Von der Macht des Gebens: Adam Grants „Givers and Takers“ und sein altruistischer Ansatz für Erfolg

Welche Seite ist stärker in dir? Die dunkle Seite der Macht oder die helle? Folgendes Experiment:

Nehmen wir an, du bekommst Geld. Ja einfach so. Nicht viel und da ist eine Bedingung. Nichts schlimmes, aber du musst das Geld mit einem dir Unbekannten teilen. Du wirst diesen Unbekannten niemals sehen. Alles, was du tust, wird keine Auswirkungen auf dich haben und natürlich kennst du den Unbekannten nicht. Du musst nur mit ihm teilen und die Frage ist welche von den drei folgenden Optionen wählst du?

A) Du bekommst 7 Euro und der Unbekannte bekommt 4 Euro
B) Du bekommst 5 Euro und der Unbekannte ebenfalls 5 Euro
C) Du bekommst 4 Euro und der Unbekannte bekommt 8 Euro

Nun, du hast dich entschieden und das ganze bestimmt welche Art Mensch du bist. Vielleicht zeit es nicht an, wie du dich in allen Fällen entscheidest, aber es zeigt eine Tendenz.

Bevor wir zu meiner Meinung richtigen Lösung kommen, möchte ich dennoch fragen, welche Strategie ist in der heutigen Welt die erfolgreichste?

MCM 2013 - Emperor Palpatine (8979536884)

Good, good let the hate flow through you… By Roger Murmann from Eppertshausen, Deutschland, via Wikimedia Commons

Du glaubst Variante A? Nun ich argumentiere, dass du mit dieser Sicht möglicherweise falsch liegst. Stellen wir uns die Perspektive mal von einer anderen Seite vor.

Nehmen wir an, du müsstest deinen Traumpartner wählen und du hast die Wahl zwischen drei verschiedenen Typen. A), B) oder C). Alle Typen sehen genau gleich aus und haben genau denselben Beruf (nehmen wir an sie alle sind Arzt). Welchen Typ würdest du wählen, wenn dir nur ihre Entscheidung aus vorigem Experiment bekannt ist?

Nun, ich vermute, dass du C) gewählt hast, den sogenannten Giver. Matchers (Typ B) sind natürlich auch nicht schlecht. Aber hattest du schon mal eine Beziehung mit einem Matcher? Will man zum Beispiel Rechnungen immer genau teilen? Will man fortwährend sein ganzes Leben berechnen, wie viel nun der andere gegeben hat und wie viel man selbst? Will man den anderen nicht mal über die Gerechtigkeit hinausgehen sehen? Will man nicht jemandem vertrauen, und ist das nicht jemand, der bereit ist mehr zu geben als zu nehmen und das einfach so?

Ich habe das Experiment mit vielen Menschen bereits durchgespielt. Meine Studenten sind dabei zumeist Matcher wobei ca 10 – 20 Prozent jeweils Taker oder Giver sind. Bei der Inversion meinten vor allem, die das Taking-Modell gewählt haben, sie würden tatsächlich den Taker als Partner wählen, weil dieser mehr Geld generieren würde. Abgesehen aber davon wie sie auf die Idee kommen, dass ein Taker gerade mit ihnen Geld in einer Beziehung teilen würde, hat Adam Grant, Business Professor, ein Buch geschrieben, in dem er anhand seiner Studien und von Beispielen nachweist, dass tatsächlich der Giver im Business und überhaupt am erfolgreichsten ist.

Aus diesem Ansatz lässt sich daher einiges lernen, denn tatsächlich, ob wir erfolgreich sind, hängt großen Teils davon ab, wie wir mit anderen interagieren, kooperieren.

Definitionen:
Geber, sind diejenigen, die geben ohne Erwartungen.
Matcher sind diejenigen, die es gerecht haben wollen.
Taker sind diejenigen, die am besten nur haben wollen, ohne zu geben.
Tja und wie hast du dich entschieden? Ich sage meinen Studenten bei diesem Test immer, dass es nur ein Test ist. Entscheidend ist, wer wir werden wollen und dazu möchte ich mit folgenden weiteren Überlegungen beitragen. Geben ist nicht naiv. Es ist kein oberflächliches Gutmenschentum, sondern etwas, was unsere Gesellschaften ausmacht und was uns selbst glücklich macht.

Außerdem verteidige ich die Auffassung, dass wir der Gesellschaft niemals so viel zurückgeben können, wie wir von ihr erhalten haben. Wir nutzen Straßen, leben in Häusern, bauen auf Techniken, die Generationen vor uns entwickelt haben. Menschen sind natürlicherweise Geber.

Bei der Kritik des Altruismus, also des naiven Gutmenschen, aber kommt das Taker-Syndrom wieder zum Tragen. Diese Argumente bedeuten zumeist eine Ãœbertragung der eigenen Einstellung.

