Was ist der wirkliche Sinn von Meditation? Meditation und Metaphysik

Über den Wirkungsgrad von Meditationen wissen wir wenig. Generell aber wird er wohl überschätzt. Viele angenommene, positive Wirkungen konnten bisher nicht bestätigt werden, wie ich ja bereits im vorherigen Artikel diskutiert habe.

Schlaf und Autogenes Training – Worum geht es beim Autogenen Training wirklich?

Es ist leider so, dass wir uns in unserem Leben einfache Lösungen erhoffen, wir uns jedoch womöglich damit abfinden müssen, dass es keine Wundermittel gibt. Diese Einsicht ist schwer, denn wir romantisieren die Einfachheit. Vor allem bewirkt sie dass viele unserer vertrauten Lösungsmechanismen womöglich irrelevant sind. Deswegen möchte ich in diesem Artikel den tatsächlichen Sinn von Meditation und ihre Nähe zur Religion ausleuchten. Dabei will ich keinen institutionellen Religionsbegriff bemühen, sondern Religion als Frage nach etwas verstehen, dass über unsere bloße physische Konstitution hinausgeht. Leider muss ich hierfür auch klären, wie ich Religion überhaupt verstehe und was hier Wissenschaftlichkeit bedeutet um dann ihren Sinn in Meditation und zum Beispiel Autogenem Training zeigen zu können. Oftmals wird ja die Frage nach Gott als unwissenschaftlich herausgestellt. Das ist allerdings falsch. Sie kann nur nicht empirisch gestellt werden.

Wie ich nun schon sagte, gibt es keine Wundermittel. Naturmittel zum Beispiel werden oftmals als gesunde Alternative hervorgehoben, den höchsten Wirkungsgrad hat jedoch die westliche Medizin. Obwohl die westliche Medizin dazu führte, dass wir unsere Lebenserwartung extrem steigern konnten, hält sich der Verdacht, dass der Westen, schließlich von alten, weißen Männern dominiert, die Entwicklung von alternativen Produkten hemmt oder gar unterbindet. Bei derlei Verdachtshypothese sollten wir uns aber auch vorhalten, wie schnell wir selbst auf Heilsversprechen hereinfallen. Dabei ist es zudem auch so, dass vor allem kluge Menschen auf Fake News hereinfallen.

Das Internet überschwemmt uns mit Informationen und in Amerika ist es mittlerweile so, dass jeder Artikel sich damit schmückt, Forschung oder Studien zu referenzieren. Impfgegner sind hier zum Beispiel sehr informiert und bekanntlich braucht es 10 mal mehr Zeit, Bullshit zu widerlegen, als es braucht, Bullshit zu produzieren. Harry Frankfurt stellte hier zu fest, dass Bullshit ein größerer Feind der Wahrheit sei als Lügen.

Der Kruger-Dunning-Effekt spielt hier eine Rolle, das heißt, in der Regel überschätzen wir unsere Leistungen und unser Denkvermögen. Gegeben aber wieviele Menschen Unfug glauben, ist es womöglich schwer kritisches Denkniveau zu erreichen. Auch wenn uns die Natur natürlich eine gesunde Ernährung vermittelt, der Glaube an die Heilkraft der Natur überspielt dabei mitunter jedwede Vernunft. Im Internet finden sich dann verschiedene Schlagzeilen angeblicher Krebsheilung durch Vitamine, neuen Anti-Krebsdiäten, man liest von den Wundern, die Marijuana bei Krebs oder anderen Krankheiten bewirke. Anfällig sind hier vor allem Individuen, die bereits eine Systemabneigung in sich kultiviert haben und das Niveau haben Verschwörungstheorien halbwegs intellektuell zu verarbeiten.  Schnell wird es zu der Frage des westlichen Systems gegen die Freiheit des Individuums.

Ärzte hassen diesen Trick!!! Dieser Mann bringt ein Multi-Milliardendollarbusiness gegn sich auf mit dieser simplen Ernährungsstrategie.

Man glaubt es kaum, aber derart Versprechen sind erfolgreich. Esoterik ist dabei das Schlangenöl dieses Jahrhunderts.

