Metalernen, Pareto-Prinzip und 10.000 Stunden-Regel – Alles Unfug, was hilft wirklich beim Lernen? Teil 1/4

In diesem Artikel geht es um die oftmals vergebliche Mühe, das eigene Lernen zu beschleunigen. Zwar ist es nicht falsch, seine Lernmethoden zu überdenken, am Ende aber bedeutet es häufig Proskrastination. Die Frage ist also, inwieweit sogenanntes Meta-Lernen sinnvoll ist. Zunächst ist es daher wichtig, sich klar zu machen, dass die meisten Ratschläge dabei nutzlos sind. Hierzu werde ich zunächst das Pareto-Prinzip diskutieren, dann die 10.000 Stunden-Regel erörtern. Beide werden sich als unzuausreichend erweisen, um für das Lernen praktikabel zu sein. Dieses liegt daran, dass wir uns schnell im Lernen überschätzen, aber komplexe Fähigkeiten wesentlich mehr Zeit benötigen. Statt also diese Einsichten weiterzugeben, hat sich um das Lernen eine Motivationstheorie gebildet, die ich im Anschluss diskutieren möchte. Motivationstrainer in diesem Bereich nutzen hierbei psychologische Schwächen aus, um Geld zu verdienen. Zwar gibt es kein einheitliches Prinzip, wie wir einen bestimmten Inhalt schneller und erfolgreicher lernen, dennoch werde ich am Ende diskutieren, inwiefern allgemeine Arbeitsmoral und eine Geberattitüde unseren Erfolg beeinflussen.
Der Artikel hat vier Teile, die ich nach und nach hochlade. Wer lieber das Video zum Artikel schauen will:

Gibt es das Paretoprinzip?
Hunold untersucht das Paretoprinzip, die Idee, dass 20 Prozent der Arbeit 80 Prozent des Ergebnisses ausmachen. Hunold kritisiert, dass es vor allem schwierig ist, zu bestimmen welche 20 Prozent der Arbeit dann tatsächlich eine 2 ergeben. Außerdem würden Studien zeigen, dass gerade Studenten, die sich beim Übergang von der Schule ins Studium vornehmen, mehr zu arbeiten, die besseren Resultate bringen.

Hunolds Argument ist also, dass eine simple Reduktion auf 20 Prozent der Arbeitszeit nicht ausreicht, um dann immer noch 80 Prozent der Ergebnisse zu erreichen. Im Gegenzug würde der Vorsatz mehr zu arbeiten, auch zu besseren Ergebnissen führen. Das Problem aber liegt eher in einem anderen Faktor. 20 Prozent sind im Vorfeld schwer zu identifizieren, weswegen es in der Informatik auch die sogenannte 90-90-Regel gilt:

„Die ersten 90 Prozent des Codes benötigen die ersten 90 Prozent der Entwicklungsdauer. Die verbleibenden 10 Prozent des Codes benötigen die anderen 90 Prozent der Entwicklungsdauer.[1]“ – Tom Cargill, Bell Laboratories

Insgesamt sind das 180 Prozent und es soll ironisch ausdrücken, dass wir bei qualitativen Unternehmungen im Vorfeld die entstehenden Schwierigkeiten nicht abschätzen können. Wir könnten auch sagen: Hinterher ist man schlauer. Es kommt also darauf an, sich im Prozess zu verbessern und weniger im Vorfeld zu planen. Planen sollte die Arbeit begleiten, aber sie nicht ersetzen.

2. Brauchen wir 10.000 Stunden um wirklich etwas zu lernen?

Eine andere bekannte Regel ist die 10.000 Stunden-Regel. Nehmen wir also an, wir investieren jeden Tag 4 Stunden in eine Tätigkeit, dann sind das gut 7 Jahre, die wir benötigen, um etwas wirklich auf Expertenniveau zu lernen. Was besagt das Pareto-Prinzip in diesem Zusammenhang?