Was habe ich von meinen Studenten bereits alles gehört? Ich nehme mehr Geld, weil ich nicht weiß, ob die andere Person, damit wirklich etwas Gutes macht. Einer meinte sogar, dass DER ANDERE sich ja Kinderpornos im Internet runterladen könnten. Hallo? Wie kommt man bitte auf solche Ideen?

Meine Überlegung war, dass die andere Person sich vielleicht lange in ihrem Leben fragen wird, warum jemand anders weniger akzeptiert und sie mehr bekommt und meine Überelegung war, dass diese Person dann vielleicht jemand anderem etwas gibt, irgendwann. Hoffnungslos naiv? Nun Taker nehmen häufig an, dass jeder der gibt, anderweitig entlohnt werde, dass man entweder Ansehen bekommt oder gar ein gutes Gefühl sich besser fühlt. Und ja es stimmt Geben macht glücklich (http://www.zeit.de/2010/39/IG-Hilfe). Aber es ist auch bekannt, dass Menschen, die geben, um glücklich zu sein, nicht glücklicher werden. Der Taker glaubt eben, gut nach dem alten Rational-Choice-Modell, dass wir die Folgen unserer Handlungen eiskalt berechnen. Aber nicht jeder der handelt und positive Effekte erhält, hat deswegen wegen dieser Effekte gehandelt. Dies zu glauben ist naiv.

Die Möglichkeit des Altruismus lässt sich eben nicht auf Grundlage eines vorausgesetzten Egoismus widerlegen. So lässt sich übrigens aus selben Grund auch Kants kategorischer Imperativ verteidigen: Nur weil ich nach einer moralischen Handlung glücklich bin, korrumpiert das nicht den Wert als moralische Handlung. Die Handlung darf nur nicht vom Motiv, glücklich zu sein, geleitet sein. Wenn ich also handle, weil ich einem anderen Menschen etwas Gutes tun will, so ist es eben das, was eine Handlung moralisch macht.
Reciprocal altruism
Warum aber würdigen Taker diese Haltungen herab, weil sie eigene Weltsicht und ihren eigenen Charakter auf den Geber übertragen. Meine These ist daher, wer häufig Schlechtes in anderen sieht, hat von sich selbst kein gutes Bild.

Denken Menschen nun von Natur aus an sich oder von Natur aus an andere?

Adam Grant stellt hier fest, dass das Interesse für andere und starkes Selbstinteresse keineswegs Gegenteile sein müssen. Hierzu zitiert er Bill Gates vom World Economic Forum:

„There are two great forces of human nature: self-interest and other-interest, and people are most sucessful whent they are driven by a hybrid engine of the two.

Übersetzt heißt das: Es gibt zwei große Kräfte in der menschlichen Natur: Selbstinteresse und Interesse für andere. Und Menschen sind am erfolgreichsten, wenn sie von einem Hybrid aus beiden angetrieben werden. In Grants Analyse sind es diese otherish-givers, nämlich diejenigen, die auch selbst erfolgreich sein wollen, die eben erfolgreich sind. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes, als dass wir altruistisch handeln können, auch wenn wir als Nebenfolge positive Effekte für uns erzielen. Und die gibt es, sie sind nur schwer zu kalkulieren.

Tatsächlich hat mir diese Interpretation die Augen geöffnet. Ich hatte für mich persönlich immer angenommen, dass ich vielleicht nicht gut bin, weil ich doch auch immer ein Interesse für mich selbst hatte. Viele warfen mir gar vor, dass ich Dinge nur tue, um selbst zu glänzen. Natürlich wollte ich mich auch immer beweisen, aber nicht aus Narzismus, sondern ich wollte einfach erfolgreich sein für mich und mit diesem Erfolg auch etwas beitragen. Bin ich ein Geber? Ich hätte es nicht gedacht, aber der Self-Assessment-Test von Adam Grant hat dies bestätigt. Seit Kindertagen hat mir meine Schwester immer vorgehalten egoistisch zu sein und vielleicht hatte ich es irgendwann geglaubt, gleichzeitig habe ich aber immer viel für andere getan, wie zum Beispiel Ausländern bei ihren Essays geholfen (ganze Abende haben wir darauf verwendet), andern Menschen Schach beigebracht, Statistik-Lern-Gruppen organisiert und anderen Mathematik-Nachhilfe gegeben. Ich habe einmal komplett Dairi Matsumotos Dissertation mit ihm durchgearbeitet. Ich habe viel für Nichtregierungsorganizationen geschrieben, Menschen mit Geld unterstützt. Nun ja ich zähle das auf, nicht weil ich glänzen möchte, aber ich hatte immer das Gefühl, es wäre nicht genug. Eine Ex-Freundin hat mich sogar sehr stark angegriffen, dass ich das alles nur für mich tun würde. Vielleicht ja, vielleicht stimmt das, aber vielleicht ist es auch nicht schlimm, wenn man selbst dabei gewinnt, solange man noch gibt.