Es gibt natürlich keine eindeutig duale Welt. So steht aber auch nicht auf der einen Seite die Pharmalobby und auf der anderen Seite der kämpfende Naturheilkundler. Tatsächlich gibt es eben auch Menschen, die mit alternativer Medizin Geld verdienen. Aus dem selben Grund ist es daher leider auch so, dass die Rituale der fernöslichen Medizin in ihrem Marktwert hochgeschrieben werden. Meditation gilt so als Alternative zu den chemisch operierenden Multimilliarden-Dollar Unternehmen. Doch nur weil diese Thesen zu Graden Wahrheit besitzen, bedeutet dies nicht, dass die Alternativen tatsächlich wirken. Da es womöglich keine Wundermittel gibt, wirkt Alternativmedizin zumeist nicht wie versprochen. Oftmals ist der Wirkungsgrad gering. Oft wirken sie auch überhaupt nicht.

Nun ich halte viel von gesunder Ernährung und alternativen Lebensweisen, aber nicht entgegen dem wissenschaftlichen Verstand. Ich war lange Zeit zum Beispiel Veganer. Meine Motivation war vorrangig ethisch, da ich es für verwerflich halte, Tiere auszubeuten, wenn wir es vermeiden können. Problematisch fand ich allerdings die Vehemenz mit der Veganer von den gesundheitlichen Vorteilen ihrer Ernährung berichteten.

Die Indizien hierfür sind nicht überwältigend und diskutabel. Selbst aber wenn Veganismus gesünder ist als Fleischkonsum, ist es noch lange Wundermittel gegen Krebs. So wurde es aber in diesen Kreisen dargestellt. In vereinfachten Darstellungen haben sie oftmals alle Aspekte der Forschung übertrieben und so dann auch auf Naturheilung geschworen. Es ging sogar soweit, dass ich einmal ausgelacht worden bin, weil ich feststellte, dass eine Aidsinfektion nicht mit Naturstoffen zu behandeln wäre. Darauf hieß es dann, dass bei einer natürlichen Ernährung HIV gar nicht erst zu AIDS werden würde. Aids war dann ein Mythos, der von der Regierung lanciert würde.

Dies sind esoterische Verschwörungstheorien. Sie treten allerdings oftmals im Verbund mit einem ganzen Paket an anderen Überzeugungen auf. Anfällig ist, wer grundlegende Problemstellungen der Soziologie und Wissenschaftstheorie nicht versteht. Bis zu einem gewissen Grad sind wir das daher alle. Hierzu habe ich einen Artikel geschrieben:

Warum wir alle an Verschwörungstheorien glauben – Was können wir wissen?

Das Ziel in diesem Artikel ist es nun, die Nähe von Meditationen zur Religion darzustellen. Es geht mir jedoch eben nicht darum, Meditation als Wundermittel zu propagieren. Es geht mir darum, über religiöse Aspekte aufzuklären. Hierbei geht es mir nun auch nicht darum, einer Religion das Wort zu reden. Es würde viele abschrecken, wenn ich hier nun eine dogmatisch christliche Position ausbreiten würde und dies ist auch nicht mein Zielt. Ich denke jedoch auch, dass strikt atheische Argumentationen, ebenso schwer zu verteidigend sind wie strikt theologische Argumentationen. Nun, dies heißt nicht, dass es Gott gibt. Aber die Frage, ob es Gott gibt oder nicht, ist nicht so leicht aus unserem Leben zu verbannen. Die Frage selbst bedeutet eine tiefe, nicht-empirische Auseinandersetzung mit unserem Leben und Tod. Wer hier zu schnell eine Antwort gibt, täuscht sich womöglich selbst. Deswegen möchte ich im Folgenden zeigen, was Meditation im Bezug auf diese Frage bedeutet. In Bezug auf diesen Artikel habe ich auch bereits dargestellt, welche Rolle Religion in einer Wissenschaft spielt.

Was können wir über Gott wissen? Letztbegründungsfragen und Religion

Zur Meditation und Religion

Schauen wir uns zunächst die östliche Meditationsindustrie an. In Thailand meditieren über 1.000.000 Menschen für den Frieden.

1 Million Children Meditating For World Peace In Thailand

Natürlich kann Meditation eine positive Beschäftigung mit sich selbst sein. Es könnte aber auch sein, dass sie eine politische Dimension besitzt. Bei 1.000.000 Menschen, die einem bestimmten Dogma folgen mögen, ist das Potential zur Manipulation groß.

