicht. Immer wieder aber entdecke ich Ahnungslose, die einen heiligen Respekt wallen lassen, wenn einer mal eben ein paar größere Quadratzahlen ausrechnet, eine Melodie am Klavier daherstümpert oder sich 10 (!) Begriffe fehlerfrei einprägt, umgekehrt aber vor allem dem vertrauen, was einst Lehrer falsch in sie hineingeprügelt haben. Es heißt dann, dass vor allem Talente unser Lernen bestimmen und außer Pauken helfe nicht viel. Bei meinen Tutorien zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Universität Köln musste ich dann zum Beispiel vor allem erfahren, dass Lerntechniken, die durch Studien gut belegt waren, Studenten in der Regel nicht überzeugten. Vor allem das Wort „Studie“ löst heute esoterische Abneigungen aus, was wohl der einzige nennenswerte Effekt von homoöpathischer Medizin wäre. Weil Studien Homöopathie wiederlegen, trauen selbst durchschnittliche Studenten keiner Studie, die sie „nicht selbst gefälscht haben“. Der Kritiker transformiert sich in der Universität zum übeldreinschauenden Dogmatiker, der nichts glaubt, aber nebenbei Meditonsin schluckt. Seitdem die Wissenschaft scharf und gerne unsere Alltagsvermutungen widerlegt, zieht es uns doch eher wieder in unsere Egohütte zurück. Ein PALAST des Wissens ist hier nur ein elitärer Prunkbau, der in eine elitäre Zeit gehört.

Statt also die eigene Psyche herauszufordern, beherrschen dann schulisch tiefeingegepaukte Lernfehler die Meinungen (wie sollte es auch anders sein, wenn nur die an die Universität kommen, die die Folter der Schule überstehen und gehirngewaschen so eintrudeln?).  Mir kam es zum Beispiel manchmal so vor, als hätte die Schule Stenographen ausgebildet, anstatt das Denken zu fördern. Die Romanmitschreiber stoppten wenigstens dann ihre Romane, wenn ich ihr Mitschreiben in Frage stellte. „Aber bei mir funktioniert es!“ hieß die allgemeine Antwort. Ich bin mir sicher einige haben auch das mitgeschrieben. Die anderen übrigens, die jedwede Aktivität der Schule in Frage stellten, schrieben mal schlichtweg nichts mit.

Ruinenberg Potsdam

Die Bauarbeiten zum Palast der Erinnerung haben bereits begonnen (By Albert Ludwig Trippel Public Commons, Wikipedia)

Ein weiterer schwerwiegender Fehler der Schule besteht darin, Lerntypen zu unterscheiden. Lerntypen das hört sich für Lehrer (zumindest die, die mit Reflexion wenig am Hut haben) so einleuchtend an, dass die Theorie schlicht wahr sein muss und so sind von diesem Tag an, alle Schüler, die irgendwie das Einmaleins verpasst haben, Typen, die etwas visuell und praktisch erfahren müssen. Sie sind halt keine Kopfmenschen, sondern denken in Bildern. Womöglich haben sie als Kleinkinder zu viele Bilderbücher geschaut? Mit der Idee der Lerntypen, kommt dann die Idee auf, dass wir alle grundverschieden sind. Zumindest ICH ist grundverschieden. ICH lernt anders, weswegen der Satz „Bei mir funktioniert es aber“ zum ewiggleichen Grundrepertoire des Grundverschiedenen gehört.

Gerade die Loci-Methode zeigt aber, dass wir alle doch sehr ähnlich lernen – nämlich, durch Assoziation, Kreativität und Verstehen. In der übersteigerten Selbstliebe zur eigenen Differenz aber hören die Durchschnittsunterschiedenen Ergebnisse nicht und glauben prinzipiell, dass sie noch nie Mathe, Sprachen, Musik konnten, kein Gedächtnis haben und ohnehin Gefühlsmenschen sind, die Dinge nicht glauben, wenn sie sie nicht mit eigenen Augen gesehen haben. Innovative Methoden, die in der Regel daraus bestehen, bestehendes zu verändern, werden daher zwingend logisch immer unbekannt sein.

Magic Mansion Title Card

Trapped im Wunderhaus der Erinnerung, denn wir sind nichts als Erinnerung: By Armed Forces Radio & Television Services Public domain

Das Loci-System

Es kann wohl daher nicht verkehrt sein, hier die tausenste Seite mit der Loci-Methode ins Internet zu stellen. Auch ich bin gerade dabei diese anzuwenden und will diese gerade für die äußerst schweren „Comprehensive Exams“ meines Doktorstudiums in Philosophie verwenden. Bevor wir nun dazu kommen, Pi auf 100 Stellen auswendig zu lernen, müssen wir hierzu erst besagtes Locisystem verstehen. Dieses System selbst ist sehr vielfältig und es sind viele Anwendungsgebiete denkbar, wobei ich diese erst noch ausprobieren muss (gerade der aristotelische Palast des Wissens muss noch in mir gebaut werden – nach Wikipedia unterscheidet dieser sich und legt es vor allem auf eine phantastische Route an – [es wäre vorstellbar, dass der ein oder andere Trekki-Fan ein Universum des Wissens anlegt).

Das Locisystem selbst, so wird es auf allen Kanälen beschworen, haben schon die alten Griechen beherrscht. Ihre Reden waren nach einer inneren Route strukturiert. Dies hört sich zumeist zu simpel an, ich muss allerdings gestehen, dass ich mit einer ähnlichen Technik meine Magisterklausuren mit 1,0 Bestand. Wie? Ich reduzierte alle Inhalte auf bedeutungsschwere Stichworte und legte sie mit kreativ bildlichen Verknüpfungen innerlich auf einer geistigen Route ab. Auf diese Art war es kein Problem, schnell die gesamte logische Struktur eines Textes aus mir abzurufen und sofort nach einer inneren geistigen Route zu replizieren. Die Struktur des Essays war daher unproblematisch und enthielt zumeist alle wichtigen Gelenkstellen.

Aber die geistigen Routen, die ich bishierher benutzte, blieben nicht stabil, sondern ich machte den Fehler, dass ich nur dann, wenn ich sie brauchte, eine geistige Route imaginierte. Diese Routen waren dementsprechend anfällig. Ich machte Fehler und vergaß die Routen selbst, weil ich sie niemals wirklich schematisch ausarbeitete. Aus diesem Grund bin ich kurz vor meinem Umzug nach Amerika nochmal eine Route in Köln abgegangen und habe mir gerade die Domstadt als bleibende Memorykulisse gebaut und ich möchte diese für die Zahl Pi benutzen. Die Route lautet wie folgt:

Tasche http://www.pusteblumenbaby.de/

Köln als Kulisse der Erinnerung (Foto mit Maja von Pusteblumenbayb.de)

1. Haustür 2. Fahrstuhl 3. Fahrradkeller 4. Briefkästen 5. Geldautomat 6. Kiosk 7. Ampel 8. Park 9. Jesusstatue 10. Hügel 11. Fitnessstudio 12.Lanxess Arena 13. Wurstbude 14. Ticketschalter 15. Parkhaus 16. Treppe 17. Straßenbahnhaltestelle 18. Fahrstuhl 19. Rolltreppe 20. Schließfächer 21. Telefon 22. Kiosk 23. Bahn-Ticketautomat 24. Anzeigetafle/Uhr 25. Raucherbereich 26. Wartezelle 27. Packetband 28. Bahnhofstoilette 29. DB-Center 30. Subways 31. Kuppel 32. McDonalds 33. Bahnhofgebäude 34. Wasserdenkmal 35. DSDS 36. Feuercafé 37. Bahnbrücke 38. Schlösser an der Dombrücke 39. Kölner Dom 40. Rhein+Schiffe 41. Turm 42. Pferd 43. Biergarten 44. Hiatt 45. Autodenkmal 46. Deutzer Freiheit 47. Gitarrenspieler 48. Post 49. Kirche 50. REWE 51. DM 52. Biomarkt 53. Ampel 54. Sparkasse 55. Rolandversicherung 56. Berufsschule

Mir erscheint, als biete es sich an, in dieser Art und Weise Routen einzuprägen, nicht nur, weil es einen Effekt für unsere Lernleistungen besitzt, sondern weil wir uns unsere Umgebung einprägen und auf Jahre emotional speichern. Demnach gibt es so viele Routen, die wir gegangen sind und gerade diese Routen können wir nutzen, anstatt sie in der Erinnerung wie Postkarten aus Paris verblassen zu lassen. Ich habe daher nun geplant, jede Wohnung, die ich bewohnt habe und jede Route, die ich häufig gegangen bin, selbst zu verrouten und als innere Erinnerungshalle zu benutzen (Eine Hall of Fame natürlich).

Nutzung der Loci-Methode (mögliche Anwendungen)

Die Loci-Methode bedarf der Kreativität. Zum Einen können wir komplexere Texte in aussagekräftige Stichworte umwandeln und so wesentliche Inhalte einprägen. Es ist aber auch vorstellbar Gedichte derart zu lernen. Es wäre vorstellbar ein Gedicht über 50 Strophen derart einzuprägen, dass wir mit jedem Routenpunkt ein aussagekräftiges Wort der Gedichtzeile verknüpfen. Ich plane demnächst damit Liedtexte zu verbinden, da meine Freunde in Pittsburgh eine Welcome-Back-Party veranstalten möchten und ich dabei wieder als Barpianist agieren soll.

Für den Zahlenerwerb bedarf es darüber hinaus noch einer Verschlüsselungsmethode, die aus jeder Zahl von Eins bis Hundert ein Bild generiert, das wir dann auf den Routenpunkten ablegen, aber damit beschäftigen wir uns in einem der nächsten Artikel unter dem Stichwort Major-System (bzw. Mastersystem).

Einwände gegen die Loci-Route

So weit so gut, aber was nützt das Loci-System für das richtige Leben? Mir erscheint es so, dass die Routen eher eine Gedächtniskrücke sind als dass diese das Gedächtnis wirklich erweitern. Der Arbeitsspeicher vergrößern die Routen meines Erachtens nicht, da ja nur mit Kreativität das assoziative, episodische Gedächtnis genutzt wird (im Gegensatz dazu kann ich eher Lumosity als Intelligenzsteigerer empfehlen, aber dazu bald ein Artikel). In diesem Sinne setzen wir bei der Loci-Methode also nicht auf ein besonderes Gedächtnis. Darüber hinaus erscheint es mir auch, dass die Loci-Systeme, die Lerninhalte nicht direkt im Gedächtnis haften lassen. In diesem Sinne wären derlei Informationen der Loci-Methode auch nicht unbedingt unmittelbare Quelle von Erkenntnis, sondern immer nur vermittelt zugänglich. Heißt dies, dass uns das Wissen gerade in der praktischen Anwendung wenig nützt?

Darüberhinaus erscheint mir zu Zeiten vom Nachschlagebruder Google die Lociroute an Relevanz verloren zu haben und nur noch für künstliche Lernsituationen zu taugen. Zudem müssen wir die Route regelmäßig warten, was allerdings mit dem grandiousen Programm „Pauker“ zu bewerkstelligen sein sollte.

Zur Anwendung muss auch hinzugefügt werden, dass eine Mehrfachbelegung der Routen nicht gleichzeitig funktioniert, daher verschwende ich eine Route um die Zahl Pi zu beherrschen und muss wieder neue Routen erstellen (was auch ein Zeitfaktor ist). Letztlich aber erscheint mir das Zeitplus am Ende gerade für irrelevante Informationen, so wie sie die Schule und Universität uns aufzwingt, zu taugen.