Weitere Fakten aus dem Buch

1. Starke Bindungen gegen schwache Bindungen (schlafende Bindungen)

Eine weitere sehr hilfreiche Unterscheidung betrifft starke und schwache Bindungen. Nach einer Studie habe Granovetter herausgefunden, dass 17 Prozent ihre gegenwärtige Jobs durch starke Bindungen erhalten hätten, während 28 Prozent ihren Job durch schwache Verbindungen erhalten hätten. Während Taker aber vor allem auf starke Kontakte spekulieren, lassen sich schwache Verbindungen eben schwer voraussetzen und bedürfen einer bestimmten Einstellung, die es nicht auf Verwertung anlegt. Schwache Verbindungen entwickeln sich auch schnell zu schlafenden Verbindungen und liegen Jahre lang brach. In riskanten Momenten können diese Verbindungen dann allerdings doch reaktiviert werden, schlicht auch weil „Gutmenschen“ so viele haben.

Grant sieht auch weitere Vorteile:

„The dormant ties provided more novel information than the current contacts.“

Schlafende Kontakte, die reaktiviert werden oder aber auch schwache Verbindungen versprechen bessere Informationen, da man sich mit seinen Standardkontakten schnell ausgetauscht hat. So bringen schwache Kontakte schnell in ein neues Informationsfeld. Aus folgendem Grund ist die Theorie, dass Facebookfreundeskreise aus Menschen bestehen, die sich für uns nicht interessieren auch einfach nur oberflächlich: 

Zwar ist es so, dass die Freunde schlafen und daher nicht direkt an uns interessiert sind, oftmals können diese aber reaktiviert werden.

2. Der konstante Geber

Konstante Geber kehren Nullsummenspiele in Win-Win-Situationen. Viele Menschen in meinem Umfeld haben bereits bemerkt, dass Win-Win-Situationen nur sehr selten auftauchen. Ich denke, dass dies aber nicht stimmt, sondern diese Situationen stellen sich rund um die Uhr ein, allerdings muss dafür auch ein Netzwerk ausgebaut sein. Hornik versucht zum Beispiel in Gesprächen immer herauszufinden, wie er Menschen helfen kann. Und hier ist die Crux: er hilft auch, wenn er möglicherweise nichts zurückbekommt. Damit aber kehrt er sein Umfeld bald in eine Netzwerk, das aus Helfern besteht. Er schafft damit die Norm „Wert“ zu schaffen. Geben verteilt sich schnell in den sozialen Netzwerken.

„Adam [gemeint is Adam Rifkin] always wants to make sure that whoever he’s giving to is also giving to somebody else. If people benefit from his advice, he makes sure they help other people he gives advice to – it’s creating a network, and making sure that everybody in his network is helping each other, paying it forward.“ (56)

In anderen Worten:

Geben ist ansteckend: „Giving is contagious“ (Fowler and Nicholas Christakis)

Netzwerke, die in der Regel aus bis zu 70 Prozent Matchern, 15 Takern und 15 Givern bestehen, wandeln sich diese in Gebernetzwerke, je bereiter die Geber sind, ohne Gegenleistung zu geben.

Never-Give-Up

By Diepcad (Own work) via Wikimedia Commons

 5-Minuten-Gefallen

Nun haben wir nicht viel Geld? Man kann in vieler Weise geben. Es gibt überall Kleinigkeiten, die Leuten eine Freude bereiten. 1 Euro-Läden helfen, aber eben auch Zeit zuzuhören, Ausländern beim Übersetzen helfen, Deutschkurse geben, ehrenamtlich helfen, Kindern Klavier oder Schach beibringen, bei Wikipedia arbeiten, Seiten mit Likes unterstützen, in Foren hilfreiche Dinge posten. Es geht eigentlich überall.

In meinem Haus habe ich eine Geschenkebox, wo alles reinkommt, was ich weggeben kann. Da schaue ich rein, wenn ich Leute besuche. Dann habe ich noch eine Liste von Dingen, die ich kaufen kann.

Wie es nicht funktioniert:

Und hier noch ein Videokünstler, der zeigt, wie man eine Menge Dinge kostenlos bekommen kann und sich dabei zum Arschloch macht.

In Neudeutsch heißt das „akward“. Die Art und Weise wie er Essen schnorrt, funktioniert bestimmt nicht um gute Freundeskreise zu bekommen.

Wenn ihr Meinungen zu dem Thema habt, dann  bitte in die Kommentare.

Wenn ihr keine weiteren Beiträge verpassen wollt und mir weiter folgen wollt, dann solltet ihr in den E-mail-Verteiler schlüpfen (bei Facebook kommt ja nicht mehr alles an). Ihr könnt mich auch bei Google+ adden, oder der Facebookgruppe oben rechts beitreten (bei Facebook gibt es dann auch andere Fragmente). Ein RSS-Feed für die progressiven Internetnutzer ist natürlich auch vorhanden. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben. Weiterempfehlen  ist natürlich auch ganz nett und ein Geber-Phänomen :)

Norman Schultz, Pittsburgh, Februar 2016

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