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die romantisierten Ostkulturen denn tatsächlich näher an der Essenz des Menschen leben, ob sie naturverbundener sind. Ein wenig ist mir Asien bekannt und der Buddhismus findet dort sehr unterschiedliche Ausprägungen. Ist Asien naturverbundener? Gemessen am Verkehrsaufkommen hat Deutschland zumindest die ‚ausgeglichenere‘ Luft und das trotz Dieseln. Hier sind ein paar Videos aus meinen Aufenthalten in Vietnam.

Taiwan ist sehr schön. Ich habe dort viel Buddhismus studiert und die Mülltrennung ist dort eine Wissenschaft. Dennoch ist die Luft schlecht, weil nahezu jeder mit Motorroller motorisiert ist:

 

Gemessen am westlichen Meditationsaufkommen sollte ja nun die Lebenserwartung entsprechend höher sein. Meditation ist schließlich ein Wundermittel. Dies ist nicht der Fall. Gerade bei Ländern mit westlichem Lebensstandard ist die Lebenserwartung hoch. Bei Ländern ohne gute medizinische Versorgung ist die Lebenserwartung niedriger als in Deutschland.

Land Lebenserwartung bei Geburt (Jahre)
Japan 85
Singapur 85
Macau 85
Hongkong 83
Israel 83
Republik Korea 83
Taiwan 80
Sri Lanka 77
China 76
Malaysia 75
Thailand 75
Vietnam 74
Bangladesch 73
Indonesien 73
Nepal 71
Demokratische Volksrepublik Korea 71
Bhutan 71
Philippinen 69
Indien 69
Myanmar 68

Quelle: http://www.atanango.com/laendervergleich-demografie-lebenserwartungfrauenjahre–top–50–23/

Was sagt uns diese Tabelle? Es gibt natürlich viele Einflussfaktoren auf die Lebenserwartung. In Vietnam sind die Unfallzahlen zum Beispiel katastrophal. Dennoch glaube ich, dass Vietnamesen und Thailänder, die viel meditieren, auch nicht besser leben. Meines Erachtens ist das Dogma von der besseren Lebensweise der asiatischen Kulturen ein esoterischer Mythos. Es kann dort sehr entspannt und schön sein, aber genauso kann man in Deutschland in ein Kloster gehen. Naturverschmutzung kann dort abgesehen von Japan katastrophale Ausmaße annehmen. Kultur und Religion sind oftmals ebenso mit Politik verknüpft wie in Europa oder Amerika. Von einer besseren Kultur sollten wir daher nicht sprechen, sondern kritisch fragen, inwiefern kann Religion in jeder Kultur kritisch gedacht werden.

Meditation

Meditation enthält natürlich interessante Ideen der Gewaltlosigkeit. Thich Nhat Hanh sagte: „Wollen wir den Krieg in der Welt beenden, müssen wir zuerst den Krieg in uns beenden.“ Ebenso wirft Meditation die Frage auf, welche Dinge uns beschäftigen sollten, denn beim Meditieren will man nichts. In folgendem Video kommt diese Frage zum Ausdruck.

Ich habe das Video erstmals in einer Buddhismus-Klasse in Taiwan gesehen. Es zeigt, wie der Fokus auf einzelne Störungen letztlich dazu führt, dass wir uns immer mehr an den Dingen stören. Es ist stattdessen wichtiger, die Kleinigkeiten ignorieren zu können, um letztlich im Nichts anzukommen. Meditation ist womöglich deswegen auch eine gute Konzentrationspraxis. Aber wie bereits angedeutet, aufgrund der mangelnden Forschung, geht es mir hier nicht darum Meditation oder eben Autogenes Training in ihrem Wert als Wundermittel oder Schlangentrunk zu propagieren, sondern es geht mir um das, was wir wirklich sagen können. Das ist eigentlich die Aufgabe von Philosophen. Natürlich werden derlei Beobachtungen weniger gemocht, weil sich immer herausstellt, dass wir weniger wissen, als wir allgemein vermuten. Darüber hinaus sagen Philosophen zumeist nicht, was ist – der vermessene Anspruch einiger Journalisten – sondern eher sagen sie, was wahrscheinlich nicht ist. Ich möchte aber endlich zur Frage der Metaphysik innerhalb der Meditationen kommen.