Wenden wir hierauf das Paretoprinzip an, dann brauchen wir nur noch 2000 Stunden, das heißt bei 4 Stunden im Jahr ungefähr 16 Monate, um die gewünschte Fähigkeit zu 80 Prozent Leistungsvermögen zu können. Das bedeutet, die verbleibenden 6 Jahre würden wir dazu benötigen, um die restlichen 20 Prozent Steigerung zu erreichen. Das Paretoprinzip bedeutet nun nicht unbedingt, dass wir die Zeit verkürzen können. Es bedeutet eher, dass wir uns in einer Fähigkeit mit gutem Training nach 16 Monaten bereits sehr gut gesteigert haben können.  Die Frage ist daher: Können wir die 20 Prozent, die für die 80 Prozent nötig sind, im Vorfeld entsprechend identifizieren? Womöglich nicht. Gladwell, der die 10.000-Stunden-Regel populär gemacht hat, meint zum Beispiel, dass wir um harte Arbeit nicht herum kommen. Alles andere ist womöglich Selbstüberschätzung.

Wie könnt ihr mich unterstützen?

Ich freue mich, wenn meine Ausführungen zum Metalernen, Menschen nützen. Ich schreibe seit Jahren kritische Analysen nebenbei. Es wäre schön, wenn ihr mich unterstützen würdet, so dass ich mich mehr auf vermehrt auf das Schreiben konzentrieren kann. Wie so viele suche ich nun zum Beispiel auch nach Patreons, die meine freie Arbeit unterstützen wollen. 

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Wenn euch das aber zu kompliziert ist, so findet ihr unter folgendem Link meine Daten und könnt mir Geld überweisen. Einfacher ist es, wenn ihr einfach über PayPal unterstützt*:

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Wie häufig überschätzen wir uns in Bezug auf unser Lernvermögen?

Das Problem der Selbstüberschätzung zeigt sich, wenn wir Josh Kaufmanns Ted-Talk analysieren. Er behauptet darin, eine Fähigkeit in 20 Stunden lernen zu können. Immerhin hat der Talk 15 Millionen Zuschauer, was jedoch eher ausdrückt, wie die Internetgemeinde sich von einer Illusionen verführen lässt.

Die ersten 3 Minuten dieses Vortrags sind im Übrigen verschwendete Zeit. Hier der Talk (den man gut und gern überspringen kann), die Zusammenfassung unten.

Nach seinen 3 Minuten emotionaler Ruhigstellung der Zuschauer, diskutiert Kaufmann die 10.000 Stunden-Regel. Da er diesen Arbeitsaufwand nicht schätzt, kommt er auf seine Theorie zurück. 20 Stunden wären genug. Er sagt auch, dass dies genug Stunden wären, um zum Beispiel eine Sprache zu lernen. Das ist natürlich Unfug.

Ted, ein großer Name, wird hier für Talks ohne Qualitätskontrolle verrammscht. TedX-Konferenzen kann nämlich so gut wie jeder anmelden. Die qualitativen Talks sind dabei die Ted-Talks.

Aber zu Kaufmanns Theorie: Er geht davon aus, dass wir die 20 Stunden auf mehrere Monate verteilen und dann tatsächlich schneller lernen würden. Bei seinem Beispiel handelt es sich allerdings nicht um eine komplexe Fähigkeit, sondern um das Ukulele-Spielen, wobei hiermit Akkordeschrobeln gemeint ist. Hier sind seine grundsätzlichen Ratschläge:

1. Dekonstruiere die Fertigkeit!
2. Lerne dich selbst zu korrigieren!
3. Entferne Ãœbebarrieren!
4. Ãœbe mindestens 20 Stunden!

Was ist die notwendige Kritik an dieser Methode?

1. Kann die Fähigkeit dekonstruieren bevor man sie erlernt hat?

Dekonstruieren ist prinzipiell nicht verkehrt, allerdings wird das bei komplexen Fähigkeiten schwierig. Klavierspielen zum Beispiel bedeutet, irgendwann einen komplexen Schritt zu wagen, ein sehr schwieriges Stück anzugehen. Komplexe Fähigkeiten lassen sich dabei analytisch nicht vollständig zerlegen. Nach meiner Erfahrung scheitern Menschen, die daher zu kleinschrittig vorgehen. Es kommt womöglich auf eine Kombination aus Analyse und Synthese an.