Welche Vorteile aber bringen die Routensysteme?

Natürlich können wir mit dem Loci-System Inhalte aus der Schule oder dem Studium flexibel erwerben (hierin zeigt sich schon wie irrelevant es daher ist, Lerninhalte zu erwerben, die mit dem Wechsel der Routenbelegung wieder aus unserem Gedächtnis entschwinden oder vergessen werden dürfen). Gleich aber in welcher Weise wir die Routen nutzen: Wenn wir die Routen nutzen, so nutzen wir vor allem unsere Kreativität. Diese Kreativität wird uns in vielen Bereichen nutzen, weswegen das Lernen mit den Locirouten Effekte besitzt, die über die Methode selbst hinaus gehen. Auch wenn wir damit nicht unser Erinnerungsvermögen selbst erweitern, so erweitern wir doch die kreative Auseinandersetzung mit Lerninhalten. Studien gibt es hierzu noch keine, aber das innere Imaginationsvermögen zu nutzen, erscheint mir niemals als unproduktiv, daher empfehle ich die Methode.

Pi - der zweite Band - Ein Buch der Superlative

Pi - der zweite Band - Ein Buch der Superlative

Weiterführende Informationen. 

Um der Zahl Pi gerecht zu werden, muss ich natürlich meinen Artikel zum zweiten Band der Reihe Pi anpreisen. Dort findet ihr eine Kritik einer der größten Geschichten aller Zeiten.

Im nächsten Beitrag werde ich erklären, wie sich vermittels der Kombination von Routen- und Mastersystem ganze Zahlenkolognen einprägen lassen, zunächst muss ich mir hierfür allerdings selbst ein Mastersystem zulegen. Mit diesem Mastersystem können dann auch Geschichtsdaten eingeprägt werden. Diese Techniken der Gedächtnisweltmeister werden jedoch natürlich auch auf vielen anderen Website verraten:

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Der lehrende Sadist und sein Schüler der Masochist – Meine Schulerfahrungen und die Forderung nach Philosophie als zentraler Größe in unserer Bildung

Wenn es darum geht etwas besonders schlecht zu machen, dann war ich in meiner Schulzeit oftmals der Beste. Fünfen pflasterten wie gähnende Totenköpfe meinen Weg durch unser Schulsystem und ich gähnte fleißig mit (haha). Schlafen durften wir ja nicht. Heute schäme ich mich nicht mehr, vor langweiligen Professoren zu schlafen. In diesem Beitrag bringe ich also mal ein paar Beiträge aus meiner fürchterlich langweiligen Schulzeit. (Bildquelle:: By after Jan Josef Horemans the Younger (1714-1790) (http://www.hampel-auctions.com/) [Public domain], via Wikimedia Commons)

Fritz Beinke Die Schulschwänzer

Freiheit heißt bei Lehrern Schule schwänzen By Fritz Beinke (1842-1906) (Dorotheum) Public domain Wikimedia Commons

Musik – Mein Lehrer in der sechsten Klasse muss mich für einen Klops gehalten haben. Bis zum Alter von 20 konnte ich im Radio nicht hören, wo in einem Stück der Viervierteltakt beginnt, geschweige denn, ob das Stück überhaupt einen Rhythmus hat. Obwohl ich jedoch mit Musik soviel zu tun hatte wie Schule mit Bildung (das Potential ist ja da) saß ich am Ende des Schuljahres an den Projekttagen in einem Musikprojekt (ich war zu faul, mich rechtzeitig vor die Listen zu drängeln und mit den anderen Schülern wie mit Muttis im Kik um das Sommerschluss-Projekt zu kämpfen. Im Schuljahr zuvor durfte ich aus demselben Grund übrigens alle Overheadprojektoren reinigen. Was angeblich auch ein Projekt war!) An unserem „naturwissenschaftlichen“ Gymnasium interessierten sich nur wenige für ein musikalisches Verliererprojekt und so saß ich also bei den Verlierern. Am Ende dieses Projekts sollte bei einem Schulfest dann ein Stück aufgeführt werden. Als größter Unmusiker aller Zeiten war ich also angereist und wurde nach einigen ernüchternden Leistungstests zum Tamburinmann gekrönt.

Kennt ihr eigentlich jemanden, der nicht weiß wie er ein Tamburin bedient. Ich wusste auch noch Zehn Jahre später nicht, wie die merkwürdige Rassel eigentlich hieß. Ich war damals so uninteressiert, selbst auf einer Triangel hätte ich den Ton nicht getroffen. Rhythmusklopfen? Der Kopf des Ahnungslosen dachte immer das wäre das Geräusch, was Trommeln machen wie eben Klaviere nach Klavier klingen.

Der Druck der musik- und kulturinteressierten Öffentlichkeit tat jedoch seinen Dienst. Widerwillig orientierte ich mich daher bei der Schulaufführung an meinem Nebenmann und klopfte in gleichem Maße wie er klopfte, stoppte, wann er stoppte und lieferte ein ziemlich gutes Playback. Nach dieser Ausbildung wäre ich wahrscheinlich ein ziemlich guter Lufttamburinspieler geworden. Die Aufführung war dank meiner Nicht-Performance ein voller Erfolg.

Die Quittung meines Desinteresses? Ich erhielt in Musik meine Fünfen. Warum aber? Nun, mich interessierten keine Noten und noch weniger irgendwelche Akkordgeschichten, nach denen ich dann Stücke nach Schemen auf ein Blatt Papier komponieren sollte. In der Regel malte ich Noten irgendwohin und bekam dann wenigstens eine Fünf. Warum aber Noten Kindern aufgezwungen werden, obwohl sie zumeist kein Interesse für Musik haben, noch ein Instrument spielen, kann ich bis heute nicht verstehen. Dann mit 16 aber bekam ich ein E-Piano und fing an zu üben und übte viel. Mein Ziel war es schließlich dieses Stück zu beherrschen:

Ich kann es sicher noch besser spielen, aber ich habe mir auch bis zum 50. Lebensjahr eine Frist gesetzt. Dann möchte ich ein guter Barpianist sein und eine filigrane Technik besitzen. Noch genug Zeit, um damit dann den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Schule ist doof

Das habe ich damals so gesehen und sehe ich heute nicht anders. Meine überragende Ignoranz gegenüber der Schule belohnten die Lehrer schließlich damit, dass sie mich in der zehnten Klasse wie Kaugummi an der Schulbank kleben ließen. Ich weiß nicht, welchen Sinn diese Strafrunde damals haben sollte, aber ich bin mir sicher, sie stehen heute noch hinter ihrer Entscheidung wie viele Eltern, die ihre Kinder schlagen. Aus mir ist ja schließlich irgendwie etwas geworden (ich meine irgendwie, schließlich bin ich Philosoph). Ich nahm die Konsequenzen meiner minderen Qualität damals kommentarlos hin. Ich empfand es überhaupt nicht schlimm, in einem System zu hängen, dass vor allem wegen der sozialen Kontakte aufgesucht wurde.

Was war geschehen? Ich stand damals sowohl in Englisch als auch in Französisch Fünf, was mich damals ungefähr soviel interessierte wie altfranzösische Liebeslyrik in Italien. Ich nahm die meisten Lehrer so ernst wie das Schulfernsehen auf den öffentlich-rechtlichen. Die Lehrer lebten oftmals ihren Beruf nicht und ließen uns merkwürdige Aufgaben lösen. Türmchenrechnen? Hallo? Es gibt sicher auch andere Systeme, wo wir den Stoff üben.

Ich war bereits die Jahre zuvor versetzungsgefährdet und auch nach meiner grandiosen Ehrenrunde änderte sich nicht viel. Schließlich schaffte ich die zehnte Klasse, in Französisch bekam ich eine Fünf, was ich gerade so mit einer Drei in Deutsch und einer 3,5 in Mathe ausgleichen konnte. In Englisch öffnete ich mit 4,45 mit Hängen und Würgen auf dem letzten Meter den Fallschirm. Ohne die Zwei in einer Arbeit, die Jeremy (ein amerikanischer Austauschschüler!) für mich schrieb,  hätte ich diese Klasse nicht geschafft (es wurde vor allem die Grammatik und der Ausdruck bemängelt). Tatsächlich habe ich beschissen. Ohne diese Zwei von Jeremy hätte ich nie wieder an einem normalen Gymnasium mein Abitur machen dürfen, aber ich fühle mich nicht schlecht, da ich ein noch beschisseneres System beschissen habe und schließlich war ich ein Kind.

Yawning koala bear

Langweiliger als Tofu By National Media Museum from UK (Yawning koala bear Uploaded by PDTillman) Public domain

Ich muss allerdings auch sagen, dass in Französisch und Englisch die Lehrer überhaupt keine Schuld trifft, denn ich hatte einfach kein Interesse über Gemüse in Frankreich oder Kleidungsstücke in England nachzudenken. Ich hatte auch ebenso kein Interesse daran schöne Satzanfänge im Englischen zu verwenden, um dann wie ein Trottel, die minderbemittelte Meinung, die mir mit den spärlichen Worten zur Verfügung standen, auf das Papier zu bringen. Zudem brauchte ich die Sprachen nicht, denn ich wollte Informatik studieren und natürlich Computerspieletester werden. Zugleich war mir klar, dass ich die Sprachen erlernen würde, indem ich einfach in das Land reisen würde, wie ich es später mit Amerika und Frankreich tat. Heute ist mein Schriftenglisch mitunter besser als das Englisch einiger Muttersprachler. Zumindest schaffte ich beim GMAT 64 Prozent, was bedeutet, dass ich besser Englisch beherrsche als 64 Prozent der anderen Teilnehmer, was zum großen Teil Muttersprachler sind, die sich auf ein höheres Studium bewerben. (Diese Fähigkeit will ich allerdings noch deutlich steigern. 64 Prozent ist noch nicht viel.)

Bemerkenswert ist im Übrigen, dass einige Fächer, die zu meinen Interessen gehörten, in der Wiederholung der Klassenstufe deutlich schlechter ausfielen. Im Wiederholungsjahr der Zehnten Klasse war mein Schnitt gar noch schlechter. Hier lag es allerdings sehr deutlich an den Lehrern. Während ich bei Frau Werner in Sozialkunde durchweg interessiert war und stets eine Eins bekam, schlief ich bei den endlosen Monologen von Frau Fürt aufs fürchterlich Fürstlichste. Die Dame nahm mich auch kaum wahr und hatte ihre Meinung über mich. Sie schaute mich an, wie ein Amerikaner, der große Augen bekommt, wenn ein Mann mit Bart und Turban ein Flugzeug betritt. Sitzenbleiber sind Bildungsterroristen, die den Lehrern den Spaß am Unterrichten verderben. Mit Hängen und Würgen erreichte ich eine Vier (beim gleichen Lernstoff) bei ihr.