Metaphysische Aspekte

Die Entwicklung des Autogenen Trainings war begleitet von der Idee, Meditationstechniken vom religiösen Ballast zu befreien. Der angeblich ideologiefreie, reine Empirismus dominierte das Denken von J.H. Schultz, dem Erfinder dieser Entspannungstechnik. Doch ist die Befreiung von religiösem Gehalt möglich? Und ist die Idee einer ideologiefreien Technik oder Wissenschaft nicht auch Ideologie?

Was ist eigentlich Religion?

Ich habe bereits in meinen Artikeln zur Verschwörungstheorie und zum Denken darauf hingewiesen, dass es womöglich nicht möglich ist, sich von Ideologien zu befreien. Aber wir können sie transparent machen und auf diese Art unser Wissen bewerten. Aus diesem Grund müssen wir uns auch fragen, welchen Einfluss Religionen auf uns haben.

Die meisten Menschen verbinden mit dem Wort ‚Religion‘ die von Menschenhand geschriebenen Bücher, gefüllt mit Fiktionen, die zur Manipulation der Massen eingesetzt werden. Was die meisten Menschen in ihrer Kritik dabei leider übersehen: Erstens nur weil ein Mensch etwas schreibt oder denkt, heißt es nicht, dass alles daran falsch ist. Zweitens nur weil ich einen logischen Fehler mache, heißt das nicht, dass die Ausgangshypothese falsch ist. Glauben wir dies, so begehen wir die sogenannte Fallacy-Fallacy oder zu deutsch, den Trugschluss-Trugschluss.

Exkurs zum Trugschluss-Trugschluss

Prämisse 1:  A äußert These X.
Prämisse 2: A’s Argument enthält einen Trugschluss.
————————————————–
*Konklusion: Die zu Grunde liegende These X muss falsch sein.

Nur weil jemand einen falschen Gedankengang in seinem Denken anwendet, heißt das nicht, dass seine These falsch war. Nur weil menschengemachtete Religionen Trugschlüsse enthalten, heißt dies daher auch nicht, dass es Gott nicht gibt. Nur weil also bestimmte Religionen oder bestimmte Menschen falsche Dinge tun, heißt das nicht, dass die von ihnen genutzte Metaphysik Unfug ist.

Folgendes konkrete Argument ist für mich irrelevant. Die Menschen haben Gott erfunden, um sich das Unerklärliche zu erklären (diese These kenne ich von Thomas Hobbes). Das jemand einen Gott erfindet, um ein Ziel zu erreichen, bedeutet jedoch nicht, dass es Gott nicht gibt. Im Weiteren nur weil ich darauf verweise, dass dies ein Trugschluss ist, heißt dies auch nicht, dass es Gott gibt oder dass ich annehme, dass es Gott gibt. Anstatt also zu streiten, sollten wir ersteinmal fragen, was wir gerechtfertigt wissen können. Denken wir also ein bisschen vorsichtiger über Religion nach.

Zunächst müssen wir dazu die Möglichkeit unseres Wissen diskutieren. Ich will dabei auch klären, wie wir Religion verstehen können. Glaube ich dabei, dass es Gott gibt oder nicht gibt? Ja und nein und ja und nein.

Was ist Religion in unserem wissenschaftstheoretischen Gesamtgefüge?

Wo findet die Religion im wissenschaftlichen System ihren Platz? Es geht mir hier nun überhaupt nicht darum, zu sagen, wo die Wissenschaft aufhört, beginne die Religion. Ich denke, dass wir die Wissenschaft entwickeln und die Wissenschaft unsere einzige Hoffnung auf Wissen ist. Religion und Wissenschaft zu trennen, ist daher ein Fehler. Was aber ist Wissenschaft?

In meiner Dissertation habe ich mich damit beschäftigt, ob wir bereits die abschließende Form einer Wissenschaft gefunden haben. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht der Fall ist. Dennoch kann die Wissenschaft etwas leisten. Wir können zum Beispiel unterscheiden, für welche Fälle sie sehr nützliches Wissen liefert. Ich möchte es daher so sagen: Wo die empirische Wissenschaft aufhört, dort betreiben wir metaphysisch-kritische Wissenschaft. Die empirischen Wissenschaften haben Grenzen, aber mit den empirischen Wissenschaften hört Wissenschaft nicht auf. Ich möchte ebenso sagen, dass die empirische Wissenschaft als Grundlage die metaphysisch-kritische Wissenschaft besitzt.