Was sich auch einwenden lässt, ist, dass wir vorher nicht wissen können, worauf es bei der Fähigkeit ankommt und viele verschwenden zu viel Zeit, um das Lernen selbst zu dekonstruieren, anstatt mit dem Lernen zu beginnen. Erst hinterher weiß man in der Regel, was man hätte tun sollen. Generell möchte ich die Frage nach dem Lernen des Lernens nicht ablehnen, es muss allerdings immer auf die richtige Mischung geachtet werden. Verplämpert man zu viel Zeit mit Dekonstruktion, dann lernt man nichts. Besser ist es daher immer erstmal zu beginnen und dann zu rekonstruieren.

2. Woher weiß man, wie man sich selbst korrigieren kann?

Selbstlernen-wollen ist Grundvoraussetzung. Die Frage ist wieviel Energie kann man aufwenden, um tatsächlich die gesamte Zeit bewusst zu lernen. Wie integriert man erfolgreich Reflexionsmomente ohne zuviel Zeit in Reflexion zu investieren? Anfangen und dann Selbstkorrigieren, das sind leider auch Phrasen.

3. Eine Plattitüde: Ablenkungen vermeiden! Übebarrieren abbauen!

Danke für den Ratschlag. Nächster Ratschlag!
4. Reichen 20 Stunden üben?
Äh, und dann?

Derlei Versprechen gibt es viele. Beweise fehlen. So wie wir in 20 Stunden nicht einfach muskulös werden können, kann das Gehirn in 20 Stunden womöglich auch keine komplexe Fähigkeit erlernen. Ja, Ukulele kann man für den Hausgebrauch mal studieren, aber man kann in 20 Stunden auch lernen Pfannkuchen zu machen.

Schlußfolgerung: Wie bei Verschwörungstheorien ist es besser erstmal nichts zu glauben. Oder wie es Tai Lopez in seinem TedX-Talk sagt: „Wenn du nach 30 Minuten nicht weißt, wer am Tisch ausgenommen wird, dann bist du es.“ Hier bedeutet es, dass wenn man nach einem Ted-Talk nicht weiß, ob man seine Zeit verschwendet hat, hat man sie verschwendet.

Im Zweiten Teil werde ich diskutieren, inwiefern Kaufmanns Theorie mit der gegenwärtigen leeren Motivationsbranche und mit Selbstüberschätzung zusammenhängt. Um dann im dritten Teil, die Prinzipien des Erfolgs und Lernens zu diskutieren.

Wie lernen wir am besten? Indem wir uns selbst testen oder Fragen stellen. Hier sind die abschließenden Fragen zum Text. Will man also den größtmöglichen Leseeffekt erzielen, sollte man sich mit den Fragen auseinandersetzen.

  1. Was ist das Paretoprinzip?
  2. Warum funktioniert das Paretoprinzip beim Lernen nicht?
  3. Was ist die 90-90-Regel
  4. Wie kritisiert man das Paretoprinzip mit der 90-90-Regel?
  5. Welche Studenten sind im Studium tatsächlich erfolgreich?
  6. Was bedeutet dies für mich?
  7. Warum funktioniert das Paretoprinzip beim Studium nicht?
  8. Was ist Josh Kaufmanns Lerntheorie?
  9. Was ist der Gegensatz zwischen Kaufmanns Theorie und der 10.000 Stunden Regel?
  10. Was sind komplexe Fähigkeiten?
  11. Warum funktioniert Kaufmanns Ansatz bei komplexen Fähigkeiten nicht?
  12. Was ist der Kruger-Dunning-Effekt?

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Dr. Norman Schultz, Jinan (China) August 2019.

Singapore

Das Flickr-Album ist nach meinem Kurzaufenthalt in Singapore beim Flug nach Jinan entstanden. Singapore ist einer der beeindruckensten Orte, die ich bisher sehen durfte. Das ökonomisch-politische Modell ist zwar fragwürdig, aber erfolgreich.

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