Ducreuxyawn

Nach der Schule aufstehen - Joseph Ducreux Public domain via Wikimedia Commons

Ähnliches geschah mir mit Frau HonkyDonky. Während ich zuvor in Geschichte noch meine sehr gute Zwei (ohne Lernen) bei Frau Glahmann erreichte, gab die Dame mir Sechsen, weil sie nicht wusste, wie mit einem Schüler umzugehen ist, der den Kopf morgens auf die Schulbank legt, während sie über Gott und die Welt und auch mal über Geschichte sinnierte. Bei einem Auswendiglerntest, bei dem wir Geschichtsdaten Geschichtsereignissen zuordnen mussten (was ich mittels Merktechniken in der Regel in der Pause erledigte und dabei immer meine wenigen Einsen bekam) erhielt ich eine Sechs, weil ich die Geschichtsdaten nicht chronologisch sortierte, sondern ungeordnet ihr vorlegte. Nun gut ich hatte noch gelangweilt in Spiegelschrift darunter geschrieben „Viel Spaß beim Kontrollieren.“ Die Dame stand wohl nicht über ihrer Hybris als sie die Hybris eines Sechzehnjährigen beurteilte. Sie hat mir eine Lehre erteilt (womöglich denkt Sie dies auch heute noch), im Gegensatz dazu habe ich vor ihr geweint und das war wenigstens ehrlich. Sie wird mir zumindest in meinen zukünftigen Seminaren zu Verhaltensweisen von Lehrpersonen als gutes Beispiel dienen. Eine Arbeit in Deutsch gab ich übrigens komplett in Spiegelschrift ab, wofür ich eine Drei erhielt. Die Lehrerin hatte sich tatsächlich einen Spiegel daneben gestellt.

Frau HonkyDonkys elitäre Haltung gegenüber dem Allgemeinwissen der Geschichte gepaart mit Monologen, mit denen man Hunde hätte einschläfern können, empfand ich teilweise als Beleidigung an den Intellekt. Die Erkenntnishorizonte der Geschichte interessierten sie wenig, stattdessen hatten wir die Geschichte so zu rekonstruieren, wie Frau HonkyDonky sie uns vorbetete. Letztlich musste ich übrigens zum Direktor, weil ich mir für die Stunden ein Kopfkissen mit zur Schule nahm. (Ich muss hier auch anmerken, dass ich keineswegs vorlaut war, sondern nur still in meiner Ecke saß).

Schließlich aber wechselte ich bald die Schule und machte mein Abitur in einem Musikleistungskurs, der eben auch die musikalischen Fähigkeiten in den Mittelpunkt rückte. Ich interessierte mich mit einem Schlag sehr für das Klavier und für klassische Musik. Darüberhinaus begann ich Kant und Heidegger zu lesen. In Musik erhielt ich dann Einsen und in Englisch gab ich vor, die Sprache zu beherrschen, was auch in irgendeiner Weise funktionierte. Zwar konnte ich kein Englisch, aber der äußere Schein, den ich mir verlieh, besser als andere zu sein, passte irgendwie zur Lehrerin. Ohne weiteren Aufwand verbesserte ich mich von geradeso Vier auf Eins. Schließlich machte ich mein Abitur mit 1,8 (keine überragende Leistung, aber es stand im Zeit-Leistungsverhältnis zu all meinen anderen Hobbys).

Lernen und Interesse

Obwohl ich mich in der Schulzeit niemals für Sprachen interessierte – auch nicht als ich vorgab Englisch zu können – studierte ich plötzlich nach dem Abschluss alte Sprachen (Indogermanistik). Gerade das Studium von Wittgenstein und Heidegger  ließ mich damals die Grundlagen unseres Wissens in der Sprache suchen. Die Motivation war mit einem Mal gegeben:

„Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt“ (Wittgenstein)

„Die Sprache ist das Haus des Seins, in ihm wohnend der Mensch.“ (Heidegger)

Aufgrund solche Ideen lernte ich also Grundlagen der Indogermanistik, Latein, Gothisch, Hethitisch, Altjapanisch und Griechisch.

Heute jedoch lehne ich den starken Sprachrelativismus ab, obwohl ich immer noch glaube, dass die Sprache als Erkenntnishorizont unhintergehbar ist. Hierbei ist allerdings die Frage, was wir als Sprache verstehen. Ich rede auch von der Sprache und nicht etwa von kulturell verschiedenen Sprachen. Aus heutiger Sicht hätte ich meine Zeit eher darauf verwenden sollen, moderne Sprachen zu erlernen.

Methodenfragen im Lernen

Viele an diesen Sprachinstituten sprachen übrigens bis zu 20 Sprachen (auch wenn diese verwandt waren). Handelte es sich um Sprachgenies? Nein, sie hatten besonders gute Methoden und durften sich nach ihren Interessen orientieren. Eine Grundlage für tatsächliches Lernen und wenn die Schule hier versagt zu motivieren, dann ist die Schule nutzlos. Lehrer (wie im übrigen auch Universitätslehrer) erwarten stets, dass die Schüler alle Motivation aufbringen, tatsächlich aber machen Sie sich doch schon die Mühe, um jemanden zuzuhören. Die Verantwortung für die Motivation liegt beim Lehrer, der letztlich auch noch das Geld für seine Besserwisserei bekommt.

Wie Habermas schon wusste: „Der Mensch kann nicht nicht lernen.“ Die Schule aber verstellt uns den Weg, indem sie uns mit angeblichen Allgemeinwissen schlichtweg Lebenszeit stiehlt, anstatt uns die Chance zu geben, ernsthaft etwas zu lernen. Bei den meisten Dingen, die ich zum Beispiel erlernen möchte, fehlt mir oftmals der Zugang zu Menschen, die mir das beibringen. Die Schule gab mir solche Zugänge selten (Lesen, Schreiben, Rechnen, okay, das prügelte man in mich rein).

Seitdem ich während des Studiums aber an diesen Instituten Sprachen erlernt habe, weiß ich, dass es nicht darauf ankommt, sich an Schulen anzupassen. Es kommt eher darauf an, die Motivation für das Lernen zu finden und dann auch die Methode zum ständigen Inhalt des Lernens zu machen. Sprachen lernte ich tatsächlich mit Spaß, auch wenn ich es nach der Zwischenprüfung auf moderne Sprachen hinorientierte. Mein großes Ziel ist es, nach meinem Doktorstudium noch Chinesisch zu lernen (erste Kurse habe ich schon mit A+ in China bestanden.)

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Lehrer schlagen über die Strenge By Charles Green (1840-1898) Public domain via Wikimedia Commons

Was ist die richtige Methode? Weiß dies jemand? Nun, ich habe viel zu diesem Thema gelesen als ich an der Uni Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens unterrichtet und aus dieser Erfahrung muss ich sagen, Menschen wollen in der Regel überhaupt nicht wissen, wie sie etwas besser lernen. Wenn ich wissenschaftliche Ergebnisse, dass vor allem Studenten besser abschnitten, die tendenziell weniger mitschrieben, in meinen Tutorien darstellte, so bekam ich in der Regel nur zu hören: Bei mir funktioniert es aber wirklich anders. Viele waren überzeugt, ein bestimmter Lerntyp zu sein, obwohl diese Lerntypentheorie mittlerweile in der Didaktik als überholt gilt (viele Dozenten vertreten sie aber noch unwissend). Die meisten Studenten schrieben Romane in den Vorlesungen mit, ohne auch nur zu denken, während ich stets die Vorlesung mit einem kleinen A5 Zettel komplett zusammenfassen konnten, hatte der Rest noch nicht mal geschafft, sich einen Überblick zu verschaffen. Auf simple Fragen zu antworten, war schwierig (und ich mache den Studenten überhaupt keinen Vorwurf. Ohne Methodik ist es schwer eine ganze Vorlesung zu verfolgen und memoriert zu reproduzieren. Es wird ja auch kaum dazu motiviert). Die Diskussionen um dieses Thema waren im Gegensatz allerdings sehr lebhaft, was darauf hinweist, dass wir diese Diskussion benötigen.

Technik verbessert tatsächlich unser Können. So gibt es beispielsweise schon chinesische Klavierschulen, die technisch perfekte Pianisten mit 18 Jahren hervorbringen (früher waren diese wesentlich älter). Gleiches gilt für die Schachschulen, wo Großmeister immer jünger werden. Für Sprachen gibt es Sprachzentren, die Sprachen schnell und effizient in die Menschen einprügeln. Mehrsprachigkeit ist heute keine Seltenheit mehr. Leider kosten diese Sprachprogramme und Spezialschulen viel Geld.

Warum aber werden diese Lerntechniken nicht schneller und unabhängig von privaten Bildungszentren verbreitet? Warum hören wir nicht jeden Tag von neuen Lernerfolgen? Weil wir Menschen gesellschaftlich die Neugier aberziehen und ihnen mit der Neugier nicht die kritische Reflexion der Philosophie überlassen. Mit Todeslangeweile aus der Schule erleben wir wirkliche Persönlichkeitssteigerung bei der Mehrzahl der Menschen dann nur noch selten. Leben ist dann bei ihnen eine merkwürdige Mischung aus Alkohol und Debilität, um überhaupt die Langeweile ertragen zu können. An den Lagerfeuern und vor dem Internet sitzen immer Jugendliche, die von einer größeren Welt träumen und dies ist Anreiz zum lernen. in der Schule begegnen uns dann Vor allem Lehrer, die dann ihren Job runterreißen, und zu Bremsklötzen werden (schon stark verallgemeinert ja und es muss hier auch eine Systemkritik folgen). Im Endeffekt lassen wir uns in unserem Bildungssystem dann von Chinesen überholen, die aber letztlich den Lernstoff nur reingeprügelt bekommen und sich auf Fähigkeiten trimmen.

Unser Bildungssystem basiert auf einer merkwürdigen Form von Allgemeinbildungsfetischismus, wobei der Lehrer so etwas wie ein Sadomasolehrer ist. Selbst lange trainiert, die Langeweile auszuhalten, hat er zumeist die Lizenz zum Langweilen erhalten und darf seine Ideale, den Stillen einflößen. Der Student und Schüler ist dabei zumeist derjenige, der sich an das Andreaskreuz der Bildung nageln lässt und nun mit Klassikern von Faust bis Schiller, mit Funktionen und sinnlosen Gleichungen gequält wird. „Ja, Herrin, gib mir eine Eins!“

Diese Form der elitären Allgemeinbildung brauchen wir nicht mehr. Stattdessen brauchen wir Menschen, die sich auf Probleme einlassen wollen und dann mit diesen Problemen arbeiten und sich daran orientieren. Ich konnte mich daher niemals mit der Schule arrangieren, weil mir alles so weltfremd erschien. Ich studierte in Deutsch die Sekundärschriften zu den Werken, so lass ich mich beispielsweise durch die Gesamtausgabe von Max Frisch. Zu Goethes Faust ergänzte ich die Lehrer um die Wurzeln der Motive, korrigierte ihre Hypothesen, indem ich mich auf Werke bezog wie von Heinrich Leopold Wagner („Die Kindsmörderin“), welches Stück zur Zeit Schillers und Goethes damals womöglich eine Wirkung wie heute Twilight. Nein ich war nicht nur ein Klugscheißerkind, aber die vielen Interessen stießen nicht auf Widerhall, weder bei den Lehrern, noch bei meinen Mitschülern und so gab es auch niemals Anerkennung für außerschulische Aktivitäten, die allerdings alle viel stärker meinen Charakter formten. In einem Sadomasosystem soll der Schüler vor allem Leiden lernen, nicht aber Leidenschaft aufkommen lassen. Wie sollte das Leben auch mit Noten kontrolliert werden?