Religion als Grundlage unserer Wissenschaft

Ich glaube die Religion ist nicht nur Teil der Wissenschaft, sondern Grundlage der Wissenschaft. Natürlich meine ich hiermit nicht die katholische Kirche. Religion ist ebenso wenig der Glaube, dass es Gott gibt, sondern beschreibt den Versuch, das Ganze des Seins zu verstehen.  Die nicht metaphysischen Wissenschaften, das heißt die empirischen Wissenschaften, setzen sich mit Phänomenen auseinander, die beobachtbar und abgrenzbar sind. Das Ganze aber ist nicht beobachtbar, weil es nicht abgrenzbar und kein Individuum ist. Ein Beispiel: Das Seiende können wir beobachten, aber nicht sein Sein, denn alles, was wir beobachten ist immer Seienedes und nicht Sein. Behaupten wir aber deswegen, es gäbe kein Sein? Nein, wir wissen Sein gibt es, doch wenn wir es beschreiben wollen, kommen wir in Verlegenheit.[1]

Das heißt daher auch, ‚Gott‘ ist für einen empirischen Wissenschaftler kein wirklicher Gegenstand, den er bearbeiten kann [Die Religionswissenschaft untersucht natürlich empirisch, wie der Begriff ‚Gott‘ Eingang in die Zivilisationsgeschichte gefunden hat. Ich glaube aber, dass es ihnen dabei auch um den Begriff von Gott geht und wie er sich gemessen am Ideal entwickelt. Andernfalls wäre es ja schlicht Anthropologie]. Gott ist kein Seiendes, kein Ding unter Dingen, ebenso wie das Sein kein Ding unter Dingen ist. Aber wie gesagt, das heißt nicht, dass es das Sein oder Gott nicht gibt. Es heißt nur, dass wir es nicht empirisch erforschen können.

Aus diesem Grund bin ich immer ein bisschen überrascht, wenn Hawking oder der Halbwissenschaftler wie Tyson DeGrasse sich über Metaphysik äußern. In der Regel behaupten sie, dass es diese Metaphysik nicht gibt. Die Begründung ihres Wissens, stellen sie dann unter Bezug auf ihre empirischen Erkenntnisse dar. Kant würde dies einen Kategorienfehler nennen, da sie das Wissen aus der Kategorie des Seienden auf die Kategorie des Seins anwenden.

Hawking und Tyson DeGrassen könnten stattdessen feststellen, dass Gott nicht in den Erfahrungshorizont der Physik passt. Sie machen allerdings metaphysische Aussagen über das Sein und wer sich dabei ein bisschen mit philosophischen Positionen auseinandergesetzt hat, merkt sofort, dass ihre Aussagen wirklich kein wissenschaftliches Niveau haben. Auf Philosophenkongressen würden sie sich schlicht lächerlich machen. Ein Proseminar zu Kant würde ausreichen, um sie besser zu informieren. Man merkt jedoch, dass sie sich nie ernsthaft mit der Grundlegung der Wissenschaft auseinandergesetzt haben.

Warum aber ist nun Religion der Grund der empirischen Wissenschaften? Während die empirischen Wissenschaften Einzelphänomene beobachten, können sich die empirischen Wissenschaften nicht selbst begründen. Hierfür benötigen sie nämlich einen Blick auf das Ganze. Und hier geraten die empirischen Wissenschaften in eine Krise.

Die empirische Wissenschaft behauptet ja immer, dass alles an ihr streng wissenschaftlich wäre. Nun nehmen wir an, wir hätten noch keine Wissenschaft. Wie beginnen wir dann mit Wissenschaft? Fangen wir einfach an? Ja, wahrscheinlich würden wir einfach anfangen. Aber sollten wir nicht streng wissenschaftlich beginnen? Das heißt, sollten wir nicht schon eine Methode haben, die wissenschaftlich ist? Wenn wir nicht wissenschaftlich beginnen, was garantiert dann, dass wir wissenschaftlich arbeiten? Wir haben schließlich noch keine Wissenschaft.

Ich habe diesen Punkt auf meinem Philosophieblog weiter ausgeführt.