Dennoch aber interessierte ich mich für die Sache und dies bedeutete, dass ich mich für den Allgemeinbildungskram der Schule zumeist nicht interessierte. Diese oberflächlichen Lehrpläne legten es schließlich nur darauf an, dass wir vorgekautes Wissen und sogar Fähigkeiten reproduzierten. So bekam ich in Deutsch schließlich stets Gedankensprünge und eine nicht stringente Erörterung vorgeworfen. Dabei war dies nur der Versuch von der eisigen Oberfläche auszubrechen. Ich verstand jedoch schlichtweg nicht, worum es ging. Ich versuchte interessante Texte zu schreiben, so wie ich es damals begann von Sloterdijk zu lernen. Es war mehr das Ziel Geist in den Worten, die da aus mir heraussprudelten, zu finden, als eine plumpe Gedichtanalyse abzuliefern. Ich verstand aber auch überhaupt nicht, dass es darum ging, einfach nur einen plumpen Text zu schreiben. Mir gingen die Augen auf, als ich kurz vorm Abitur mal eine Arbeit einer Mitschülerin las, um zu erfahren, warum ich immer nur eine Zwei niemals aber eine Eins bekam. Tatsächlich ging es im Probeabitur um Max Frisch und ich war sehr enttäuscht. Meine Lehrerin schrieb noch, dass sie mir für die überragenden Zusatzleistungen und das Zusatzwissen, leider keine Zusatzpunkte geben könne. Der größte Gedanke der Einserkandidatin hingegen war die Formulierung des Gemeinsam-Einsamseins. Ich schrieb dann mein Abitur so plump wie ich konnte und erhielt eine Eins minus. Ich hätte mich wohl früher anpassen sollen?

Beim Studium änderte sich dies, in der Regel waren meine Noten einsen. Selbst in Amerika bekam ich nur A`s und darf nun mein Doktorstudium dort fortsetzen und erhalte gar ein Stipendium über fünf Jahre (wobei dies bei den dortigen Studiengebühren und der Tatsache, dass es sich um eine private Universität handelt, auf astronomische Summen beläuft). Mein universitärer Erfolg hing einfach davon ab, dass ich mich themenspezifisch konzentrieren durfte. Dass ich mich mit Themen auseinandersetzte, für die ich mich interessierte und mich mit den Professoren über die Forschung beriet, nicht aber nur sinnloss produzierte. Tom Rockmore einer der größten Philosophen aus Amerika bescheinigte mir, dass meine Arbeit über die formalen Anforderung hinaus eben gerade auch jene philosophische Einsicht besaß, die eben überhaupt sehr selten sei. Warum aber konnten die Lehrer dies früher nicht erkennen?

Sicher liegt auch noch an der Universität einiges im Argen, aber ich plädiere dafür, dass wir generell von unserem Allgemeinbildungsanspruch in den Schulen abkommen. In der Schule sollte es eher um Fähigkeiten gehen, als darum die Standesschranken zwischen Unter- und Oberschicht durch angebliches Mehrwertwissen (dem Allgemeinwissen) aufrecht zu erhalten.

Ich schlage daher folgende Minimalfächer für die Schulen vor, um für die spezifische Interessenausbildung Platz zu schaffen:

  • Philosophie (dazu gehören in folgender Reihenfolge Erkenntnistheorie/Wissenschaftstheorie, Logik, Argumentation, Ethik und Religion)
  • Deutsch (Lesen/Schreiben/Kreatives Schreiben/)
  • Mathematik
  • Wissen.
  • Sport

Fritz Beinke Die Schulschwänzer

Freiheit By Fritz Beinke (1842-1906) (Dorotheum) Public domain via Wikimedia Commons

Im Wissensbereich sollten Schüler angeregt werden, auf eigenen Pfaden zu gehen, Projekte entwickeln und mit den mitgegebenen Fertigkeiten ihre Fähigkeiten vorantreiben. Blogprojekte wären eine Idee.

Warum aber Philosophie als zentrales Fach?

Die meisten glauben tatsächlich immer noch bei der Philosophie handele es sich ausschließlich um eine Laberwissenschaft. Zudem könnte mir der Vorwurf gemacht werden, ich halte die Philosophie hoch, weil ich eben diese studiert hätte. Dies ist aber nicht richtig! In der Philosophie, so wie ich sie und viele wahre Philosophen verstehen, geht es vordergründig um Wahrheit. Welches Wissen kann wahr sein und wie weisen wir es aus? Sind dabei sehr zentrale Fragen. Damit rückt die Erkenntnistheorie, die Logik und die Struktur unserer Argumente in den Mittelpunkt. So stellen wir zum Beispiel Fragen, warum mathematische Sätze wahr sein können oder ab wann wir ein physikalisches Ereignis wie der statistische Ausweis von Elementarteilchen als Wissen gelten darf. Wir erlernen hiermit die Grundlagen für all unser Wissen überhaupt (was in der Schule sträflich vernachlässigt wird). Das, was der Naturwissenschaftler immer nur als Sieg der Empirie behauptet, würden wir hier konkret erlernen.

Es gibt gute Gründe, warum gerade die europäische Philosophie mit ihrer Grundlegung der Wissenschaften, die gesellschaftliche Entwicklung derart vorantrieb, dass wir einen enormen Vorsprung in den Wissenschaften herausholten. Doch auch heute noch (trotz einer grandiosen Philosophiegeschichte) sind die wissenschaftlichen  Eckpfeiler der Empirie noch nicht verstanden. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Leute ein empirisches Argument nicht von einem deduktiven Argument unterscheiden können. Dies aber sind Grundlagen, um überhaupt geradeaus denken zu können und unser theoretisches Wissen in die Praxis zu überführen, ja um unser Wissen noch weiter gesellschaftlich zu vervielfältigen und das ganze Wissen, was wir in der Schule bekommen, zu gewichten und zu werten. Der Wert der Philosophie ist dabei noch längst nicht erkannt, weil die meisten über die Grenzen ihres Wissens noch nicht nachgedacht haben und glauben, die Philosophen würden versponnene Theorien über die Wirklichkeit der Welt ersinnen. Nein, diese Theorien über die Welt sind Folge eines grundsätzlichen Erkenntnisproblems, was jeden existentiell und existential betrifft. Dieses reicht dann bis hinein in die Ethik und die Grundlagen unserer Gemeinschaft bis hinauf zur Religion. Die Frage ist immer, woher wir etwas wissen, was wir sollen und was wir hoffen dürfen. Ich behaupte an dieser Stelle, wenn wir Philosophie als zentrales Fach an der Schule unterrichten, würde die Homöopathie bald von der Bildfläche verschwinden. Darüberhinaus würden wir die moralisierenden Religionen von der Ethik trennen und uns viel tiefgreifender mit der Frage nach Gott beschäftigen.

"GO BACK TO SCHOOL^" - NARA - 535612

Zu welcher Schule wollen wir zurück? See page for author Public domain via Wikimedia Commons

Ich hatte lange überlegt, ob ich nicht Psychologie oder Mathematik studieren sollte, schließlich wurde es die Philosophie, weil ich hier die Frage nach der Grundlegung aller Wissenschaft entdeckte. Nun könnte behauptet werden, dass diese Grundlegung Schüler nicht interessieren würde. Ich hatte nun allerdings das Glück, Hochbegabte aus Sachsen unterrichten zu dürfen (http://www.bildung.sachsen.de/216.htm). In einem eineinhalbstündigen Seminar gingen wir die Wahrheitsfragen gemeinsam durch und prüften inwiefern wir überhaupt moralische Richtlinien formulieren könnten, wenn wir kein gesichertes Wissen haben. Wir haben uns nicht geschont und wir haben vorrangig kommunikativ gemeinsam gearbeitet: Mit vielen Fragen gelangten wir sehr schnell an die Grenzen unseres Wissens und letztlich konnten wir auch auf die Theorie der performativen Selbstwidersprüche (als erfolgsversprechende Ethikkonzeption gegenüber einem Relativismus) zusteuern. Schließlich wurde ich von Schülern nochmals zu einer Projektwoche eingeladen, um dort weiter mit den Schülern zu arbeiten. Auch die anwesenden Lehrer waren begeistert.

Ich bin überzeugt, die Philosophie kann an der Schule die Impulse für wahres Wissen setzen. So wie einst die Philosophie die Wissenschaften überhaupt belebte (so wie die Philosophie selbst die Königswissenschaft war), so kann die Philosophie heute die zentrale Stelle in der Didaktik und Pädagogik besetzen. Die Philosophie kann garantieren, dass die Auseinandersetzung mit den vielen Wissensgebieten schließlich integrativ gelingt. Wir brauchen daher nicht noch Ernährungskunde, Computerwissenschaft, Programmieren, Ethik oder Religion an der Schule, sondern nur einen integrativen Horizont, der den Schülern ermöglicht eigene Horizonte in Freiheit zu erschließen und Wissen darin zu orientieren. Diese Einstellung hätte ich mir von meinen Lehrern damals gewünscht, denn darauf legte ich es in all meinen Arbeiten immer an und ich hätte schon in der Schule einige interessante Theorien in Zusammenarbeit mit den Lehrern erarbeiten können (mit wenigen ist dies geschehen). Diesen Anspruch werde ich bei meiner weiteren Arbeit als Lehrer an der Universität verfolgen. Es geht tatsächlich in erster Linie um Kreativität, die Form gerinnt mit den ersten Veröffentlichungen. Kreativität und genaues Denken, darum geht es.

Norman Schultz

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Geniefilme – Smartassfilme schaue ich immer gern

(Bild By Emiichann Public Domain) Früher habe ich immer Filme gesucht, die in irgendeiner Weise das Thema „Genie“ in den Fokus nahmen. Vor allem bei den unzähligen Filmen über das Klavierspiel, konnte ich tatsächlich einiges für meine eigene Technik am Klavier mitnehmen. Ansonsten war es immer der Anreiz andere Denkweisen in Auseinandersetzung zu erhalten. Dokumentationen sind hier tatsächlich nicht zu knapp:

El cerebro según Fludd

Attribution: Genialität By Robert Fludd (1574-1637), sabio inglés, médico seguidor de Paracelso, alquimista, astrólogo y rosacruz. Con su gran capacidad para traducir en bellísimos grabados la filosofía rosacruz, influyó grandemente en el polígrafo Athanasius Kircher y, a través de él, en Alejandro Fabián, Carlos de Sigüenza y Góngora y Sor Juana Inés de la Cruz, en la Nueva España. Public domain via Wikimedia Commons

Zu den Dokumentationen mache ich bei Gelegenheit noch einen eigenen Post. Hier aber geht es um Filme. Überraschenderweise gibt es nicht so viele Filme, die sich in vollem Umfang dem Genie-Thema widmen. Das Genie ist wie beispielsweise Dr. Emmet Brown aus „Zurück in die Zukunft“ immer einer Art Sidekick, Kuriosität, ein zerstreuunggewordener Witz und ein liebenswertes Stück Wahnsinn. Selten ist das Genie wirklich in seiner Größe zentral, sondern wird für eine Dramaturgie verkleinert. Oftmals charakterisiert es dann nur noch einen vom Größenwahn Besessenen, der vor allem die Grundpfeiler der Ethik nicht verstanden hat und gerne Gehirne isst oder gleich die ganze Welt zerstören will.