Was können wir über Gott wissen? Letztbegründungsfragen und Religion

Es sei nun angemerkt, dass wir nun schon sehr tief in die Wissenschaftstheorie eindringen. Ich schwanke immer und frage mich, ob Leser tiefgründige Ausarbeitung wirklich interessiert. Wissenschaftstheorie ist mein Spezialgebiet und da kann man mal schnell zu kompliziert werden. In meinem anderen Philosophieblog führe ich daher weiter aus, dass die Frage nach Gott und dem Ursprung der Wissenschaften weder mit empirisch- oder rational-intuitiven Methoden bearbeiten können. Auch die sogenannten transzendentalen Methoden versagen. Als Strategie zur Wissenschaftsbegründung kommt meines Erachtens nur die zirkulär-pragmatische Begründung in Frage. Hier gehen wir davon aus, dass wir Gott weder beweisen noch widerlegen können. Daher müssen wir einen Operationsmodus finden, der weder das eine noch das andere annimmt. Die Herangehensweise ist pragmatisch. Wieso aber ist dies eine Grundlage für die empirischen Wissenschaften? Weil es den pragmatisch, relativen Grund bestimmt. Aus diesem Grund hat die empirische Wissenschaft kein Problem anzufangen, weil wir bereits pragmatisches Wissen besitzen. Es ist Wissen, gemessen an seiner Funktionsleistung. Hinzu kommt aber: Wir können kein Wissen über die absolute Realität erlangen, sondern wir erlangen Wissen über unsere Erfahrungshorizonte. Auf all diesen Erfahrungshorizonten basiert Wissenschaft, die diese natürlich versucht, zu abstrahieren. Die Wissenschaft ist menschlich, aber deswegen nicht rein subjektiv. Der Mensch ist ein Wesen, dass sich Fragen offen hält, der Probleme erkennt und mit der Gabe der Reflektion sich und die Wissenschaft weiter entwickeln kann. Diese Reflexionsgabe ist der Grund allen Denkvermögens und spielt in der Meditation eine entscheidende Rolle.

Der Mensch als offenes Wesen

Wir selbst sind Wesen unter einem offenen Horizont, Wesen, die sich entwickeln sollen. Wir sind frei in Bezug auf unser Werden und determiniert in Bezug auf unser Sein. Hier leitet sich auch der oftmals sehr locker verwendete Begriff der Freiheit ab, den wir zu einem Kampfbegriff des Kapitalismus und Kommunismus ummodeliert haben. Tatsächlich bezeichnet er eine unklare Bestimmung unseres Wesens. Es ist damit nicht die Entscheidungsfreiheit gemeint, sondern die Freiheit, jemand anders zu werden. Es bedeutet wir sind noch nicht fertig. Aber was sollen wir und was dürfen wir hoffen?

Freiheit als Begriff zählt zu den drei metaphysischen Ideen, da sie alle nicht beobachtbar sind: Welt als Ganzes, Freiheit als Mensch und Gott als die Vereinung von Welt und Mensch. Auch der Begriff der Freiheit nährt sich aus spekulativem, metaphysischen Denken. Es gibt natürlich immer wieder Schlaumeier, die im dritten Semester ihres Biologiestudiums behaupten, der Körper wäre gänzlich biologisch determiniert. Zwar könnte dies zwar so sein, aber der gegenwärtige Standard der empirischen Wissenschaft, lässt derartige Aussagen nicht zu. Auch mit den bekannteren Libet-Experimenten kann man sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen.  Derlei Behauptungen finden wir eigentlich nur in populärwissenschaftlichen Gebieten, von Wissenschaftlern, die sich eher profilieren wollen. Die kritisch-reflexiven Wissenschaften lassen derlei Schlussfolgerungen in der Regel nicht zu, da es sich um einen spekulativen Begriff und nicht um einen empirischen Begriff handelt.

Wichtig ist bei der Frage nach der Freiheit zunächst unser Erfahrungshorizont. Selbst wenn wir nämlich biologisch determiniert wären, so sitzen wir nicht im Restaurant und warten mit dem Kellner gemeinsam darauf, dass unser Gehirn irgendwann entscheidet, was wir eigentlich essen wollen. Wir schreiben uns die Rolle des Entscheiders zu und unter dieser Voraussetzungen entwickeln wir uns und erwarten es von anderen. Wir respektieren sie als freie Individuen und erwarten, dass sie uns in dieser Art auch respektieren. Wir interagieren auch nicht mit anderen Gehirnen, sondern mit Menschen, die für uns wahre Gefühle haben. Jeden, der das anders sieht und handelt, würde man einen Psychopathen nennen.