Hinzu kommt, dass die Definition eines Genies in einer arbeitsteiligen Gesellschaft etwas komplex geworden ist und wir Genies zumeist nur in einzelnen Teilbereichen finden. Es kommt heutzutage mehr und mehr auf Gruppen an, als das ein Genie noch die Welt verändern könnte. Die einzelne Intelligenz löst sich im Schwarm auf. Niemand brilliert heute mehr wie angeblich Leipniz auf allen Gebieten und so ist es auch mittlerweile schwierig, Filme über Genies zu veranstalten.

In dieser Serie handle ich dennoch die Filme zum Thema „Genie“ ab, leider sind das meiste Klugscheißerfilme. Meine Top Ten steht schon, aber ich gehe mal über einen längeren Zeitraum alle Filme ab, die in irgendeiner Weise das Thema Genie miteinfließen lassen.

Searching for Bobby Fischer (Das Königsspiel):

Searching For Bobby Fischer (auf Deutsch: Das Königsspiel) – Dieser Film, gemacht aus Schmalz, handelt eher von ehrgeizigen Vätern, die die Brut ihrer Gene auf Erfolg trimmen wollen. Mit der gesunden Portion „Happy End“ bringt der Film kaum mehr für das Gehirn als der Biss in eine hochgepriesene, vitaminreiche Möhre. Warum der Film bei Rotton Tomatoes daher eine Wertung von 100 Prozent erhält, ist mir ein Rätsel. Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Zuschauer kaum die Bauern im Schach richtig führen können. Womöglich lässt sich eine Zuschauerschaft dann auch faszinieren, wenn angebliche Wunderkinder wie jeder Amateurspieler im Schachverein mit viel Energie auf die Schachuhren kloppen. Blitzschach gibt immer was her und auch wenn einer gegen mehrere Opponenten gleichzeitig spielt (das kann jeder, der im Schachverein ein bisschen Praxis hat), dann staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Anstatt wirkliche Leistungen zu demonstrieren, werden so zum Beispiel in diesem Film schnell mal schlecht gespielte Blitzpartien zu einer Partie zusammengeschnitten:

Der Film führt also vor allem den Schein vom Schach vor. So bedarf zum Beispiel auch das angeführte Endspielproblem aus der Endszene keiner Wunderkinder, sondern ist in jedem Endspielbuch für Anfänger zu finden. Den inszenierten Bauernsprint muss jeder halbwegs Eingeweihte als siegreich bewerten, ansonsten ist er etwas blöd. Den Videobeweis führe ich daher nur an, um noch die schlechte, schauspielerische Leistung in den Fokus zu rücken:

Das obligatorische böse, andere Kind, dem es eigentlich nur um den Erfolg geht, lässt sich also nicht so leicht auf die gute Seite der Macht zerren, um dann das Unentschieden einer geteilten Weltmeisterschaft im Geniesport zu genießen. „Du hast verloren, du weißt es nur noch nicht!“ ein Klugscheißerspruch durfte hier natürlich nicht fehlen, während das Klugscheißerkind gutmütig und treuherzig Muttiherzen erobern darf.

Bei diesem schmalzigen Ehrgeizthema bleibt der Film dann auch stehen. Damit ist der Film kein Film über Genies, sondern eher ein Sportlermelodram und dazu noch eins von der schlechteren Sorte. Der Film instrumentalisiert hierfür Schach und Wunderkinder, aber wirft keine Fragen über die Sache auf.

Für alle, die sich nun von meiner Kritik nicht abschrecken lassen – in Amerika ist der Film schließlich so etwas wie Allgemeinbildung – gibt es den vollen Film auf Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=DQzaOSfCfK4&feature=related.

Anwaltsgenies

Während es der Film „Searching for Bobby Fischer“ nicht schafft, die Dramatik des Denkens selbst ins Licht zu rücken, beherrscht Hollywood das dramatische Denken eigentlich schon. Vielleicht aber sieht es nur in Schwarz-Weiß gut aus:

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Anwälte als Genies. Attribution: Honoré Daumier Public domain via Wikimedia Commons

In diesem Sinne sind es auch schon die Anwaltsfilme, die Genialität irgendwie auf den Drehbuchplan rufen. Columbo (okay der ist Ermittler, aber Anwälte ermitteln ja zumeist in Hollywoodfilmen) hatte stets in einem siffigen Mantel immer in die falsche Richtung geschaut und mit seinen nervigen Nachfragen den Mörder eines nahezu perfekten Verbrechens in ihr Geständnis getrieben, hätte er nicht zuvor stets mit Zigarre im Mundwinkel durch schärfste Beobachtung DEN BEWEIS gefunden (Glasauge sei wachsam!). Auch mit Matlock erlebten wir einen störrischen Greis, der ungern ein Problem ungelöst ließ und so noch jeden vertrackten Fall knackte. Von diesen Seriengenies gab es viele Kombinierer.

In den moderneren Filmen geht es bei Recht und Gesetz dann allerdings häufig um Anwälte, die vom Ehrgeiz zerfressen sind. Dann aber tritt irgendwann ein genialer Verbrecher auf den Plan, der bei Weitem den Ehrgeiz der Anwälte überragt und nicht nur seinen Plan verfolgt, sondern darüberhinaus noch den arroganzen Fatzke sowie die Welt zerstören möchte. Eine gute Portion Katharsis gibt es dann am Ende gratis.

Das Gesetz der Rache

Das Gesetz der Rache ist ein toller Film und erfüllt genau diese Kriterien. Problem ist nur: Je mehr man über den Film nachdenkt, desto lächerlicher wird er. Der Film greift den Standard auf: Ein Anwalt, der andere korrigiert, wenn sie seine Erfolgsquote auf 95 Prozent schätzen (es sind nämlich 96 Prozent), der aber karrieristisch dubiose Deals mit Mördern und Vergewaltigern aushandelt. Kein Wunder (Achtung Spoiler, nicht weiter lesen, wenn keine Überraschung genommen werden soll), dass er eines Tag den falschen Deal schließt, wodurch er den tatsächlichen Mörder von Frau und Kind laufen lässt. Zu dumm auch, dass der in Tränen versunkene Familienvater Clyde Shelton (Achtung Spoiler) ein Genie im Geheimdienst ist und so etwas wie perfekte Pläne schmiedet.

Nach 10 Jahren ist der Plan schließlich perfekt und das Rachegenie darf schlachten, Selbstjustiz durchführen, Rachegelüste befriedigen und seine totale Kontrolle demonstrieren. Seinem Gegner schwört er eine Vernichtung biblischen Ausmaßes. Einem mysteriösen Plan nach erwischt er mehr und mehr Charaktere der Justiz, während er selbst geduldig in seiner Zelle mit dem Staranwalt verhandelt. Einem mysteriösen Plan folgend, wird der Film damit auch immer unglaubwürdiger. Sollte es wirklich jemals ein Genie geben, der so etwas kann, dann Hut ab. Der Trash ist es allerdings wert geschaut zu werden.

Fracture – Das perfekte Verbrechen

Im diesem Anwaltsfilm „Fracture“ (Deutsch: Das perfekte Verbrechen) erreicht der jüngliche Anwalt gar 97 Prozent Verurteilungen und sieht daher auch keine Probleme als er den Mörder seiner Frau verknacken soll. Es liegt ein Geständnis vor und die Tatwaffe wurde gefunden. Würde er vermutlich wissen, dass es sich um Anthony Hopkins (er wird ja seit Hannibal immer dann gerufen, wenn es eines Genies bedarf) handelt, würde er den Fall wohl ernster nehmen, denn Anthony hat sogleich seine Schwachstelle entdeckt: „Sie sind ein Gewinner, Willy!“ Überraschenderweise interessiert sich der Angeklagte „Hannibal“ nicht für den Prozess, denn er hat das perfekte Verbrechen verübt. Der Film überrascht zwar nicht durch viele Wendungen, Anthony Hopkins ist aber immer irgendwie ein Genie.

Soviel also erstmal von den besten Klugscheißerfilmen aller Zeiten. Weitere Filme, die es in meine engere Auswahl geschafft haben, sind 21 – Poker, Pirates of Silicon Valley, The Social network, Inside Man, Phenomenon, Be Cool (Schnappt Shorty), Rounders, Schlafes Bruder, Das Wunderkind Tate, Oscar Wilde, Real Genius, Iron Man, Einstein Junior, Liebe ist relativ, Das Piano, Der talentierte Mr. Ripley, Das Parfum, Inception, Aviator, Der Mann, der die Frauen liebte, A beautyful mind, Forrester, Ridicule – Von der Lächerlichkeit des Scheins, Dr. Frankenstein, Der verrückte Professor, Oceans Filme, Watchmen. Es wäre schön, wenn ihr den Blog weiter verfolgt und einfach mal abonniert, wenn ihr mehr von so etwas sehen wollt. Oben rechts findet ihr meine Facebookgruppe.

Norman Schultz.

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Das Genie in uns mit Ritalin aufspüren – Erster Teil der Artikelrecherche zum Thema Ritalin

 (Bildquelle:By Jens Langner (http://www.jens-langner.de/) (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons). Das Internet ist nicht unbedingt wie bei Bildern die Quelle von Qualität. Ich habe mich nun durch gut 50 Artikel und Erfahrungsberichte zu Ritalin hindurchgewühlt und bin nicht wesentlich schlauer als vorher. Internetrecherche werde ich daher wohl in Zukunft wieder reduzieren und mich auf Buchempfehlungen verlassen.

Worum geht es? Es geht um eine Pille, die unser Gehirn vom Standbymodus in den Genie-Modus umschaltet. Es geht um eine Pille, die unsere Neuronenenden im Gehirn sprießen lässt und alle Enden miteinander verknüpft. Es geht um eine Chemiekeule, die aus uns das anerkannte Genie macht, das überall geachtet wird und das wir für uns selbst verdient haben. Dieses kleine aufgeregte Genie würde sich dann an die Arbeit machen und wir würden im Fluss des kreativen Schaffens stehen, der durch uns hindurchströmt. Wir würden wie Menschen aus Dynamit Sprachen lernen, Instrumente virtuos bespielen, mathematische Probleme an Fensterscheiben lösen, Kunst in neue Dimensionen führen, wir würden wie ein Stern der Erleuchtung explodieren. Der kleine Tagtraum vom besseren Menschen in uns, würde endlich zu der Geschichte, die nur wir selbst sein sollen. Unser Neuronetranskript von der Welt, unser Gehirn, würde endlich den Weg freimachen und aus uns das größte Buch machen, dass jemals geschrieben worden ist. Wir wollen, der interessanteste Mensch der Welt sein:

Academic studentsMachtphantasien, die ein träumendes Gehirn bekommt, wenn es sich wie ein Streichholzkopf an der Welt entfacht. Dies soll alles geschehen. Gibt es daher vielleicht die Droge, die einzige Grenze uns selbst überwindet? Ritalin, so lautet der Stand meiner Recherchen, kann diese Träume nicht erfüllen. Das mittlerweile als Kinderkoks verspottete Medikament helfe angeblich nur den Blöden auf den Weg. Im Beistand für die Blöden sehen Wissenschaftler den Traum von der Gleichheit des Menschen damit realisiert. Die, die eben von der Evolution mit dem schlechteren Intelligenzbolzen ausgestattet worden wären, dürfen nun endlich zur Elite aufschließen. Kommen wir aber zur Auswertung von einigen wenigen qualitativeren Artikeln.