Nun behaupte ich nicht zu wissen, was wir wirklich sind, aber ich behaupte, dass wir uns als diese Freiheit verstehen. Es ist nicht entschieden, was wir sind. Es ist nicht entschieden, was die Welt wirklich ist. Es ist nicht entschieden, was Gott wirklich ist. Wie hängt dies nun mit Meditation zusammen?

Meditation und spekulative Wissenschaft

Meditation, richtig verstanden, setzt genau hier an und schließt daher die Dogmatik von Atheisten und Theisten aus. Sie ist aber auch keine Agnostik, da sie die Offenheit der Frage als Solche für sich anerkennt. Es geht nicht mehr darum, ob es Gott gibt oder nicht gibt, sondern darum, dass wir genau in diesem Abgrund stehen, es nicht zu wissen und womöglich niemals zu wissen. Meditation ist daher nicht nur eine Entspannungsübung für den Beruf um bestimmte Körperfunktionen zu kontrollieren, das Cortisol zu senken oder Entspannungsschübe durch unseren Leib zu jagen, sondern Meditation ist die wirkliche Auseinandersetzung mit dem, was wir sind: ein offenes Wesen, eine offene Stelle im Weltall, eine unbeantwortes Fragen. Dieses Fragen kann staunend oder erschüttert, rast- und ruhelos oder kraftvoll und belebend sein. Es hängt davon ab, wie wir diesen Zustand annehmen können. Meditation akzeptiert, dass wir auf die Frage, ob es Gott gibt oder nicht, keine direkte Antwort finden. Es besteht in der Frage. Es erkennt aber auch an, dass die Frage zu einem Leitmotiv in unserem Leben werden kann. Die Griechen hätten dies als Staunen charakterisiert.

Kann Meditation uns also helfen, unser eigenes Wesen zu bestimmen? Auch dies müssen wir kritisch prüfen. Wer hier sofort „Ja“ ruft, ist womöglich ein esoterischer Dogmatiker. Ich glaube aber, dass Meditation in Wirklichkeit eine innere, spekulativ-kritische Auseinandersetzung ist mit dem, was wir sind. In der inneren Einkehr, finden wir Ruhe, wenn wir die Frage als Frage erreichen und uns als Fragende akzeptieren. Dies ist weder die kalte Antwort von Atheisten, noch die Verheißung von Theisten. Es ist auch nicht, die lethargische, zynische oder resignierende Antwort der Agnostiker. Es ist die Antwort alles und damit sich selbst auch als Frage zu verstehen. Es ist die Grundeinstellung eines Lernenden und damit das, was Bewusstes Lernen bedeutet.

Kann Meditation uns daher heilen? Vielleicht nicht, vielleicht sind die Hoffnungen schnell einen gesunden Körper zu bekommen übertrieben. Aber Meditation ist eine innere Einkehr, eine Abkehr vom Außen, die Konzentration auf das, was wir sein können, ohne es festzulegen. Es kann uns Einsicht bieten, dass das Leben Schmerz bedeutet und uns so von der unmöglichen Last, ein schmerzfreies Leben führen zu wollen, befreien. In diesem Sinne ist Meditation mit Religion verbunden. Es ist die Rückbindung an das eigene Fragen, die Offenheit für eine mögliche Antwort, ohne aber die Gewissheit auf andere zu übertragen. Ideal zeigt es, wie das Sein nichts ist, aber wie wiederum dieses Nichts einen Seinsgrund bildet, der freier ist als all unsere gesellschaftliche Identität. In dieser spekulativen Logik haben sich bereits von Laotse bis Heidegger verschiedene Philosophen erprobt und Meditation ist die Praxis dieser Gedanken. Dennoch ist Meditation als innere Einkehr nur ein erneuter Gelenkpunkt in einer weitreichenden Dialektik, denn die Weltenfremdung durch Abkehr mag auch keine endgültige Lösung für das Dilemma des Seins sein: Wir sind Ding und doch kein Ding unter Dingen.

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Dr. Norman Schultz, März 2019, Neubrandenburg.

 

[1] Aristoteles würde sagen, es muss eine Wissenschaft geben, die sich mit dem Sein nicht als Seiendem auseinandersetzt, sondern mit dem Sein als solchem. Er folgert daher, dass die erste Philosophie eine Theologie sein müsse. Sie beschäftigt sich mit dem einen GRUND aller Dinge. Grund in dem Sinne, dass auf ihm alle Dinge beruhen.

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