Ritalin den Blöden

Der Autor des ersten Artikels war wohl zu sehr auf Ritalin oder wie kommt es, dass er uns sogleich mit kränkelnder Logik belästigt:

„Körperliche Leistungsdaten lassen sich leichter verbessern. Das Gehirn ist schon ein optimiertes System. Wenn es einen einfachen Weg gäbe, mehr herauszuholen, hätten wir das evolutionär wahrscheinlich schon erreicht.“ (http://www.zeit.de/2007/42/Vor_der_Klausur_zur_Urinprobe/seite-2)

  • These 1: Wenn es einen einfachen Weg gibt, dann hätten wir diesen evolutionär schon erreicht.
  • These 2: Wir haben noch nicht den Weg erreicht.
  • Konklusion: Es gibt keinen einfachen Weg.
  • Stützargument: Das Gehirn ist schon ein optimiertes Gehirn.
Wie das Gehirn verstehen?

Mit Ritalin unser Gehirn verstehen? User-FastFission-brain.gif http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:User-FastFission-brain.gif&filetimestamp= 20050718175139

 

Nun allein aus der Tatsache, dass wir einen Weg nicht kennen, können wir nur sehr schlecht schlussfolgern, dass es diesen Weg nicht gibt. Das Argument breitflächig angewandt, würde schließlich einen Stillstand der Forschung bedeuten. Es kann nicht geben, was es nicht gibt, warum also forschen? Zudem ist es höchst fragwürdig, ob unser Gehirn tatsächlich optimiert ist. Wenn wir gerade den Zustand der Welt auf ethische Vertretbarkeit hinterfragen, kommen wir doch zu einem recht eindeutigen Ergebnis. Wir wollen besser nicht den Zustand der Welt auf unsere angeblich evolutionär bestoptimierten Gehirne zurückführen.

Dennoch die bisherigen Ergebnisse deuten daraufhin, dass Ritalin nicht die versprochene Wunderdroge ist, nach der sich alle sehnen. Demnach führe nach einer Studie Ritalin im ersten Durchgang dazu, dass Studenten zwar besser abschneiden würden, im zweiten hingegen würden die Studenten ohne Ritalin punkten. Der Artikel stellt daher die Frage, warum so viele auf Ritalin schwören. Die Antwort besteht darin, dass die Einnahme eines Medikaments dazu führt, dass wir eher an uns glauben. Selbstbewusstsein gibt Stärke vor allem im intellektuellen Bereich. Besonders bei Placebogaben, die angeblich die Intelligenz erhöhen, gibt es in Studien immer wieder außergewöhnliche Suggestionseffekte (diese Studien werde ich in einem anderen Artikel nachrecherchieren). (http://www.zeit.de/2007/42/Vor_der_Klausur_zur_Urinprobe/seite-2)

Ritalin  den Selbstüberschätzern

Im Gespräch mit dem Psychater und Professor Klaus Lieb gibt sich genau diese Sicht der Dinge preis. Die Gabe von Intelligenzdrogen hilft, aber nicht chemisch, sondern psychisch.

„Weil die Einnahme von Substanzen wie Modafinil oder Amphetaminen dazu führen kann, die eigenen Fähigkeiten falsch einzuschätzen. Das zeigte etwa eine Studie 2008: Die Probanden erhielten nach einer durchwachten Nacht Modafinil, dann wurde ihre Fahrleistung im Simulator getestet. Auch wenn ihre Fahrfähigkeit gut war, überschätzten die Studienteilnehmer ihre Leistungen deutlich. Bei Chirurgen könnte die Einnahme der Substanz demnach zu einer erhöhten Risikobereitschaft und Gefährdung von Patienten führen.“http://www.zeit.de/2010/11/M-Neuro-Enhancement/seite-2

Es ist hinreichend bekannt, dass schon die Einnahme eines angeblichen Leistungssteigerers vor allem im intellektuellen Bereich zu besseren Leistung führt (Quellen hierzu werde ich anderen Artikeln nach recherchieren). Doch auch wenn Ritalin beispielsweise mehr als nur ein Placebo ist, so warnt der Professor: „There is no such thing as a free lunch.“ Leistungen seien nicht unbegrenzt steigerbar. Unser Gehirn würde bei einer dauerhaften Medikamentation, das zu einer durchgängigen Wachheit führen würde, nicht so gerne mitmachen (Belege bleiben aus, das Plausibilitätsargument erscheint mir allerdings als tragfähig, da analoge Studien bekannt und nicht allzuweit entfernt sind). Zu dem durchgängigen Optimierungsstreben gibt der Professor daher zu bedenken, dass wir nicht an den Erfolgen wachsen, sondern dass eben Niederlagen der Persönlichkeitsentwicklung beitragen. (http://www.zeit.de/2010/11/M-Neuro-Enhancement/) Klar, denn wer seine Schwächen aus eigener Kraft überwindet, gewinnt etwas in sich.

Ecuadoran Students

Ritalin als Gleichmacher in einer Demokratie? By Underwood & Underwood via David Shapinsky from Washington, D.C., United States Public domain via Wikimedia Commons

Ritalin und die Abhängigkeit

 

In einem besser recherchierten Beitrag dokumentiert der Spiegel die Veränderung bei Maria Westermann. Nach der Zufuhr von Ritalin gerät sie selbst zu einer Produktionsmaschine bis sie in völliger Abhängigkeit bei 15 Tabletten pro Tag schließlich zusammenbricht und ihre Tage nach kaltem Entzug letztlich in nüchterner Zerstreutheit verbringen muss. Der Traum zerreißt an der Schwelle zur physischen und psychischen Gesundheit. Dennoch stellt sich bei einer Leistungsgesellschaft die Frage, ob es erlaubt wäre unsere Kinder kontrolliert zu dopen? Eine Risikoabschätzung könnte ihnen wohl ein besseres Leben ermöglichen. Die Bildungslotterie muss ausgetrickst werden und so steht die Frage aus, ob wir Süchte kontrollieren könnten.

 

Zugleich aber stellt sich ein gesellschaftlicher Dopingverdacht ein. Gibt es vielleicht schon eine Wunderdroge, die einige Wissenschaftler bereits benutzen? Die Autoren beschreiben schließlich folgendes Szenario: Unter Tränen gesteht der frisch gebackene Leipnizpreisträger seine Arbeit unter Einfluss von illlegalen Substanzen geschrieben zu haben. Sein Ruf ist ruiniert. (http://www.spiegel.de/spiegel/a-657868.html)

Wohin führen Leistungsdrogen unsere Gesellschaft?

Als normaler Mensch fällt der Mann schon lange hinter die aufgeputschten Anabolikaboliden zurück. Unehrliche Männlichkeit macht heute im selben Maße den Schönheitswettbewerb kaputt wie eine durchschnittliche Frau heute nicht mehr mit den Designerbrüsten mithalten kann. Die Frage ist, ob Vernunft -und Leistungsdrogen letztlich auch noch den letzten Zufluchtsort der Hässlichen verstellen – die Intelligenz und Vernunftleistung. Sehen Nerds in Zukunft wie Vin Diesel aus? Aus den Erfahrungen mit Olympia und Radsport schlussfolgern auch die Autoren der Zeit:

„Wenn man das Prinzip der Fairness aufrechterhalten möchte, gibt es zwei Möglichkeiten: Man müsste die Medikamente entweder allen zugänglich machen, wie Traubenzucker oder Koffein, oder allen verbieten. Und dann sollte man die Schüler vor der Abiturprüfung zur Urinprobe schicken.“ http://www.zeit.de/2007/42/Vor_der_Klausur_zur_Urinprobe/seite-2

Ritalin bereits in Massen verkonsumiert

Nach Angaben der Zeit ist Gehirndoping in der Wissenschaft im Übrigen schon an der Tagesordnung. Es heißt:

„Überraschend viele Akademiker nehmen Medikamente, um ihre Hirnleistung zu steigern, ergab eine Online-Umfrage des Fachblatts Nature unter seinen Lesern. Von den 1400 Teilnehmern räumte jeder fünfte ein, die konzentrationsfördernden Mittel Ritalin und Provigil oder angstlösende Betablocker mehr oder weniger regelmäßig geschluckt zu haben (Nature, Bd. 452, S. 674). Mehr als 80 Prozent plädierten für eine Freigabe dieser Form von Hirndoping für gesunde Erwachsene.“ (http://www.zeit.de/2008/17/ERFORSCHT_UND_ERFUNDEN)

 

CathedralofLearningLateAfternoonNatürlich sind die Informationen der ZEIT dramatisch ins Licht gerückt. Ein Fünftel habe schon mal etwas probiert, heißt eben nicht regelmäßiger Konsum und angstlösende Betablocker, wie in der Stelle erwähnt, können auch aus guten Gründen verschrieben worden sein. Viel dramatischer erscheint dabei eher Tatsache, dass sich 80 Prozent für eine Freigabe von Neuroenhancement aussprechen. So wie sich immer mehr vorstellen können, leichte Schönheitskorrekturen durchführen zu lassen, so erscheint auch die Medikamentation in den Bereich des Wünschenswerten zu rücken.

„Ich wäre gerne etwas aggressiver, Herr Doktor!“ Unsere Seele unterscheidet sich wohl von dem Vehikel, dass ihr die Natur mitgegeben hat. Die Ungerechtigkeit besteht doch darin, dass die einen Ferrari zum Geburtstag (!) geschenkt bekommen haben und andere mit einer Ente zur Welt kamen. Da hilft nur in der hauseigenen Garage tunen oder Geld für einen geilen Mechaniker sparen.

Bis hierher also die ersten Ergebnisse meiner Sammlung (es folgen noch ein, zwei mehr). Wenn ihr in Zukunft mehr Informationen haben wollt und ihr noch mehr zu den Themen um bewusstes Lernen erfahren wollt, dann abonniert mich doch per E-mail oder werdet Fan der Facebookgruppe, wo wir regelmässig weitere Artikel rund um das Thema lernen posten. Über einen Kommentar freue ich mich natürlich auch.

Alles Gute Norman Schultz

Auch meine anderen Artikel zu Ritalin könnten interessant sein:

Bei netzwerkB geht es um die Ursache des Wunsches, ein anderer sein zu wollen: http://netzwerkb.org/2012/06/04/die-sorglose-reduzierung-des-menschlichen-korpers/

In meinem vorherigen Artikel geht es um Ritalin im Vergleich zur Selbstdisziplin

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Intelligenz durch Drogen steigern? Ritalin versus Selbstdisziplin

„Ich war blind doch jetzt kann ich sehen. Eine Tablette täglich und ich war ohne Limit“ Der Verlierer Eddie Morra entdeckt eine Pille, die seine Intelligenz um das 1000-fache steigert. Es ist der alte Traum der Seelentaucher: Dort im Inneren der Seele (und Seele ist ein Wasserwort) verbirgt sich eine Perle, die einmal gehoben, den Schatz des Selbstseins mit hervor reißen würde und so formuliert es auch der Film: „Wie viele wissen schon, wie es ist, eine perfekte Ausgabe seiner selbst zu werden!“ (Animated Gif from: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:User-FastFission-brain.gif&filetimestamp=20050718175139 Author:  Fastfission Gnu-License CC_BY_SA 2.0)

Der Film spielt mit den Tagträumen vom besseren Ich. Mit Kung Fu spontan für das Gute eintreten, mit Weltgewandheit in verschiedenen Sprachen brillieren, auf dem Klavier die Welt erklären, allseits gebildet sein und mathematisch vertrackte Probleme an Spiegeln in Toiletten lösen:

All diese Fähigkeiten könnten wir mit hoher Intelligenz schnell erwerben. Warum wir das im Allgemeinen wollen? Intelligenz bringt Anerkennung. Es geht daher nicht selten nur um das Bestehen vor sich selbst, sondern zumeist auch um das Bestehen vor anderen. Darum ist es verlockend nicht durch persönliches Wachstum, sondern durch Abkürzungen zum Traum von uns selbst zu gelangen. Viele glauben derweil Ritalin wäre diese Wunderdroge, um letztlich die bessere Ausgabe von sich selbst zu erzwingen und sich selbst vor einer Gemeinschaft zu veröffentlichen. Aus einem Beitrag bei Deutschlandradio geht nun aber hervor, dass die Wunderpille eher bei Gestörten als bei Gesunden funktioniert (Belege bleiben aus). Diese ohnehin Konzentrierten würden im Gegenzug sogar in ihrer gewohnten Kreativität nachlassen.

Ritalin (in den USA freiverkäuflich?) Urheber: Alfie (Wikicommons CC_BY_SA 2.0)

Journalistisch gut recherchiert, allerdings ohne nennenswerte Studien, dafür aber gespickt mit ein paar protzenden Professoren, so sieht der Beitrag bei Deutschlandfunk aus. Viel mehr Erkenntnisse als vage Andeutungen verschafft der Beitrag daher auch nicht. Das beste, was es hier nun in den Weiten des Internets zu diesem Thema gibt, ist immer noch der Erfahrungsbericht eines Studenten in der ZEIT, der ein paar Pillen Ritalin zur Prüfungsvorbereitung nutzt (ich frage mich, wann die Professoren selbst anfangen gescheite Texte zu veröffentlichen):

Ich bin ein Zombie und ich lerne wie eine Maschine

Ritalin sei demnach Kokain in geringerer Dosierung und senke den Dopaminspiegel in den Zellen. Dies reduziere die Impulse, verhindere Ideen und Geistesblitze und führe damit zu konzentrierten und konsequenten Menschrobotern. In den USA seien so schon ein Viertel der Studenten auf Ritalin, während jeder fünfte Professor die Pille schlucke (Belege bleiben aus). In dem Artikel selbst warnt jedoch ein Experte (mit dem bezeichnenden Namen „Hüther“):

»Sie haben auf nichts mehr Lust, Ihre ganze Emotionalität und Affektivität ist zugedröhnt. Sie empfinden keine Neugier, kein Bedürfnis nach menschlichen Bindungen und sind weniger kreativ. Deshalb nehmen eher BWL- und Medizinstudenten Ritalin, weil dort weniger Kreativität verlangt wird.« (http://www.zeit.de/campus/2009/02/ritalin/seite-2)

Warum aber nehmen dann immer mehr diese Droge zu sich? Der Autor des Artikels räsonniert: Ritalin sei eine moderne Vernunftdroge. Wo Schulen versagen, intrinsische Motivation zu fördern, wo Menschen, die ihre Pflichten nicht allein erfüllen können, stetig vom anderen, anerkannten Menschen in ihnen träumen, würde diese Pille gerne geworfen. Die Frage aber bleibt: Kann Ritalin aus uns andere Menschen machen? Ist es nur ein chemischer Hebel, den wir umlegen und schon keimt in uns ein Mozart und schlägt seine Wurzeln und treibt seine Blüten? Es muss schon ein merkwürdiges Gefühl sein, die Geburt eines anderen Selbst in sich zu erleben. Aus meinen Freundeskreisen heißt es so auch, Ritalin einmal verkonsumiert, führe dazu, dass ich alle meine bisherigen Arbeitsleistungen in Frage stellen würde.

_Pg 226 Our BrainBei Deutschlandradio allerdings fällt die Kritik negativ aus. Szenarien wie im Film „Ohne Limit“ sind noch ferne Zukunft und die Frage ist, ob sich ein Gehirn chemisch so schnell umschalten lasse. Suggestionseffekte bei Substanzen, die uns mental auf die Höhe bringen sollen, sind im Übrigen sehr hoch, es könnte sein, dass Ritalinkonsumenten zugleich auch immer an einen besseren Menschen in sich glauben. Es gelte demnach weiterhin der Grundsatz, dass nur harte Arbeit an sich, den besseren Menschen hervorbringt. Effekte im Lernen stellen sich nicht in drei Sekunden ein und Ritalin hilft zwar, besser für eine Prüfung zu lernen, es hilft aber nicht drängende Probleme anzugehen, die keine Lösung nach Arbeitsrhythmus versprechen.

Bei der Vorstellung, dass unsere Kultur ihre Intelligenzleistung noch stark potenziert, stellt sich ebenso die Frage, was unsere kümmerlichen Versuche, unser Gehirn ein wenig zu aufzuputschen eigentlich bringen. Vielmehr ist es vorstellbar, dass die Menschheit hinüber zur kollektiven Intelligenz driftet, die eine Verknüpfung mit Elektronik eingeht und damit Bewusstseinsschranken in ganz anderen Dimensionen niederreißen wird. Niemand braucht dann mehr den aufgeputschten Einzelkämpfer, der in der BWL-Prüfung um bessere Noten fightet.

Ritalin ist heute etwas anderes. Es verkommt wie beispielsweise auch autogenes Training zur Funktionsdroge. Das heißt, wir glauben, dem Druck der Gesellschaft gerecht zu werden, passen uns dem Leistungsdruck an und repräsentieren uns besser nach außen, das indem wir einen Ruhigsteller aus dubiosen Gründen akzeptieren. Wir unterdrücken uns selbstständig und gerne, öffnen das Gewässer in unserem Kopf und punschen den Wein mit neuen Säften. Diese scheinbar gewaltlosen Formen der Ruhigstellung sind gesellschaftlich erwünscht. Seelische Probleme sollen schon lange mit Medikamenten gelöst werden.

Ritalin verspricht nur eine Abkürzung zum besseren Selbst, das bessere Selbst aber gibt es aber nicht durch die Erfüllung von Sozialstandards wie Noten. Nur wenn wir an unsere Grenzen gehen und uns herausfordern, haben wir letztlich auch das Bessere in uns verdient. Ritalin aber deutet allein den Körper als Grenze und geht nicht auf unsere persönliche Entscheidung zurück, etwas an uns zu verändern. Niemand wird gut, weil er sich eine gute Seele kauft, sondern weil er sich für das Gute entscheidet. Gleiches gilt für das Lernen: Mit Sicherheit gibt es Abkürzungen bei bestimmten Lernmaterialien, aber um besser zu werden, müssen wir eine natürliche Form des Masochismus wählen, wir müssen an uns selbst leiden und uns überwinden wollen. Es liegt daher der Verdacht nah, dass das Gute und das Besser-sein-wollen irgendwie zusammengehören müssen. Das Schlechte an uns muss somit aufgearbeitet werden, um es in Besseres zu verwandeln.

Das Schlechte an uns gilt es jedoch möglichst schnell zu überspringen. Nicht nur Ritalin begleitet uns hier; wir suchen auch natürliche Wege dorthin. Bequemlichkeitsfakten sind hierbei hilfreich: Beeren helfen zum Beispiel (eigens von Lumosity erhobene Studie, wonach Frauen, die mindestens dreimal im Monat Blaubeeren aßen, signifikant bessere Ergebnisse erzielten) und bei  humannews gilt auch dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil als Gehirnleistungsförderer (ebenfalls belegt durch Studien). Vor allem der gegenwärtige Rechenweltmeister würde davon profitieren:

„Wissenschaftliche Untersuchungen geben dem Mathe-Großmeister Recht. Eine Studie der University of Nottingham* hat gezeigt, dass der Verzehr von Schokolade mit sehr hohem Kakaoanteil die Durchblutung in zentralen Gehirnregionen fördern kann. Diese bekämen dadurch mehr Sauerstoff, was wiederum zu einer gesteigerten Wahrnehmung und verbesserten Leistungsfähigkeit führe. Ursache dafür seien die in Schokolade enthaltenen Flavonole, die die Blutgefäße weiten. Dieser positive Effekt hält über einen Zeitraum von zwei bis drei Stunden an, also auch lange genug für einen Denksport-Wettbewerb. Flavanole sind jedoch nicht nur in Schokolade mit hohem Kakaoanteil enthalten, sondern finden sich auch in Rotwein, grünem Tee oder Blaubeeren.“ (humannews)

Mit natürlichen Substanzen an der Heimatfront "Körper" gegen sich selbst kämpfen. GNU-Lizenz (Bild verlinkt)

Mit natürlichen Substanzen an der Heimatfront "Körper" gegen sich selbst kämpfen. GNU-Lizenz (Bild verlinkt)

Wenn nicht Ritalin, vielleicht tun es dann also natürliche Nahrungsmittel? (Zu einer Reihe von angeblich förderlichen Lebensmitteln und der gehirngerechten Ernährung hatte ich ja schon einen Beitrag verfasst) Andernorts heißt es: Keine Schokolade, keine Blaubeeren , aber auch kein Ritalin bringen uns zum besseren Selbst, wir müssen es im Gegenzug allein schaffen. Es gilt: Das Gehirn aber wirklich zu trainieren, ist Schwerstarbeit. Bei Deutschlandfunk gibt man zudem neben allen Methoden der Selbststeigerung noch moralisch zu bedenken:

„Stellen Sie sich die beschwerliche Methode vor, Chinesisch zu lernen und nehmen wir per Science-Fiction mal an, das kann man durch die Implantation eines Chips im Gehirn von jetzt auf gleich herstellen … dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Andererseits: Stellen Sie sich einen implantierten Chip im Gehirn eines Komponisten vor, der eine wunderbare Sinfonie komponiert, die ausschließlich von dem Computerchip komponiert worden ist. Da würden wir alle sagen, sollen wir das wirklich bewundern?“ http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1502705/

Die Intelligenz ist nicht nur ein Naturereignis, sondern auch immer Resultat einer Entscheidung; einer Entscheidung des Individuums. Damit aber ist es eine Frage der Lebensentscheidung, die im Griechischen noch mit Ethos ihr Wort fand. Einen Ethos finden, darum ging es auch in den alten Schriften des Sua Ten „Der Prophet und sein Weg“: „Seelentaucher heben Schätze in den Seelen, die in keinem Außen mehr zu finden sind.“ Nach dieser Überlieferung stellt sich daher immer die Frage, wie Intelligenz, Ethik, Weisheit und Moral letztlich in der Frage der Selbststeigerung verknüpft sind und genau hierin besteht bewusstes Lernen.

Wenn euch der Beitrag gefällt, dann abonniert, entweder per E-mail oder tretet der Facebookgruppe bei, wo wir auch immer neuere Erkenntnisse aus diesen Bereichen posten. Einen weiteren Beitrag zum Ritalin habe ich auf netzwerkB veröffentlicht: http://netzwerkb.org/2012/06/04/die-sorglose-reduzierung-des-menschlichen-korpers/

Norman Schultz

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Intelligenzsteigerung ist möglich – Mit Härte gegen das schlechtere Selbst vorgehen

Nach neueren Studien heißt es, eine Steigerung der Intelligenz sei prinzipiell irgendwie möglich und das auch, wenn wir nicht wissen, was Intelligenz eigentlich ist. Obwohl wir ihn also nicht kennen, geht es in diesem Post dann also doch um den Intelligenzbolzen in uns. Genaueres kann ich hier allerdings noch nicht verraten, denn Genaueres lässt sich im Internet eben nicht in Erfahrung bringen. Mit diesem Beitrag dupliziere ich also die allgemeine Ratlosigkeit und liefere keine dringend erwartete Lösung für eines der größeren Probleme. Im Internet verbreiten sich Informationen wie in einem wässrigen Eintopf, die Hauptzutat sind zumeist Gerüchte. Da kaum jemand spezifische Originalquellen zitiert und diese vielleicht noch kritisch gewichtet, findet dann einer bei Google kaum mal ein Stückchen, das satt macht. Internet, das ist für mich manchmal so, wie die Speisung der Armen. Die Gerüchteküche brodelt und die wenigen qualitativen Informationen verschwinden in faden Bemerkungen. Undbedingt steigert das Internet daher nicht unsere Intelligenz. Es kommt auf die Auswahl der Informationen an und zumeist sind diese schwer zu bekommen. Kommen wir also zur Frage der Intelligenzsteigerung, dann ist dort nicht viel zu finden. Für diese Infos brauchte ich bis hierher wirklich viele Stunden Recherche. (Titelbildnachweis: By Neoclassical_Velocity.JPG: Unitfreak Carrot.svg: Nevit Dilmen (talk) Stick.svg: Nevit Dilmen (talk) derivative work: Nevit Dilmen (Neoclassical_Velocity.JPG Carrot.svg Stick.svg) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons)

Beginnen wir billig mit dem Focus. Ein Gehirnforscher erklärt uns: Joggen und walken Sie! Intelligenz und Gehen liegen im Gehirn ganz dicht beieinander. Machen Sie nach 90 Minuten Arbeit eine Pause! Haben sie immer ein bisschen Hunger, damit der Darm kein Blut aus dem Kopf abzieht! Sie alle essen übrigens zu wenig Obst und Gemüse, ihr Gehirn muss schließlich durchblutet sein. Nur mit dieser Kost kommen Sie auf grüne Zweige. Stehen Sie mit dem Licht auf und schlafen Sie genug! Und zu guter letzt gibt es von dem Intelligenzprofessor dann noch folgenden Rat: Menschen mit moderatem Alkoholkonsum sind in der Regel schlauer als Alkoholiker. Wer hätte das gedacht? Aber nein, bleiben wir ernst, moderate Trinker sind auch schlauer als völlige Abstinenzler. Also riskieren Sie den Griff zur Flasche, rät Focus: http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/gehirn/training/hirntipps/brain-fitness_aid_12050.html

Weitere Informationen, die ich erfassen konnte, stammen aus der Welt. Entgegen früherer Informationen, die ich zu meiner Schande tatsächlich aus dem Internet bezog, können wir unsere Intelligenz tatsächlich steigern (irgendwie!). Wir erweitern einfach unseren Arbeitsspeicher durch eine Reihe stupider Aufgaben und sind dann auch für unbekannte Probleme gewappnet. Im blumigen Psychologendeutsch heißt das dann: Wir trainieren unsere kristalline Intelligenz und erwerben einen Mehreffekt für unsere fluide Intelligenz. Mehr Arbeitsspeicher mehr Superbrainpower. Ein Video hierzu lässt sich auch auf 3Sat finden und siehe da! Selbst Kinder sind für die Intelligenzsteigerung schon zugänglich. Doch ich bin verwirrt sollte nicht schon die Schule ihre Intelligenz gesteigert haben? Hier das Video.

Drill instructor at the Officer Candidate School

Woher die Motivation nehmen? (By John Kennicutt, U.S. Marine Corps (http://www.marines.mil; VRIN: 090708-M-9842K-008) Public domain, via Wikimedia Commons)

Doch so einfach ist das mit dem Geniewerden dann leider nicht. Nur weil wir dreimal auf ein Kreuzworträtsel blicken, moderat Alkohol trinken, Blaubeeren essen und Sudokus mit Bravour lösen, sind wir noch noch lange nicht beim inneren Goethe, Picasso und Einstein angelangt. Unsere Superintelligenz können wir leider nicht mit ein paar Lockerungsübungen erwerben und unsere Intellligenz ist auch nicht in der genüsslichen Abendunterhaltung verborgen, wenn wir mit dem Studentenfutter zweimal auf Arte vorbeizappen. Auch in der Fernsehstrahlung, die uns mit flimmernden Bildern überkommt, ist Intelligenz nicht enthalten. Es heißt: „Sie müssen hart an der Leistungsgrenze jeden Tag mindestens eine halbe Stunde richtig ihr Gehirn fordern.“ so fordert es zumindest Prof. Ulman Lindenberger vom Max-Planck-Institut (MPI) für Bildungsforschung. Leider müssen wir also auch für den Gehirnmuskel stärker an unsere Leistungsgrenze heranrücken und da ist es nicht gerade kuschlig warm. Selten verwandeln wir uns selbst in ein sibirisches Arbeitslager, wo wir dann Denkbrocken stemmen wie Atlas einst die Welt. Warum auch? Selten verfolgt uns beim selbstauferlegten Drill eine Gefahr, die auch noch den letzten Tropfen Energie aus uns herausquetscht. Wir sind keine Tiger, die sich selbst antreiben, weil wir uns selbst so bedrohlich finden. Wir sind Bequemlinge, die sich gerne gemütlich in ihr Heim zurückziehen und mit allem Popanz Arte schauen. (zu dem Motivationthema habe ich übrigens ein Board bei Pinterest angelegt, schaut mal rein).

Im Zeitalter der Entspannung ist die Selbstdisziplin schwer genug, vor allem wenn das Sofa wie ein intellektueller Sündenpfuhl so verlockend nah steht und von einer schwedischen Firma zur bequemsten Couch jemals designed wurde. Innerer Coach und Couch vertragen sich nicht. Und dann noch Facebook nur einen Klick in der Tableiste entfernt, da kann ich kaum noch einen Satz gerade aus schreiben. Es kommt aber ganz im Gegensatz bei der Intelligenzsteigerung darauf an, dass wir es uns nicht leicht machen, dass wir vor allem unsere inneren Energien aktivieren, um uns permanent neuen Situationen auszusetzen. Jeder neue Moment ist ein Training für das Gehirn. Ich muss gestehen, das mache ich zu selten. Habe ich heute schon etwas Neues gemacht?

Im Gegenzug zur Anstrengung versuchen wir unsere Geistesleistung stetig durch einige Tricks zu steigern. Methoden, bei denen wir Begriffe auf imaginären Routen durch unsere Wohnung ablegen, sind dabei zwar hilfreich, bringen uns aber auch nicht an die Grenze unserer Gedächtnisleistung. Wir bescheißen ein wenig und gaukeln vor, wir hätten ein tolles Gedächtnis, dabei denken wir nur mit Hilfe von ein paar Taschenspielertricks episodisch. Eine Seite mit denselben Tricks – wie mittlerweile überall sonst auch – findet sich beispielsweise hier. Von dieser Seite dürftet ihr allerdings keine Intelligenzsteigerung erwarten, sondern nur ein paar billige Methoden, um etwas schnell zu merken (dem ein oder anderen mag es allerdings helfen).

	Foto aus meiner Schulzeit

Foto aus meiner Schulzeit (Foto: Public Domain)

Warum wollen wir uns Dinge schließlich in dieser Weise merken? Nun dies hängt damit zusammen, dass die Schule und Universität uns mehr und mehr zum Tanzbären macht. Auswendig lernen wir eigentlich zumeist für die Schule und für die Universität. Bei Berufen, die etwas mit der Praxis zu tun haben, ist dies seltener der Fall. Die unmittelbare Präsenz im Gedächtnis, die Russel noch als Quelle aller Erkenntnisse bezeichnete, ist heute längst nicht mehr so sehr gefragt, wie zu Zeiten als Schüler ganze lateinische Grammatiktabellen aufsagen mussten und dafür auch noch bewundert wurden. Wissen, welches wir auswendig beherrschen müssen, ist eher kulturell abhängig und kulturell entdecken wir gerade kollektive Datenspeicher, die überall kommunikativ zugänglich sind.

Bei Sprachen halte ich das Pauken von Vokabeln aber ohnehin für nutzlos, denn Vokabeln prägen sich im Gebrauch ein, damit sind hier auch die oben beschriebenen Merktechniken hinfällig (es sei denn wir müssen in der Schule Englisch lernen und uns auf einen Vokabeltest vorbereiten). Merktechniken können also durchaus verwendet werden, um schnell ein gewisses Instrumentarium zu haben, aber einer wirklichen Steigerung der Intelligenz tragen Merktechniken nur bedingt bei, denn eigentlich verhindern sie geschickt, dass wir an unsere Leistungsgrenze gehen. Zahlenkolognen mit allerlei Tricks schnell einzuprägen, hat schon aus einigen Arbeitslosen Gedächtnisweltmeister gemacht (Ich habe mich immer gefragt, was passieren würde, wenn Kasparow an diesen Meisterschaften teilnehmen würde).

Khon Training - 005

Der Trainer will noch mehr (By Fine Arts Department, 1954 Public domain, via Wikimedia Commons)

Wie also kommen wir an unsere Leistungsgrenze? Mir ist schon länger klar, dass sich die Intelligenz steigern lässt, wenn der entsprechende Partner an der Seite spielt. Schach ist beispielsweise ein Spiel, wo sich zwei Menschen unter Konkurrenzdruck messen, aber sich genauso entwickeln und fordern. Doch auch hier verkommt das Spiel zu schnell zur Alltagsbeschäftigung und zum harmlosen Freundschaftsdienst. Wir brauchen Trainer, finden aber zumeist nur Menschen, die es gewöhnlich gemütlich angehen lassen.

Das Internet als Trainer?

Ein interessantes Programm, dass gerade die kristallinen Bestandteile unseres Arbeitsgerätes trainiert, gibt es nun auf dem amerikanischen Markt. Lumosity (leider auf Englisch, aber auch das sollte wohl damit trainiert werden) erstellt täglich Statistiken von unseren Leistungen und bombardiert uns mit kleineren Intelligenztests, um uns auf Leistung zu bringen. Hier geht es nur darum, den Arbeitsspeicher zu trainieren, denn so wissen die Forscher aus Camebridge und Harvard nun endlich, dies wirkt sich auf unsere fluide Intelligenz aus. Ich teste derweil Lumosity und werde die nächsten Tage mehr davon berichten. Es erscheint mir sehr seriös, da das Projekt von einigen Professoren vorangetrieben wird und tatsächlich mit einer guten Studie aufwartet (die ich nochmal genauer darstellen werde). Der Monatspreis bei einem Jahresvertrag beträgt ca.6 Dollar, ansonsten 16 Dollar. Womöglich werde ich es aber mal für ein Jahr testen.

Für alle, die sich nun für diesen Artikel eigentlich nicht interessieren, weil sie ja lieber das Leben irgendwie genießen, aber irgendwie doch bis hierher gelesen haben, habe ich noch ein Video. Alle anderen möchte ich bitten, diesen Blog per E-mail zu abonnieren oder der noch recht kleinen Facebookgruppe beizutreten. Ein Kommentar mit weiterführenden, tiefer gehenden Links, wäre auch sehr wünschenswert. Alles Gute Norman Schultz.

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